26. März 2024, 14:46 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Seit Jahren betreibt Hermès künstliche Verknappung bei seinen beliebten Modellen und Taschen-Liebhaber nehmen diese Verkaufspolitik zähneknirschend hin. Jetzt wurde eine Sammelklage in den USA eingereicht, die genau gegen diese kuriose Verkaufspolitik vorgeht. Was es damit auf sich hat und welche Hürden vor einem Hermès-Kauf auf Sie warten, erfahren Sie hier.
Es gibt Designer-Taschen und es gibt Taschen von Hermès! Für eine „Loulou“ von Saint Laurent oder eine „Saddle Bag“ von Dior geht man einfach in eine Filiale oder bestellt problemlos im Onlineshop. Meist kann man die Tasche sofort mit nach Hause nehmen oder hält sie nach wenigen Tagen in den Händen. Bei begehrten Modellen von Hermès, z.B. der „Birkin“ oder einer „Kelly Bag“, kann es Monate, gar Jahre, dauern, bis man das Wunsch-Modell sein Eigen nennen kann. Denn eine Warteliste gibt den Ton an. Vorausgesetzt, man schafft es überhaupt auf diese sagenumwobene Liste.
Hermès und die künstliche Verknappung
Dass es eine Warteliste für beliebte Hermès-Modelle gibt, ist auch Taschen-Laien bekannt. Die künstliche Verknappung bei Luxusgütern ist schon seit vielen Jahren ein großes Thema. Bei Liebhabern wird somit der Jagdinstinkt geweckt. Es ist selten, es ist teuer, ich muss es haben! Das Warten steigert die Begierde und je mehr Zeit verstreicht, desto höher wird das Verlangen.
Aber warum gibt es überhaupt eine Warteliste? Zum einen, um die Exklusivität und die Verknappung beizubehalten und zum anderen, weil eine „Birkin“-Tasche rund 40 Stunden in der Herstellung benötigt. Dabei werden gelernte Taschenhersteller eingesetzt, die eine zweijährige, speziell auf Hermès-Taschen ausgelegte Ausbildung durchlaufen haben und in kleinteiliger Handarbeit die Stiche (mit dem sogenannten Sattelstich) setzen.
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Die Hürden vor der Warteliste
Dass wir einfach so in einen Hermès-Shop schlendern und uns eine Tasche aussuchen, dieses Wunschdenken haben wir bereits vor Jahren begraben. Die Warteliste ist jedoch nicht die einzige Hürde (neben den exorbitanten Preisen), die es zu bewältigen gilt auf dem Weg zur Traumtasche. Denn es gibt auch noch die Hürden vor der Hürde! Denn nicht jeder kann sich auf eine Hermès-Warteliste setzen lassen. Erst recht keine Hermès-Neulinge.
Bevor Sie nämlich Wartelisten-Luft schnuppern können, müssen Sie vorab bereits einige Hunderte Euro für andere Produkte bei Hermès gelassen haben. Das können beispielsweise ein Paar der beliebten „Oran“-Sandalen sein für 600 Euro, ein Seiden-Twilly für 225 Euro oder auch der klassische Gürtel mit H-Schnalle für 630 Euro. Kurz gesagt: Treue Kunden, die bereits eine Stange Geld dagelassen haben, dürfen die sagenumwobene Warteliste aus nächster Nähe sehen. Es ist keine festgeschriebene Regel, aber unter Hermès-Kennern ist diese kuriose Verkaufspolitik längst bekannt.
Wunsch-Modell? Von wegen!
Und dann wäre es auch noch essenziell, ein gutes Verhältnis zu einem Verkaufsmitarbeiter von Hermès zu pflegen. Das ergibt sich im besten Fall bei den etlichen Käufen vor der Warteliste. So könnte es Ihnen sogar vielleicht gelingen, doch etwas früher an das gewünschte Taschenmodell zu kommen.
Apropos, hat man es erst einmal auf die Warteliste geschafft und die Wartezeit überbrückt, hält man am Ende nur selten wirklich das gewünschte Modell in den Händen. Denn bei der Aufnahme auf die Warteliste können Sie Wünsche äußern, beispielsweise eine „Birkin“ 25, in robustem Togo-Leder, mit sichtbarer Sellier-Naht in einem neutralen Schwarz- oder Braunton. Kommt dann jedoch aus dem Nichts ein Anruf von Ihrem Hermès-Verkaufsmitarbeiter, dass eine „Birkin“ in der Größe 30, zwar mit Sellier-Naht, aber in Epsom-Leder und einem ganz anderen Farbton verfügbar sei, dann heißt es entweder, Wünsche zurückstecken und zuschlagen oder weitere Monate (oder Jahre) auf der Warteliste verweilen.
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Sammelklage gegen Hermès
Gegen diese kuriose Verkaufspolitik sind nun zwei Hermès-Kunden in den USA vorgegangen, wie die Seite „Time“ berichtet. Eine der Klägerinnen, Tina Cavalleri, habe zuvor bereits mehrere Tausend Dollar bei Hermès gelassen und als sie sich dann für eine „Birkin“ auf die Warteliste schreiben lassen wollte, hieß es, dass dies nur Kunden „die das Geschäft immer unterstützt haben“ vorbehalten sei. Ähnliches berichtete Mark Glinoga, ihm wurde auch dazu geraten, „dass er andere Artikel und Accessoires kaufen müsse“, bevor er eine „Birkin“ haben könne.
Eine Sammelklage von Cavalleri und Glinoga wurde am vergangenen Dienstag in Kalifornien vor Gericht eingereicht. Darin heißt es, dass die Verkaufspraktiken von Hermès für die „Birkin“-Taschen gegen das Kartellrecht verstoßen würde. Die Verkaufsmitarbeiter erhalten laut der Klageschrift keine Provision auf den Verkauf einer „Birkin“-Tasche, jedoch eine Provision beim Verkauf von anderen Hermès-Artikeln. Die Koppelung von Waren an andere Käufe sei als Missbrauch der Marktmacht zu betrachten und würde die erzielten Gewinne künstlich in die Höhe treiben. Wie es in dem Fall der Sammelklage weitergeht, ist bis jetzt noch nicht bekannt, doch Cavalleri und Glinoga fordern andere potenzielle Kunden auf, sich der Klage anzuschließen.