30. April 2024, 16:32 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Reich an Eiweiß, Kalzium und Eisen, dabei kalorienarm und völlig frei von Cholesterin – bis vor Kurzem galt Tofu noch als Superfood. Inzwischen macht das Lebensmittel aus Soja jedoch vermehrt Negativ-Schlagzeilen: Der „Sojaquark“ soll laut verschiedener Studien und Artikel schädlich sein, sowohl für die Umwelt als auch für die Gesundheit. STYLEBOOK hat Experten befragt.
Tofu (auch bekannt als Bohnenquark) wird aus Sojamilch gewonnen. Das Verfahren ähnelt der Käseherstellung. Die Sojamilch wird gekocht und mit einem natürlichen Gerinnungs-Mittel versetzt, die anschließend in der Molke schwimmenden „Flocken“ werden später gefiltert. Tofu gibt es, je nach Entwässerungsgrad, in unterschiedlichen Varianten: Der schneeweiße Seidentofu ist puddingartig, Räuchertofu hingegen von festerer Konsistenz und mit Schnittkäse zu vergleichen.
Übersicht
Das sind die Vorzüge von Tofu
- Calcium, Eisen, Magnesium, Phosphor, Folsäure, dazu eine Reihe von Vitaminen – Tofu enthält viele wichtige Nährstoffe, nicht zuletzt …
- … einen hohen Eiweissgehalt. Das macht Tofu zu einer guten und wichtigen Proteinquelle bei veganer Ernährung.
- Tofu ist kalorien- und fettarm, 100 Gramm haben gerade etwa 76 Kalorien. Zum Vergleich: Selbst mageres Hühnerfleisch kommt auf das Dreifache!
- Tofu ist völlig frei von Cholesterin
- Die Sojaprodukte sind quasi geschmacksneutral, mithilfe der richtigen Gewürze also vielseitig einsetzbar und sehr unkompliziert zuzubereiten
- Seine Herstellung ist bedeutend weniger umweltbelastend als die Tierzucht, speziell was den Verbrauch natürlicher Ressourcen, wie insbesondere Wasser, betrifft
Mit der Zeit fing der gute Ruf der Sojabohne jedoch an zu bröckeln. Der Verdacht: Sojabohnen werden unter Einsatz von Gentechnik angebaut, außerdem soll der Verzehr von Tofu Nierensteine verursachen und damit ungesund für den Körper sein. Auch von hormonellen Veränderungen aufgrund der enthaltenen Phytoöstrogene im Soja, die mit dem Essen aufgenommen werden, ist die Rede.
Stört Tofu den Hormonhaushalt?
Hintergrund
In Sojaprodukten stecken Isoflavone, sekundäre Pflanzenstoffe, die wegen ihrer dem weiblichen Sexualhormon Östrogen ähnlichen Wirkung auch als Phytoöstrogene genannt werden. Tofu-Konsum soll sich daher auf den menschlichen Hormonhaushalt auswirken. Angeblich profitieren Frauen in den Wechseljahren davon, weil Isoflavone beziehungsweise Phytoöstrogene typische Wechseljahr-Beschwerden wie Hitzewallungen lindern sollen, auch das Erscheinungsbild der Haut sollen sie verbessern und etwa dazu beitragen, weniger Falten zu bilden. Und wie ist es bei Männern? Da heißt es, die in Soja und damit auch Tofu enthaltenen Phytoöstrogene würden zur Verweiblichung des Körpers beitragen. Zudem sollen enthaltene Pflanzenfarbstoffe eine negative Wirkung auf die Schilddrüsenfunktion haben.
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Das sagt der Experte
„Die Gefahr einer Verweiblichung durch die Ernährung mit Soja besteht nicht“, so Dr. Markus Keller. Wie der Gründer des „Instituts für alternative und nachhaltige Ernährung“ (IFANE) im STYLEBOOK-Interview erklärt, ist die Wirkung der in Tofu vorkommenden Stoffe viel schwächer als das echte Hormon Östrogen, „Männer dürfen also so oft Tofu essen, wie sie möchten“. Zudem trage der Konsum von Sojaprodukten vermutlich zur Senkung des Risikos, an Prostatakrebs zu erkranken, bei.
Genauso wenig könne das Nahrungsmittel, wie mitunter angenommen wird, einen Schilddrüsenkrebs begünstigen. „Im Gegenteil. Epidemiologische Studien und Artikel zeigen, dass Personen mit einer höheren Aufnahme von Sojaprodukten ein geringeres Risiko auf die Erkrankung aufweisen“, so Keller.
Bei Frauen ist die Studienlage, was die positiven Eigenschaften auf die Haut und in der Menopause angeht, nicht eindeutig. Untersuchungen zeigen jedoch, dass Frauen in Asien, wo vergleichsweise viel Sojaprodukte konsumiert werden, weniger Wechseljahr-Beschwerden haben. Grundsätzlich können die in Tofu enthaltenen Isoflavone den Hormonhaushalt beeinflussen: Dieser Einfluss sei aber vom jeweiligen Östrogenspiegel der Frau abhängig, wie „Harvard T.H. Chan School of Public Health“ schreibt. Der Einfluss von Phytoöstrogenen sei höher, wenn der Östrogenspiegel niedriger sei, wie es bei Frauen in den Wechseljahren der Fall ist.
Fazit
Frauen und Männer mit gesundem Stoffwechsel können unbesorgt sein, solange sie keine Unmengen von Lebensmitteln aus Sojamilch essen. Bei Menschen, deren Schilddrüsenfunktion gestört ist (etwa durch einen Jodmangel), könnten Sojaprodukte das Risiko erhöhen, eine Schilddrüsen-Unterfunktion zu entwickeln. Sofern sie auf eine ausreichende Jodversorgung achten, ist Tofu-Konsum aber unbedenklich für ihre Gesundheit.
Hinweis
Aufgrund der nachgesagten positiven Eigenschaften von Isoflavonen werden sie auch in isolierter Form verkauft. Von der Einnahme ist jedoch abzuraten, da sie nicht ohne Risiko für den Körper ist, wie das Bundesamt für Risikobewertung schreibt.
Kann Tofu Nierensteine verursachen?
Der Chinese He Dong hat über Jahre für sein Leben gerne Tofu gegessen – und zwar täglich. Nachdem er mit starken Schmerzen in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, wo ihm in einer Not-OP 420 (!) Nierensteine entfernt werden mussten, stellte der Chefarzt fest: Das Lebensmittel aus Soja war schuld. So bestätigt auch Buchautor und Ernährungswissenschaftler Sven-David Müller („Die Gicht-Ampel“, Trias Verlag) gegenüber STYLEBOOK: „Tofu enthält vergleichbar hohe Mengen an Purin, wie rotes Fleisch – die Hauptursache für die Entstehung von Nierensteinen und Gicht.“
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Ist Soja genmanipuliert?
Hintergrund
Als günstige Eiweissbombe ist die Sojabohne ein wichtiger Grundstoff für die Lebensmittelindustrie – übrigens nicht zuletzt bei der Herstellung von Fleisch und Käse. Mit der enormen Nachfrage in den vergangenen Jahren gerieten die Erzeuger unter Druck. Die Folge: Mittlerweile werden 70 Prozent der weltweiten Felder mit genmodifizierten Sorten bebaut, konventionell angebauter Soja ist weltweit zur Rarität geworden.
Das sagt die Expertin
„Zumindest in der EU ist die Angst vor Gen-Tofu unbegründet“, versichert Dr. Birgit Wilhelm, Landwirtschaftsexpertin des „WWF Deutschland“, gegenüber STYLEBOOK. „Hier müsste Tofu, der aus genmanipuliertem Saatgut stammt, gekennzeichnet werden.“ Schon alleine aus diesem Grund würden Hersteller vor der Verwendung genmanipulierter Erzeugnisse zurückschrecken, „ihre Ware würde niemand mehr kaufen.“
Fazit
Gegenüber günstigem Fleisch, ob aus dem Supermarkt oder dem Asia-Imbiss, ist Tofu tatsächlich zu bevorzugen. Denn: Auch wenn gentechnisch veränderte Sojabohnen nicht für den Anbau zugelassen sind, werden jährlich über 21 Millionen Tonnen genmanipulierter Sojaschrot importiert – und als günstiges, eiweißreiches Futtermittel in der Viehzucht verwendet. „Und womit ihre Tiere gefüttert wurden, müssen Bauern nicht angeben“, warnt Dr. Wilhelm.