20. Juli 2017, 8:23 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Klopapier und sexy? Darüber spricht man nicht. Sollte man aber, wie wir finden. Denn die Papierrolle ist längst ein Hingucker im Bad geworden.
Ein leises Rrrrp. Ein routinierter Handgriff. Und zack rauscht das Toilettenpapier die Klospülung hinunter. Das schnöde weiße wird vielfach durch farbenfrohe Varianten ersetzt: rosa und gelb, mit aufgedruckten Flamingos, Einhörnern, Eiffeltürmen, Blumen. Längst gibt es auch Anbieter für ausgefallene, individuelle Wünsche. Warum drucken Menschen Motive ausgerechnet auf Klopapier? Und warum sind Kunden bei dem Anblick offenbar völlig aus dem (Klo)häuschen?
Schwarzes Klopapier ist besonders beliebt
Fangen wir bei den großen Herstellern an: Bei Hakle gibt es bedrucktes Klopapier seit etwa Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre. Motive würden intern abgestimmt und dann den Handelspartnern vorgestellt. Mehr als 90 Millionen Rollen bringt Hakle laut einer Sprecherin jährlich an die Kunden — ein Viertel davon sei bedruckt. Zewa testet Motive in einer Marktforschung, „um sicherzustellen dass diese attraktiv für die zielgruppenrelevanten Konsumenten sind.“ Oft werde farbiger Leim genutzt, der die Prägung des Papiers hervorhebt, erklärt eine Sprecherin. Ein Druck auf dem Papier werde nur für spezielle Limited Editions umgesetzt. Die Betreiber von Abwasseranlagen sehen keine Probleme.
Branchenexperten schätzen den jährlichen Verbrauch an Toilettenpapier in der Bundesrepublik auf 600.000 bis 700.000 Tonnen. Am begehrtesten ist in Deutschland laut Zewa dreilagiges Klopapier mit einem Anteil von 65 Prozent. Laut GfK kaufen die privaten Haushalte in Deutschland im Schnitt pro Jahr 93 Rollen trockenes Toilettenpapier für 25,48 Euro. Vier von zehn Kunden greifen demnach zu Papier mit Dekor. Hans-Jürgen Collatz vertreibt über die Firma Desgin-Tissue einfarbiges Toilettenpapier — unter anderem in pink und Terrakotta. Schwarz sei aber die gefragteste Farbe und komme etwa in Szenekneipen aufs WC, die alles in schwarz-weiß halten. „Es gibt auch Hotels, die jede Etage in einer anderen Farbe gestalten“, sagt er. Badausstatter nutzten farbiges Klopapier als Hingucker. Ähnlich äußert sich Fritz Loibl von Tissuedesign, der die Blätter mit Gold und Silber verziert. Wer sein Klopapier mit 24-Karat Echtgold prägen lässt, das will er lieber nicht verraten.
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Zu diesen Anlässen boomt der Verkauf
Einer der Hauptanlässe für Motivklopapier — so erzählen Collatz und Loibl — ist die Hochzeit. Die Rollen dienten etwa als Verpackung für Geldgeschenke, sagt Loibl. Als zweitstärkstes Thema nennt Collatz Weihnachten. Hier diene Papier etwa mit Rentieren oder Tannenbäumen sowohl zum Verschenken als auch für die Innenausstattung. „Weihnachten wird ja heute dekoriert bis ins letzte Örtchen.“ Dazu passt die Einschätzung von Design-Professor Markus Frenzl von der Hochschule München: „Es geht um Ästhetisierung, Durchgestaltung, aber auch um Verkaufsförderung.“ Ein anderer Aspekt: „Der Toilettengang ist eines der letzten Tabus in unserer Gesellschaft“, sagt Frenzl. Buntes Klopapier sei eine Form von Verniedlichung.
Wer das besonders individuell machen will — auch das ein Trend — ist bei Karsten Ley richtig. Der Geschäftsführer der Internetseite Mach-Mich.de bietet für zehn Euro 120 Blätter Platz für alles Mögliche. So habe eine Kundin mal eine Bewerbung für eine Werbeagentur aufs Klopapier drucken lassen, ein anderer Kunde seine Doktorarbeit. Atomkraftgegner hätten schon Protest von der Rolle bestellt. Eine Enkelin ihrer Großmutter Klopapier mit dem Foto der Oma geschenkt, erzählt Ley. „Die Gegensätze sind das Interessante: Der eine sagt so, was er scheiße findet. Der andere meint es lieb.“ Wenn’s dann noch recycelbar ist, wäre das Geschenk perfekt.
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