11. April 2024, 17:53 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Auf dem Female Business Festival in München ging es vor allem um eins: Frauen zu vernetzen und die fast unendlichen Möglichkeiten einer Karriere aufzuzeigen. Und da kommt Ayse Semiz-Ewald ins Spiel: Die Vice President Diversity, Equity and Inclusion der Deutsche Telekom hält Unternehmen den Spiegel vor und zeigt, was es noch alles zu verändern gilt.
Ayse Semiz-Ewald hat eine Mission: Sie will die Karrieregleichheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt verbessern. Wie sie das anstellen möchte, ob die Frauenquote eine Option für sie ist und ob ein Team zu divers sein kann, verrät sie im STYLEBOOK-Interview mit Rebecca Stringa.
STYLEBOOK: Ayse, stelle dich bitte einmal vor!
Ayse Semiz-Ewald: Ich bin Ayse Semiz-Ewald und leite das Diversity Management bei der Deutsche Telekom und bin Gründerin von JobMagnet Karrierecoaching, einem Bildungsträger, der Menschen aus unterrepräsentierten und marginalisierten Gruppen dabei unterstützt, von der Arbeitslosigkeit in den Beruf einzusteigen.
Da komme ich zu meiner ersten Frage: Warum gibt es 2024 noch in großen Unternehmen wie der Telekom Diversity-Abteilungen? Warum ist das notwendig?
Wir leben in einer Welt, in der Chancengleichheit noch nicht vollständig gewährleistet ist. Bei der Auswahl der besten Personen für eine Stelle ist es wichtig, auch eine gewisse Chancengerechtigkeit zu bieten oder sicherzustellen. Ein Teil meiner Arbeit besteht darin, Denkmuster aufzubrechen und ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich jeder zugehörig fühlen und sein Bestes geben kann. Studien belegen, dass diverse Teams innovativer und erfolgreicher sind.
Was ist deine Definition von Diversity? Wie würdest du es jemandem erklären, der das Konzept nicht kennt?
Diversity bedeutet Vielfalt. Es geht darum, Teams so zusammenzustellen, dass sie möglichst vielfältig sind, um eine Vielfalt an Erfahrungen, Hintergründen und Perspektiven zu gewährleisten.
Kann es ein zu diverses Team geben?
Ich habe das noch nie gesehen. Vielfalt in Teams ist wichtig, um innovative Ergebnisse zu erzielen. Das bedeutet aber manchmal auch, dass vielfältige Teams schwieriger zu führen sind. Wenn alle gleich denken und immer einer Meinung sind, gibt es ja auch nicht viel Diskussionsbedarf.
Auch interessant: Gender Pay Gap – was genau steckt hinter dem Begriff?
Und warum gibt es noch so wenige Frauen in Führungspositionen?
Es gibt viele systemische Gründe dafür. Zum Beispiel gibt es in Deutschland immer noch große Lücken in der Kinderbetreuung. Historisch gesehen gab es oft einen Hauptverdiener in der Familie, der meist männlich war. Diese Muster aufzubrechen und systemische Änderungen durchzuführen, braucht Zeit. Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt müssen daran arbeiten, die Bedingungen für mehr Frauen in Führungspositionen zu schaffen. Das bedeutet auch, den Männern möglich zu machen, ihren Teil beisteuern zu können.
Was unternimmt die Telekom konkret dafür?
Bei der Telekom haben wir eine lange Geschichte der Frauenförderung. Beispielweise bieten wir Mentoring-Programme, spezielle Weiterbildungsangebote für Frauen und Unterstützungsangebote wie Unternehmenskitas an, um den Weg für mehr Frauen in Führungspositionen zu ebnen. Zudem setzen wir uns mit unseren systemischen Hürden auseinander und arbeiten aktiv daran, diese abzubauen, bspw. durch die Schulung von Führungskräften.
Wie können Unternehmen sich von Rollenbildern lösen?
Ein guter Ansatz ist es, sich zu fragen, woher man Annahmen über eine Person hat und ob diese auf Beobachtungen oder Vorurteilen beruhen. Es geht darum, bewusst gegen Stereotypen anzugehen. Deswegen spezialisieren wir uns bei JobMagnet auch auf unterrepräsentierte und marginalisierte Gruppen und bereiten sie darauf vor, mit Hindernissen wie Diskriminierung am Arbeitsmarkt umzugehen. Wir verfügen über Insiderwissen im Personalbereich, das wertvoll ist, um Menschen beim Bewerbungsprozess zu unterstützen.
Wie kann man denn gegen Diskriminierung vorgehen?
Es gibt verschiedene Maßnahmen, die sich als wirksam herausgestellt haben, wie Sensibilisierung der Führungskräfte für ihre eigenen Denkmuster und „Unconscious Bias Trainings“. Vielfalt in Führungsteam spielt auch eine Rolle. Datenanalysen helfen zudem dabei, systemische Probleme aufzudecken. Ich glaube, der Schlüssel, um Vorurteile zu überwinden, liegt in authentischen Beziehungen zu Menschen mit unterschiedlichen Denkweisen und Hintergründen.
Frauen erhalten oftmals immer noch geringere Löhne, werden diskriminiert. Sollten Frauen offener über Gehälter sprechen?
Der Gender Pay Gap ist immer noch ein gesellschaftliches Problem, daher ist es wichtig, darüber zu sprechen und die Ursachen der Gehaltsunterschiede zu analysieren und systemisch entgegenzuwirken. Frauen sollten einander unterstützen und lernen, ihre Verhandlungsfähigkeiten zu verbessern, heißt es oft. Und das stimmt auch zum Teil. Mit dem Inkrafttreten des EU Pay Transparency Directives werden Arbeitgeber nun aber auch sehr viel mehr in die Pflicht genommen als bisher und müssen bspw. Gehaltsspannen nach Geschlecht aufschlüsseln.
Was denkst du über die geforderte Frauenquote, Ayse Semiz-Ewald?
Ohne Frauenquote und klare Zielsetzungen wird es nicht funktionieren, denke ich. Aber wir müssen auch systemische Faktoren wie die Unterstützung von Familien in unserem Land betrachten, damit die Zahl der Frauen in Führungspositionen nachhaltig wächst.
Wann denkst du, werden wir das Ziel erreichen?
Ich hoffe, dass meine Tochter in einer Welt aufwächst, in der solche Themen keine große Rolle mehr spielen. Es erfordert jedoch weiterhin Engagement und Optimismus, um dieses Ziel zu erreichen.