18. Dezember 2023, 14:21 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Sie sind ein Girlboss? Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie ein weibliches Team leiten. Das zumindest belegen die Ergebnisse einer aktuellen Studie über Frauen und Karriere. Zwar gibt es immer mehr weibliche Führungskräfte, doch im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen sind sie noch immer in der Minderheit. Noch viel entscheidender: Ihre Angestellten sind zu einem Großteil ebenfalls weiblich. Woran das liegt und wie man das ändern könnte, hat STYLEBOOK mit einer Expertin geklärt.
Das Bild der ambitionierten, starken und selbstbewussten Frau als Girlboss gilt nach wie vor als Prototyp der Emanzipation im Job. Wenn Frau eine Karriere will, muss sie sich eben durchbeißen – und sich vor allem gegen jede Menge Männer behaupten. Daran hat sich auch im Jahr 2023 noch nicht so viel geändert.
Nur knapp jede dritte Führungsposition wird in Deutschland von einer Frau besetzt, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Zu einem ähnlich ernüchternden Ergebnis kommen auch Forschende der privaten IU Internationalen Hochschule (IU), die in einer repräsentativen Studie 4.480 Arbeitende in Deutschland im Alter zwischen 16 und 65 Jahren zur Gleichberechtigung im Arbeitsplatz befragt haben.
Frauen und Karriere: Zwischen Care-Falle und Teilzeit
Doch wieso sind wir in dieser Sache in den vergangenen zehn Jahren nicht wirklich weiter gekommen? Das habe laut Dr. Alexandra Wuttig, Kanzlerin der IU Internationalen Hochschule und Professorin für Innovation und Entrepreneurship, die an der Studie ebenfalls mitgeforscht hat, gleich mehrere Ursachen. Traditionelle Geschlechterrollen – der Mann als Hauptverdiener, die Frau im Haushalt – würden dazu beitragen, dass viele weibliche Angestellte eher in Teilzeit arbeiten. Eine Führungsrolle in einem Unternehmen schließt sich damit meistens aus.
Allerdings nicht immer, wie das Forschungsteam im Rahmen der Studie herausgefunden hat. Fast 50 Prozent aller Frauen, die angaben, eine Chefposition innezuhaben, arbeiten in Teilzeit. Zum Vergleich: Bei den Männern sind es nur 20 Prozent. „Zudem könnte die vorhandene Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen und das Fehlen von weiblichen Vorbildern in diesen Rollen ebenfalls einen Einfluss haben“, erklärt die Expertin im Gespräch mit STYLEBOOK.
Auch interessant: Mehr als 50 Prozent der Frauen sehen ausschließlich berufliche Nachteile aufgrund von Kindern
Frauen erklimmen die Karriereleiter anders
Dabei könnten viele Teams von Diversität und ausgeglichenen Geschlechterverhältnissen profitieren, findet Wuttig: „Je unterschiedlicher die Teammitglieder sind, je unterschiedlicher ihre Werdegänge und Lebensläufe sind, desto innovativer ist das Team.“ Dadurch könne auf langer Sicht auch die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung gesteigert werden. Eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) liefert sogar Hinweise dafür, dass Frauen in der Chefetage sogar das Unternehmensergebnis positiv beeinflussen. Dennoch geben mehr als 40 Prozent aller Frauen in der Umfrage an, eine weibliche Vorgesetzte zu haben. Bei den Männern waren es nur 15.
Kann es sein, dass man Frauen häufig nicht zutraut, ein männliches Team zu führen? „Die Studie deutet darauf hin, dass Frauen häufiger Frauen führen, was auf Stereotype oder unbewusste Voreingenommenheit hindeuten könnte“, erklärt Wuttig. Diese könnten dazu führen, dass man Frauen seltener zutraue, männlich-dominierte Teams zu leiten. „Außerdem könnte eine Tendenz bestehen, dass bei Beförderungen in männerdominierten Bereichen Männer bevorzugt werden“, so die Expertin. So bleiben die Führungsebenen reine „Boys Clubs“, in denen sich Männer gegenseitig bevorzugen.
Benachteiligung am Arbeitsplatz Wie die „gläserne Decke“ Frauen daran hindert, die Karriereleiter zu erklimmen
McKinsey-Studie Fast jede zweite Frau unter 30 verpasst Jobchancen wegen ihres Alters
Verträge, Teilzeit, Workflows Nach der Elternzeit zurück in den Job – das raten Experten
Doch wie kann man daran etwas ändern?
Dafür müsse man das Problem an mehreren Ebenen angehen, findet Wuttig. Dazu gehören zum einen flexiblere Arbeitsbedingungen und Unterstützung bei der Kinderbetreuung durch die Unternehmen selbst. So werde es Frauen und Männern mit Kindern gleichermaßen erleichtert, Führungsverantwortung zu übernehmen.
Ein weiteres Problem sei auch, dass Männer sehr viel seltener Elternzeit nehmen als ihre Partnerinnen. Obwohl seit 2017 beide einen Anspruch darauf haben. „Unternehmen sollten bei der Beförderung darauf achten oder Zusatzpunkte vergeben, dass Männer auch Elternzeit nehmen“, schlägt die Expertin vor.
Ein weiterer Punkt sei auch: „Frauen müssten mehr Aufklärung zur finanziellen Unabhängigkeit und Bedeutung von Teilzeitarbeit erfahren.“ Wie groß diese Wissenslücke ist, beweist eine Umfrage des Kreditkartenanbieters Mastercard von 2023: Demnach glauben 62 Prozent aller befragten Frauen, niemals finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Ein Statement, was auch im Beauty Impact Report von 2023 bestätigt wurde.
Nach wie vor sei der Arbeitsplatz von heute eher nach den Bedürfnissen der Männer vor Jahrzehnten modelliert. „Frauen können alles haben, wenn sie sich stark genug an die Männerwelt anpassen“, resümiert Wuttig. Flexible Arbeitsmodelle werden nach wie vor nur selten berücksichtigt. Doch auch die Politik sei am Zug. Sie könne gleichberechtigte Partnerschaften durch Steuervorteile oder andere monetäre Anreize belohnen. „Unter Umständen wäre sogar ein Gleichstellungsministerium wie in Norwegen denkbar“, so die Expertin weiter. Das existiert in dem skandinavischen Land bereits seit 1982 – und siehe da: Die Frauenquote in Führungspositionen beträgt dort 40 Prozent.