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Wegen unlauteren Wettbewerbs zum wiederholten Male

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Star-Influencerin Chiara Ferragni

Chiara Ferragni im schwarzen Anzug vor dem Louvre in Paris
Nach Betrugsverdacht bekommt Chiara Ferragni nicht nur von ihrer Community Ärger, auch die Staatsanwaltschaft ermittelt Foto: Getty Images
Carmen Dörfler
Redakteurin STYLEBOOK

10. Januar 2024, 14:57 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Das Leben von Influencerinnen sieht glamourös und wünschenswert aus. Dass nicht alles Gold zu sein scheint, was glänzt, zeigt sich nun am Fall von Chiara Ferragni. Der Influencerin der ersten Stunde wird unlauterer Wettbewerb vorgeworfen. Worum es geht und wieso das scheinbar nicht das erste Mal ist, dass die Italienerin sich am Gutglauben ihrer Follower bereichert, lesen Sie hier.

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„Ich schäme mich für dich“, „Wir glauben dir nicht“ oder „Wir unterstützen kein Produkt, das sie beworben hat“ – das sind nur Auszüge aus den Kommentaren unter Chiara Ferragnis letztem Post auf Instagram. Der Influencerin mit 29,5 Millionen Followern auf Instagram (Stand: 10. Januar 2024) werden schwere Vorwürfe gemacht. Und das nicht nur von ihrer Community, sondern auch von der italienischen Staatsanwaltschaft. Chiara Ferragni soll betrogen haben. Nicht ihren Mann, sondern ihre Follower. Dabei geht es um einen Kuchen, ein Krankenhaus und eine Menge Geld – und die Vorwürfe, dass das nicht Ferragnis erster Betrug sei.

Chiara Ferragni und der „Pink Christmas“-Kuchen

Doch von vorne: Chiara Ferragni ist eine der Influencerinnen der ersten Stunde. Ihren Blog „The Blonde Salad“ veröffentlichte sie 2009. Als die Social-Media-Plattform Instagram an den Start ging, war Ferragni dabei und baute innerhalb weniger Monate eine Followerschaft auf, die mehrere Millionen zählte. Sie wurde von namhaften Designern zu Fashionshows eingeladen und postete davon fleißig auf ihrem Account. Eine Win-win-Situation für die Marken sowie für Ferragni selbst, die immer mehr an Berühmtheit gewann.

Die Folge waren lukrative Werbekooperationen. Bei der Auswahl, wofür die heute 36-Jährige werben möchte, scheint sie nicht allzu wählerisch zu sein: Von Schreibwaren (mit ihrem eigenen Design) über Lebensmittel bis hin zu Mode ist alles dabei. So wundert es auch niemanden, dass die Italienerin vor einigen Wochen für einen Kuchen wirbt. Der Kuchen namens „Pink Christmas“ ist ein Pandoro-Kuchen, ähnlich dem mailändischen Panettone und in Italien ein Herzstück der Vorweihnachtszeit.

Ein Screenshot vom Instagram-Account von Chiara Ferragnis Business-Account zeigt den „Pink Christmas“-Cake, der der Influencerin nun große Probleme einbringen könnte
Ein Screenshot vom Instagram-Account von Chiara Ferragnis Business-Account zeigt den „Pink Christmas“-Cake, der der Influencerin nun große Probleme einbringen könnte Foto: Screenshot Instagram-Account chiaraferragnibrands

Instagram-Posts lassen karitativen Zweck vermuten

Lieblich verpackt in zartes Rosa, mit Schneeflocken und einer der Influencerin selbst ähnelnden gezeichneten Figur in einem roten Schlitten mit Rentieren dekoriert, lässt sich der Kuchen noch auf der Instagram-Seite von Chiara Ferragnis Marken-Account finden. In der Caption auf Italienisch zu lesen: „Die magischste Zeit des Jahres ist da, feiert mit Pandoro #PinkChristmas ❤ #ChiaraFerragnixBalocco. Dieses Projekt unterstützt das Krankenhaus Regina Margherita in Turin.“

Influencerin erhält Geldstrafe in Millionenhöhe

Genau dieser letzte Satz könnte der Influencerin jetzt zum Verhängnis werden. Denn das Kinderkrankenhaus Regina Margherita in Turin hat wohl keinen einzigen Cent der über 360.000 verkauften Kuchen erhalten. Stattdessen habe Ferragni, deren gebrandeter Kuchen für 9 Euro statt für 3,70 Euro verkauft wurde, die Millionen selbst eingesteckt. „Unfaire Geschäftspraktiken“ wird der Mutter zweier Kinder vorgeworfen. Das ist in einer Pressemitteilung der nationalen Wettbewerbsbehörde Autorità garante della concorrenza e del mercato, kurz AGCM, zu lesen, die sich mit dem Fall beschäftigt hat. Das Ergebnis: Der Kuchen-Hersteller Balocco erhält eine Strafe von 420.000 Euro, Ferragni soll über eine Million Euro Strafe zahlen.

So entschuldigt sich Chiara Ferragni über Instagram

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Doch das will sie nicht. Sie fühlt sich ungerecht behandelt und hält den Härtegrad der Strafe für „unverhältnismäßig“. Das sagt sie in einem Video, das sie am 18. Dezember 2023 auf ihrem eigenen Instagram-Kanal veröffentlicht hat. Es habe sich lediglich um einen „Kommunikationsfehler“ gehandelt, so die Influencerin. Im grauen Pulli, mit wenig Make-up und beinahe brüchiger Stimme und Tränen in den Augen beteuert sie, sie sei „immer davon überzeugt [gewesen], dass die Glücklichsten eine moralische Verantwortung tragen, Gutes zu tun“, wie die Caption des Videos verlauten lässt. Und weiter: „Das sind die Werte, die mich und meine Familie immer angetrieben haben. Das bringen wir unseren Kindern bei. Wir bringen ihnen auch bei, dass man Fehler machen kann und dass man, wenn es passiert, zugeben und wenn möglich, den gemachten Fehler beheben und ihn schätzen muss.
Und das will ich jetzt machen. Mich entschuldigen und dieser meiner Geste konkrete Maßnahmen folgen lassen: 1 Million Euro gebe ich [dem Krankenhaus] Regina Margherita zurück, um die Kinderbetreuung zu unterstützen.“

Influencerin will Entschluss anfechten

Die Millionenspende habe das Krankenhaus inzwischen erhalten, weiß die italienische Zeitung L’Unione Sarda. Demnach heiße es in einer Mitteilung des Krankenhauses: „Die Gesundheitsstadt Turin bestätigt, dass sie in der Woche vor Weihnachten die Spende von Frau Chiara Ferragni in Höhe von einer Million Euro an das Kinderkrankenhaus Regina Margherita erhalten hat.“

Eine Entschuldigung und eine Spende in Millionenhöhe hätten ihre Follower und weitere Instagram-Nutzer vielleicht noch durchgehen lassen. Doch Chiara Ferragni geht in ihrem Entschuldigungspost noch weiter. „Ich mache es öffentlich, weil ich festgestellt habe, dass ich einen Kommunikationsfehler gemacht habe. Ein Fehler, den ich in Zukunft schätzen werde, indem ich jede Wohltätigkeitsorganisation, wie ich es immer getan habe und auch weiterhin tun werde, von kommerziellen Aktivitäten trennen werde. Denn auch wenn das letzte Ende gut ist, wenn die Kommunikation nicht ausreichend kontrolliert wurde, kann es trotzdem zu Fehlern führen.
Wie ich in den vergangenen Tagen sagte, werde ich die Maßnahme der AGCM anfechten, weil ich sie für unverhältnismäßig und unfair halte. Mein Fehler im guten Glauben war es, mit der Kommunikation eine kommerzielle Aktivität mit einer der Solidarität zu verbinden. Leider kann man Fehler machen, es tut mir leid, dass ich es getan habe und ich merke, ich hätte besser aufpassen können.“

Weiterhin verspricht Chiara Ferragni, die Spendensumme für das Krankenhaus um die Differenz, die ihrer Hoffnung nach entstehe, wenn die AGCM ihre Sanktion verringere, zu erhöhen. Außerdem wolle sie mit dem Krankenhaus in Turin sprechen, „um zu verstehen, wie das Krankenhaus das von mir gespendete Geld verwenden wird, und ich werde euch regelmäßig Updates mitteilen.“

Ferragnis Ehemann fordert Entlassung des Managers

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Diese Updates blieben jedoch aus. Seit dem 18. Dezember 2023 wurde kein weiterer Post auf ihrem Account abgesetzt (Stand: 10. Januar 2024). Der Großteil der Instagram-Nutzer wütet dennoch gegen die junge Frau. Beschimpfungen finden sich beinahe zahllos. Dabei werden die Kommentatoren auch kreative. Entwürfe wie „Truffagnez“ – eine Zusammensetzung aus dem italienischen „Truffatrice“ für Betrügerin und der ehemaligen Serie über Ferragni und ihren Ehemann, Rapper Fedez, „The Ferragnez“ finden sich. Der hat sich inzwischen auch um die Schlammschlacht, in der sich seine Frau befindet, eingemischt.

Der italienische Rapper Fedez, bürgerlich Federico Leonardo Lucia, fordert Konsequenzen – jedoch nicht für seine Frau, sondern deren Manager. Wie die Plattform „20 Minuten“ aus der Schweiz erfahren haben will, soll der 34-Jährige die Entlassung des langjährigen Managers Ferragnis, Fabio Maria Damato, fordern. Er begleitet die Influencerin bereits seit 2017 als Manager. Für Fedez sei er jedoch stets ein rotes Tuch gewesen, so die Plattform, die einen Insider als Quelle angibt. Auch auf Damatos Instagram-Account herrscht seit mehreren Wochen Funkstille.

Nicht der erste Vorfall dieser Art? Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Chiara Ferragni

Auf ihrem eigenen Instagram-Account zeigt sich die Influencerin jedoch weiterhin in ihren Stories in ihrem alltäglichen Leben: mit ihren Kindern in Pikachu-Kostümen, ein Selfie aus Aufzügen oder vor Klamotten sowie Werbung für den Sale ihrer Beauty-Produkte. Ob der von ihr betitelte „Kommunikationsfehler“ langfristige Auswirkungen auf ihre Glaubwürdigkeit haben wird, wird sich im Laufe der Zeit zeigen.

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Ähnliches Vorgehen bei zwei weiteren Kooperationen vermutet

Die Vermutungen, die neben dem Kuchen-Chaos im Raum stehen, Chiara Ferragni habe etwas Ähnliches bereits bei anderen Kooperationen abgezogen, werden der Influencerin vermutlich nicht helfen. So stellt sich die Frage, ob die Erlöse der von Ferragni beworbenen Ostereier des Herstellers Dolci Preziosi im Frühjahr 2022 wirklich für caritative Zwecke verwendet wurde. Denn auch hier steht der Verdacht im Raum, Ferragni habe ihre Follower in die Irre geführt. Das will die italienische Journalistin Selvaggia Lucarelli herausgefunden haben.

Denn auch bei der Bewerbung der Ostereier sei zwar eine Spendensumme, in diesem Fall an „I Bambini delle Fate“, eine Einrichtung, die Kinder mit Autismus und anderen Einschränkungen unterstützt, geflossen, jedoch, anders als von der Influencerin auch damals vermarktet, unabhängig von der verkauften Menge der Ostereier und nicht von ihr, sondern vom Hersteller. In diesem Fall ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft mithilfe der Wirtschafts- und Finanzpolizei gegen Ferragni.

Darüber hinaus bestehen auch Zweifel an den Einnahmen einer Puppe, die der Influencerin nachempfunden wurde. Die Stoffpuppe „Chiara Ferragni“ der Marke Trudi wurde in limitierter Stückzahl produziert, die Einnahmen aus ihrem Verkauf an ein Projekt gegen Cybermobbing gespendet werden. Wie L’Unione Sarda schreibt, habe das Unternehmen der 36-Jährigen diesbezüglich bereits klargestellt, dass die Einnahmen aus dem Verkauf der Puppe über den E-Commerce The Blonde Salad, „abzüglich der Verkaufsprovisionen, die von TBS [The Blonde Salad, Ferragnis Unternehmen] an den externen Anbieter gezahlt wurden, der die E-Commerce-Plattform betrieb, im Juli 2019 an die Stomp Out Bullying Association gespendet wurden“ und dass daher alles mit rechten Dingen und wie auf Chiara Ferragnis Instagram-Kanal beworben zugegangen sei.

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Kooperationspartner sagen Zusammenarbeit ab, Politik reagiert

Einigen Kooperationspartnern wird das Thema scheinbar zu heiß. Die Safilo Group, ein italienisches Brillen-Unternehmen, hat die Vertragsvereinbarung mit Ferragni bereits unterbrochen. In einer Pressemitteilung heißt es, Design, Produktion und Vertrieb von Chiara Ferragni gebrandeter Brillen sei eingestellt. Als Grund nennt die Mitteilung „Verletzung der Vertragsvereinbarungen unternommen von der Markenbesitzerin“ Ferragni selbst. Auch der Getränkeriese Coca-Cola hat bekannt gegeben, auf einen abgedrehten Werbespot mit der Italienerin verzichten zu wollen.

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni möchte nun das Transparenzgesetz im Bereich Wohltätigkeit verschärfen, wie sie in einer Pressekonferenz mitteilte. Man wolle „ein Gesetz entwickeln, das grundsätzlich diejenigen, die sich als wohltätig erweisen, verpflichtet, diese Zahlen offenzulegen.“ So zitiert die L‘ Unione Sarda. Dazu gehörten „vor allem Unternehmen und Vereine, die durch die unterstützte gemeinnützige Sache ihren Umsatz steigern könnten.“ Somit könnte der Fall Ferragni deutlich weiterreichendere Auswirkungen haben.

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