27. September 2023, 11:45 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wir befinden uns an einer amerikanischen Highschool. Die nerdige Hauptfigur trägt eine große Brille und weite Kleidung, hat die Haare stets zusammengebunden und verzichtet auf Wimperntusche & Co. Dann folgt das Make-over: Die Brille wird gegen Kontaktlinsen eingetauscht, die Augenbrauen gezupft, die Haare gestylt und bei einer Shoppingtour wird die Garderobe einmal komplett neu eingekauft. Voilà! Aus dem hässlichen Entlein ist ein schöner Schwan geworden. Die Hauptdarstellerin hat ein „Glow up“ erhalten – und wird am Ende des Schuljahres natürlich doch noch zur Ballkönigin gewählt und kommt mit dem Star der Football-Mannschaft zusammen.
Was wir aus kitschigen Teenie-Filmen kennen, mausert sich als TikTok-Trend immer öfter einen Weg in unseren Alltag. Schließlich möchte jeder seinen „Glow up“ erleben – und einfach eines Tages als die beste Version seiner selbst aufwachen, oder nicht? Was auf den ersten Blick harmlos oder vielleicht sogar erstrebenswert erscheint, kann jedoch ein ungesundes Selbstbild fördern.
Übersicht
Was bedeutet „Glow up“?
Übersetzt bedeutet „Glow up“ ungefähr so viel wie „aufblühen“. In der Regel fällt der Begriff im Zusammenhang mit Menschen, die eine (positive) äußere Veränderung durchlebt haben. Dabei kann es sich um eine neue Frisur handeln, eine reinere Haut, neue Outfits, oder um die Tatsache, dass jemand fünf Kilogramm abgenommen hat. Auf TikTok zählt der Hashtag #glowup stolze 105 Milliarden (!) Aufrufe. Vornehmlich Frauen zeigen sich dabei in einem Vorher-Nachher-Vergleich, wobei das Nachher vermeintlich besser als das Vorher ist. So zeigen sich Frauen zuvor mit unreiner Haut, ein paar Kilo mehr auf den Rippen und Outfits, die unter Fashionistas als Basic angesehen werden könnten. Nach dem „Glow up“ hingegen, sieht die Haut aus wie geglättet und die schlankere Figur kommt in neuer, stylischer Kleidung besonders gut zur Geltung. Doch wer bestimmt eigentlich, dass das nun besser ist, als die Ausgangssituation?
Auch interessant: Wann geht Selbstliebe zu weit?
„Glow up“-Trend strebt unrealistische Schönheitsideale an
Grundlegend ist der Gedanke, stets die beste Version seiner selbst sein zu wollen, natürlich ein schöner. Kein Wunder also, dass auf Social Media immer wieder Tipps für den eigenen, ganz persönlichen „Glow up“ zu finden sind. Diese reichen von Workout-Tipps, über die perfekte Skincare-Routine bis hinzu Stylingideen. Soweit so gut. Dennoch haben die meisten der Tipps eine Gemeinsamkeit. So beziehen sich nahezu alle auf oberflächliche Äußerlichkeiten, die angeblich den Weg zu einem besseren Leben ebnen. Gleichzeitig entsprechen die optischen Ziele, die mithilfe eines „Glow ups“ erreicht werden sollen, meist stereotypischen Schönheitsidealen. Dass diese oftmals unrealistisch sind, müssen wir an dieser Stelle wohl nicht mehr erwähnen. Dem also nachzugehen und ein utopisches Äußeres anzustreben, kann deshalb manchmal eine ganz schöne Belastung für das eigene Selbstbild sein.
Das gleiche Phänomen lässt sich in klassischen Teenie-Filmen auf Netflix und Co. beobachten. In Filmen wie „Plötzlich Prinzessin“ mit Anne Hathaway oder „Eine wie keine“ mit Rachel Leigh Cook, wird die sympathische Hauptfigur vor ihrem Umstyling eher als graues Mäuschen angesehen. Nach dem optischen „Glow up“ läuft auf einmal alles besser. Sobald Hornbrille und Pferdeschwanz gegen Kontaktlinsen und Wallemähne ausgetauscht wurden, können sich die Hauptdarstellerinnen vor bewundernden Blicken der anderen kaum retten. Doch was zeigt uns das? Dass eine Person, ist sie auch noch so intelligent und lustig, erst dann begehrenswert wird, wenn sie auch äußerlich dem Schönheitsstandard entspricht? Und dass sie erst dann erfolgreich sein kann, wenn sie auch danach aussieht? Nein danke! Wir konzentrieren uns dann doch lieber auf die inneren Werte.
Auch interessant: „Pretty Privilege“ – erleichtert Schönheit das Leben?
Veränderung ist ein Marathon und kein Sprint
Trügerisch beim „Glow up“-Trend ist außerdem die Zeit, indem die Selbstoptimierung stattfinden soll. Während in den kurzen Videos das Nonplusultra in wenigen Sekunden erreicht wird, dauert es im echten Leben doch etwas länger, bis sich sichtbare Veränderungen bemerkbar machen. Und den einen „Glow up“-Moment, ab dem auf einmal alles besser wird, gibt es erst recht nicht. Vielmehr handelt es sich bei diesen Veränderungen um eine Zeit des Wandels, die nun mal länger dauert als einen Augenschlag. So verschwindet Akne nicht über Nacht und auch die Kilos purzeln nicht direkt nach dem ersten Besuch im Fitnessstudio. Wichtig ist es deshalb, sich für diese Veränderungen Zeit zu lassen und sich nicht mit Influencern zu vergleichen, deren „Glow ups“ innerhalb kürzester Zeit stattfinden.
„Be the bigger Person“ Dieser TikTok-Trend fördert Körperhass unter Frauen
Im STYLEBOOK-Interview YouTuber Marvyn Macnificent: „Warum soll ich mein Leben verheimlichen?“
İdil Bilgen Nicht schön genug? Miss Türkei wehrt sich gegen Kritik
Wie ein „Glow up“ auch bestärkend sein kann
Trotzdessen ist es jedoch natürlich etwas Positives, an sich selber arbeiten zu wollen. Allerdings ist man womöglich besser bedient, den Fokus nicht auf das Äußerliche zu legen, sondern auf die inneren Werte. Dabei geht es um die körperliche und mentale Gesundheit – ein „Glow up“ für die Seele quasi. Das kann bedeuten, sich gesünder zu ernähren, mehr Zeit mit sich selber zu verbringen oder intensiver an seinen Zielen zu arbeiten. Schönheit – wie sie einem durch den „Glow up“-Trend suggeriert wird – ist nämlich nicht nur eine Sache des Aussehens. So können Sie sich zum Beispiel vornehmen, offener gegenüber Ihren Mitmenschen zu sein und jeden Tag eine kleine gute Tat zu vollbringen – so helfen Sie nicht nur anderen, sondern strahlen diese Freundlichkeit auch nach außen hin aus. Wenn Menschen nämlich genauso viel an ihrer Persönlichkeit arbeiten würden, wie sie es an ihrem Aussehen tun, wäre die Welt vielleicht ein besserer Ort.
Auch interessant: Deshalb ist „Me-Time“ so wichtig
Machen Sie sich außerdem bewusst, dass es beim „Aufblühen“ nicht darum geht, so schnell wie möglich so viel Veränderung wie möglich zu sehen ist. Wichtiger ist, dass sich diese Veränderungen langfristig und konstant auf ihr Leben auswirken. Setzen Sie sich also lieber kleine Ziele, an denen Sie arbeiten wollen. Denn wenn Sie auf Ihr Leben zurückblicken und sich selbst mit Ihrem Ich aus dem vergangenen Jahr vergleichen, werden Sie vielleicht feststellen, dass Ihr „Glow up“ nicht nur schon längst stattgefunden hat, sondern auch weiterhin stattfindet – und das alles nicht, weil Sie schlanker geworden sind, eine reinere Haut haben oder schönere Outfits tragen.