6. November 2024, 17:24 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Eine Depression ist eine mentale Erkrankung, die genauso ernstzunehmen ist, wie physische Erkrankungen. Depressive Zustände wirken sich auf jegliche Lebensbereiche aus – auch auf die Liebe. STYLEBOOK wollte deshalb von einem Psychiater erfahren, wie es sich verhält, wenn der Beziehungspartner an einer Depression leidet.
Eine Depression ist nicht nur eine Leidensgeschichte für die erkrankte Person, auch im Umfeld machen sich oft Sorgen breit; vorausgesetzt man entziffert die Symptome und erkennt sie als mentale Krankheit an. Kann man dennoch eine gesunde Beziehung führen? Und wie kann man als Partner der anderen Partei helfen und beistehen? Der Psychiater und Vorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe Prof. Ulrich Hegerl macht das Verhalten Depressiver in Beziehungen für uns nachvollziehbarer.
Übersicht
Eine Depression erkennen: erste Signale der Erkrankung
„Die Menschen verändern sich doch sehr deutlich in der Depression“, erklärt Hegerl. Sie würden sich zurückziehen, freudlos wirken, unter Schlafstörungen leiden, Gewicht verlieren. Außerdem leiden sie unter einer Daueranspannung, fühlen sich permanent erschöpft. Kleinste Herausforderungen seien für sie wie ein riesiger Berg, den es zu bezwingen gilt. In der Beziehung gibt sich die Erkrankung überdies dadurch zu erkennen, dass sie sich zurückziehen und das Interesse an gemeinsamen Aktivitäten verlieren.
„Hoffnungslosigkeit ist in der Depression eingebaut“
Bemerken Sie dies bei Ihrer Beziehungsperson, sollten Sie professionelle Hilfe organisieren. Man kann in die hausärztliche, psychiatrische oder psychotherapeutische Praxis gehen. Behandlungen werden hier über die Kasse abgerechnet. „Diese drei Anlaufstellen gibt es“, so Prof. Ulrich Hegerl. Es sei hilfreich, dem Partner hier unter die Arme zu greifen, denn „die Hoffnungslosigkeit ist in der Depression eingebaut“. Man habe das Gefühl, das man selbst Schuld sei und einem niemandem helfen könne.
Deshalb ist es wichtig, als Partner die Person dazu zu bewegen, sich professionelle Hilfe zu suchen und bei der Terminvereinbarung zu unterstützen. Eine Diagnose können Sie als Angehöriger nicht stellen. Es ist Aufgabe der Ärzte zu prüfen, ob nur eine „normale“ Reaktion auf schwierige Lebensumstände, eine andere Erkrankung wie eine Schilddrüsenfunktionsstörung oder eine depressive Erkrankung vorliegt. Beim deutschlandweiten Info-Telefon für Depression erhalten Sie Auskunft über die ersten Schritte, wenn es um die Therapie der Krankheit geht. Dies ist unter 0800 33 44 5 33 kostenfrei zu erreichen.
Angehörige müssen die Ursache der Erkrankung verstehen
Ein weiteres Signal und gleichzeitiges Symptom der Erkrankung seien Schuldgefühle: „Depressive geben sich selbst Schuld, und nicht dem Partner oder der Gesellschaft.“ Es sei wichtig, sich über die Erkrankung zu informieren und zu verstehen, dass Depressionen eigenständige Erkrankungen sind. „Die meisten glauben, Depression sei in erster Linie eine Reaktion auf schwierige Lebensumstände und unterschätzen die Bedeutung der Veranlagung.“ Wer eine genetische Veranlagung für Depression habe, könne erkranken – auch, wenn es der Person von außen betrachtet sehr gut ginge.
„Die Meinung, Hauptursache einer Depression seien äußere Belastungen, ist verständlicherweise sehr verbreitet“. Diese Fehlannahme werde dadurch verstärkt, dass sich die Depression immer auf alles Negative im Leben stürze, dieses intensiviert und ins Zentrum des Erlebens rücke; seien es Partnerschaftskonflikte, Arbeitsbelastungen oder Ohrgeräusche. Diese negativen Dinge, die im gesunden Zustand Teil des normalen Lebens seien, würden in der Depression als katastrophal erlebt. Hegerl erklärt: „Alle Menschen in einer Depression, die arbeiten, fühlen sich von der Arbeit überfordert. Aber in seltensten Fällen ist die Arbeit die Ursache der Depression.“
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»Auch eine Blinddarmentzündung heilt man nicht mit Liebe
Prof. Ulrich Hegerl erläutert im Gespräch mit STYLEBOOK, dass für Partner und Angehörige eine Depression eine große Belastung ist, wofür die Erkrankten sich krankheitsbedingt selbst oft die Schuld geben. Diese Erkrankung kann Auslöser einer Trennung sein. Viele betroffene Paare berichten aber auch, dass das gemeinsame Durchstehen der Erkrankungsphase zu einer Vertiefung der Beziehung geführt hat.
Wichtig sei zu wissen, dass man als Partner nicht verantwortlich für die Heilung ist: „Plakativ gesagt, man eine Depression ebenso wenig mit Liebe heilen kann, wie eine Blinddarmentzündung“, so Hegerl. „Wie bei jeder Erkrankung ist es aber auch bei der Depression für den Erkrankten wichtig, einen Partner zu haben, der ihm geduldig, wohlwollend und liebevoll zur Seite steht.“
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Depression erkennen und helfen: Informieren Sie sich!
Im Gespräch erwähnt der Psychiater immer wieder, dass es am allerwichtigsten sei, sich als Beziehungsperson über die Krankheit zu informieren. Somit könne man leichter nachvollziehen und ohne Ärger akzeptieren, wenn der depressiv Erkrankte auch einfache Dinge wie einen kleinen Spaziergang nicht schafft und an Intimitäten nicht interessiert ist.
Prof. Ulrich Hegerl erklärt: „Wenn man sich informiert hat, dann erkennt man, dass der Grund für das veränderte Verhalten eine richtige Erkrankung mit veränderten Hirnfunktionen ist und nicht etwa Lieblosigkeit oder ein ‚sich gehen lassen‘ des Betroffenen.“
Weitere Informationen zum Thema Depression finden Sie auf der Website der Deutschen Depressionshilfe, unter www.bapk.de sowie www.familiencoach-depression.de. Ein fachlich moderiertes Online-Forum zum Erfahrungsaustausch kann Angehörigen ebenfalls helfen.