14. Oktober 2016, 14:34 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Philippe Starck (67) ist wohl der bekannteste und meist kopierte Produktdesigner der Welt. Er entwarf Hotels, Stühle, Zitronenpressen, aber auch Champagnerflaschen oder Kapuzenshirts. Jetzt wagte er sich erstmals an Parfüms. Im Interview verrät er, wie es dazu kam und was das mit dem Achselgeruch seiner Frau zu tun hat.
Paris, New York oder Tokio? Nein, ausgerechnet Düsseldorf hat Designer Philippe Starck sich als Ort für die Präsentation seines ersten Duftes ausgesucht. Und auch dort nicht irgendwo, sondern im von ihm selbst designten Saal des Hotel DeMedici. Hier stellte er seine erste Parfumkollektion „Peau“ (dt.: Haut) vor. Anlässlich seines Deutschland-Besuchs nahm sich der Franzose auch gleich Zeit, STYLEBOOK.de ein paar Fragen zu beantworten.
STYLEBOOK.de: Herr Starck, was ist Ihre erste Erinnerung an einen Duft?
Philippe Starck: „Als ich ein Kind war, hatte meine Mutter, sie war geschieden, einen eigenen Parfüm-Laden. Ich bin also in einer Welt von Düften aufgewachsen, genauer gesagt von Parfüms, Lotions und Crèmes. Ich habe mich immer im obersten Regal des Lagers versteckt, wo ich oft Stunden verbracht und klassische Musik gehört habe. Ich war fasziniert und ein bisschen benommen von all den Gerüchen. Damals hatte ich noch keine Ahnung, das ich deswegen eine lebenslange Leidenschaft für Düfte entwickeln würde.“
Wie haben Sie Ihre aktuellen Duftserie „Peau“ entwickelt? Sie sind ja kein gelernter Parfümeur.
Philippe Starck: „In meinen Zwanzigern habe ich begonnnen, mit Düften zu experimentieren. Aber ich habe bald festgestellt, dass ich kein Experte darin bin. Ich habe mich aber weiterhin für Gerüche interessiert, egal ob auf Reisen oder in meiner Vorstellung, wie dem Geruch einer Frau in einem indischen Dorf oder eine Frau, die auf der Straße an mir vorbeigeht. Irgendwann kamen dann die Leute von PYD auf mich zu. Ich bin zwar kein Parfümeur wie sie, aber ich habe Ideen, um ein Parfüm zu inspirieren. Mit den Parfümeuren habe ich dann tatsächlich nie über Essenzen gesprochen, sondern nur über Ideen wie glückliche Nostalgie oder den Geruch eines Meteoriten. Wir haben eine Art Dialog entwickelt, aus dem die Peau-Kollektion dann entstanden ist.”
Sie haben in Ihrem Leben schon so ziemlich alles entworfen, von Möbeln bis zu Champagnerflaschen. Was war die Herausforderung, jetzt auch einen Duft zu entwickeln?
Philippe Starck: „Die größte Herausforderung war es tatsächlich, die richtigen Parfümeure zu finden, die besten der Welt, mit denen ich gut arbeiten kann. Meine Frau Jasmine und ich haben dafür fast zwei Jahre lang Blind-Tests von Düften gemacht und uns dann für Daphné Bugey, Annick Ménardo and Dominique Ropion entschieden. Wir haben dann eine gemeinsame Sprache entwickelt, um meine Vision in einen Duft umsetzen zu können. Meine Worte wurden ihre Parfüms. Das Ergebnis sind drei Düfte, die sich ergänzen.“
Hatten Sie eine bestimmte Person im Kopf, für die Sie die Düfte kreiert haben?
Philippe Starck: „Eine Frau, die in ihrem Herzen männlich ist, einen Mann, der keine Angst hat, seine weibliche Seite zu zeigen und alle Menschen, die glauben, dass unser Geschlecht und unsere Sexualität nicht definiert, wer wir sind.“
STYLEBOOK.de: Was ist für Sie der beste Geruch auf der Welt?
Philippe Starck: „Die Achseln meiner Frau.“
Was haben Sie noch nie kreiert, was Sie gerne als Nächstes in Angriff nehmen wollen?
Philippe Starck: „Mit Starck Paris arbeiten wir in Richtung Abstraktion, auch Parfüms sind ja etwas Immaterielles. Ich habe schon mein Leben lang die Idee, nur mehr Geist zu sein. Materielle Dinge finde ich im Grunde vulgär. Die Zukunft liegt in der Entmaterialisierung und in der Langlebigkeit. In unserer postmodernen Gesellschaft sind das die wichtigsten Parameter: Übermittlung, Langlebigkeit und Überlieferung. Wir müssen verlässliche Lösungen für unsere Nachkommen schaffen und etwas erfinden, was ich ‚positives Nicht-Wachstum‘ nenne. Ich konsumiere weniger, kreiere aber weiterhin. Wir brauchen dieses Nicht-Wachstum, um uns den Herausforderungen von Ökologie, Wirtschaft und Energie stellen zu können.“
STYLEBOOK.de: Stimmt es, dass Sie Leute verachten, die Jogginghosen tragen? Sie tragen doch selbst welche.
Philippe Starck: „Also eigentlich habe ich gesagt, dass ich Menschen verachte, die im Flugzeug Jogginghosen tragen. Ich fand immer, dass sich Eleganz und Komfort nicht ausschließen. Ich muss aber zugeben, dass eines der beiden überhand nehmen kann. Ich fand es zum Beispiel immer schrecklich, nicht selbst für meine Familie zu kochen. Aber da ich so viel arbeite, musste ich auch damit aufhören und habe jemanden engagiert, der für uns kocht.“
STYLEBOOK.de: Hat ein berühmter Designer wie Sie eigentlich irgendwelche Style-Fauxpas, die er bereut?
Philippe Starck: „Nein, aber ich wünschte, ich hätte einen großen Mund, um unwiderstehlich lächeln zu können.“
STYLEBOOK.de: Ist es wahr, dass Sie niemals auf Urlaub gehen?
Philippe Starck: „Kreativität ist kein Beruf, es ist eine psychische Krankheit. Ich gehe niemals auf Urlaub, ich habe nur lange Strecken, in denen ich ununterbrochen arbeite. Dann sitze ich zwölf Stunden pro Tag an meinem Schreibtisch fest und das zwei Monate am Stück, meistens im Sommer.“
STYLEBOOK.de: Gehen Sie eigentlich auch einkaufen oder tragen Sie nur, was Sie auch selbst entworfen haben?
Philippe Starck: „Ich gehe niemals einkaufen und trage auch immer die gleichen Klamotten. Ich habe ungefähr 300 T-Shirts in Grau – von hell bis dunkel, aber immer in einem warmen Farbton. Im Winter trage ich immer meine Salomon Wanderschuhe mit Carbonfaser und im Sommer meine Flyknit Nike. Ich trage meine eigenen Designs aus dem einfachen Grund, weil sie intelligente, elegante Produkte sind. Je näher etwas am Körper ist, desto perfekter muss auch das Design sein. Ich trage die Hoodies aus der „S+arck für Ballantynes“-Kollektion, vor allem wenn ich reise. Die Kapuze schirmt mich von allem ab, was um mich herum passiert, damit ich friedlich schlafen kann. Wenn ich einmal etwas entdecke, was ich brauche, dann kaufe ich gleich mehrere Stücke davon. Ich sehe das als Gebrauchsgegenstand.“
STYLEBOOK.de: Was ist das wertvollste Stück, das Sie besitzen?
Philippe Starck: „Es ist nicht das Objekt selbst, das wertvoll ist, sondern die Multiplikation davon. Also etwas in 20- oder 100-facher Ausführung zu besitzen.“