22. Oktober 2024, 17:57 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Den Ex vergessen ist keine leichte Angelegenheit – vor allem, wenn er oder sie noch auf Fotos präsent ist, das Handtuch nach dem alten Partner riecht oder Sie durch andere Gegenstände an den Verflossenen erinnert werden. In China war die Scheidungsrate 2021 auf einem derartigen Höhepunkt, dass sogar die Regierung Schritte einleitete, damit Ehen länger halten. Wie aus der Vernichtung von materiellen Erinnerungen an die gescheiterte Liebe jetzt ein Geschäft gemacht wurde, weiß STYLEBOOK.
Wird in China geheiratet, ist es üblich, diesen Tag anhand von übergroßen Fotos für immer als Erinnerung zu materialisieren. Die Tendenz geht jedoch in eine für traditionell eingestellte Bürger unglückliche Richtung. Immer mehr Ehen scheitern, und Fotos zu entsorgen, um den Ex zu vergessen, gestaltet sich in China aus verschiedenen Gründen schwierig. Deshalb übernimmt dies jetzt ein Unternehmen.
Übersicht
In China wollen Leute den Ex vergessen – und zwar für immer
Es erinnert ein wenig an den Film „Vergiss mein nicht!“ (2004) mit Jim Carrey und Kate Winslet in den Hauptrollen: Eine Liebe geht vorbei, die Trennung kommt, aber die Erinnerungen bleiben. In materiellen Dingen verfestigt sich eine zerronnene Liebe, und das schmerzt. Am liebsten möchte man diese einfach aus dem Leben verbannen. Oder für die jüngeren unter uns: Schauen Sie sich erneut den Plot des Ariana Grande Videos zu „We Can’t be Friends“ an.
In China ist dies jedoch ein schwieriges Umfangen. Fotos zu verbrennen ist aus kulturellen und ökologischen Gründen eigentlich nicht erlaubt. Daher hat Liu Wei, der früher in der Pharmaindustrie tätig war, es sich zur Aufgabe gemacht, verletzten Seelen zu helfen. In seinem 2022 gegründeten Unternehmen wird sich auf die Beseitigung von Erinnerungen gescheiterter Ehen spezialisiert.
Fotos verbrennen in China – eigentlich verboten
Fotos zu verbrennen ist aus zweierlei Gründen alles andere als einfach in dem ostasiatischen Land. Erstens gelten strenge Vorschriften, was die Müllentsorgung anbelangt. Es gibt – besonders in großen Städten – strikte Abfallentsorgungsregeln. Fotos sind oft eine Kombination aus mehreren Materialien, weshalb die Entsorgung kompliziert ist und Geldstrafen oder andere Konsequenzen hinter sich ziehen kann.
Dazu kommt ein kulturelles Phänomen: In China wird es als schlechtes Omen angesehen, Fotos zu verbrennen. Es besteht der Glaube, dass man so Pech anziehen könnte – und der Person auf dem Foto damit etwas Schlimmes antut.
So funktioniert das Krematorium für Hochzeitsfotos
Das Krematorium von Liu Wei wurde durch ein virales Video auf Douyin, dem chinesischen TikTok, landesweit bekannt. In den Videos treten Mitarbeiter des Unternehmens auf Fotos samt Rahmen und Glas herum, um zu zeigen, dass diese gar nicht so einfach zu zerstören sind.
Liu Weis Unternehmen nimmt dies in die Hand: Man schickt ein Paket gefüllt mit Fotos und gegebenenfalls weiteren Andenken an die Beziehung in die Fabrik, der Inhalt wird dokumentiert, gewogen und schließlich zerstört. Dabei beginnen die Prozesse mit dem Besprühen der Gesichter auf den Fotos. Man kann sogar nach bestimmten Farben und Mustern fragen, mit denen die Erinnerung „weggesprüht“ werden soll.
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Ein Ritual des Vergessens
Die Vernichtung der Gegenstände wird dabei von der Firma aufgezeichnet. Am Ende erhält man ein Video, welches den gesamten Prozess festhält. Es ist sogar möglich, persönlich dabei zu sein, wenn die Bilder und anderen materiellen Erinnerungsstücke vom Ex zerstört werden.
Laut einem Bericht von „The Washington Post“ empfinden es einige Kunden als emotional befreiend, auf diese Art Abschied von einer verflossenen Liebe zu nehmen. Der ganze Prozess wirkt wie ein Ritual, welches das Vergessen erleichtern soll.
Der Hintergrund? Schlechtes Ansehen geschiedener Frauen
Doch nicht nur der eigene, emotionale Trennungsprozess scheint eine Rolle zu spielen. Einige sehen im Vernichten der Fotos auch bessere Chancen auf einen neuen Partner. Grundsätzlich hat es eine geschiedene Frau in China nicht einfach auf dem Dating-Markt. Aufgrund traditioneller Geschlechterrollen, übereinstimmend mit konfuzianischen Werten, leidet die geschiedene Chinesin unter mangelndem Ansehen.
Trotzdem lässt sich eine deutliche Tendenz im kommunistischen Staat verzeichnen: immer weniger Eheschließungen, und immer mehr Scheidungen. Laut „The Washington Post“ gab es zwischen 2016 und 2020 mehr als 4 Millionen Scheidungen pro Jahr. Mit dem Service des Krematorium für Hochzeitsfotos möchten daher – primär Landesbürgerinnen – gescheiterte Ehen verstecken und ein neues Leben beginnen.
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Andere Methoden, um den Ex zu vergessen
Sicherlich ist das Entsorgen von solchen Accessoires ein heilsames Ritual. Muss es jedoch immer gleich die komplette Entsorgung aller Erinnerungen sein? Eine weniger radikale Lösung ist natürlich das Aufbewahren und Verstecken von Fotos, Kleidung und weiteren Souvenirs. Vielleicht sind schöne Erinnerungen dabei, die man eigentlich nicht missen möchte und nach Überwinden des tiefsten Schmerzens wieder mit relativer Gleichgültigkeit hervorholen kann.
In Deutschland ist das Verbrennen von Fotos an sich erlaubt. Hier kommt es allerdings laut Strafgesetzbuch darauf an, ob dabei Persönlichkeitsrechte verletzt werden oder eine andere Person das Urheberrecht für die Fotografie hat. Dazu muss der Prozess in den eigenen vier Wänden stattfinden. Ein Kamin oder eine Feuerschale sind also erforderlich. Wir glauben fest daran, dass eine Katharsis nach Trennung auch durch andere Methoden vonstattengehen kann. Also sehen Sie lieber vom Kokeln zu Hause ab …