27. Mai 2024, 20:12 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Feminismus und Ehe – (wie) passt das zusammen? Gar nicht, denken einige – und das ist okay. Denn das Konzept der Ehe und die Bräuche einer Hochzeit zu hinterfragen, ist wichtig. Aber ebenso wichtig ist: Man kann auch feministisch heiraten. Es komm eher auf das wie an, statt auf das ob.
Als junges Mädchen träumten die meisten vom Prinzen auf dem weißen Pferd. Der sollte eines Tages auf die Knie fallen und um die eigene Hand anhalten. Die Ehe galt lange als wichtigstes Lebensziel, besonders für Frauen. Mittlerweile haben wir uns von diesem toxischen, aufgezwungene Lebensentwurf entfernt und wissen: Ehe kann, Ehe muss aber nicht. Das schließt aber nicht aus, dass die, die wollen, keine Märchenhochzeit bekommen dürfen – selbst als selbsternannte Feministin. Dennoch ist feministisch heiraten möglich.
Wieso Heiraten plötzlich so unbeliebt ist
Die Ehe hat immer noch einen schlechten Ruf, das liegt vor allem an der Geschichte. Denn mit dem weißen Schleier wird auch gleich suggeriert: Hinter den alten Traditionen verstecken sich patriarchale Strukturen. Das Konzept der Heirat ist nicht mehr ganz so beliebt, wie in der Vergangenheit. Mittlerweile gibt es Bücher, Podcasts und ganze Shows darüber, dass die Hochzeit nie feministisch sein kann und schon gar nicht zeitgemäß. Das liegt aber vor allem an der Geschichte und an vielen Hochzeitstraditionen, die auf alten patriarchischen Bräuchen beruhen. Sie stammen aus Zeiten, in denen die Frau als Eigentum des Mannes angesehen wurde. Liebe spielte vor dem Traualtar eher keine Rolle, viel mehr ging es um Besitzverhältnisse.
Deswegen sah die Hochzeit schon immer so aus: Der Vater führte die Braut zum Traualtar geradeaus in die Arme des Mannes – er übergab seine Tochter an einen anderen Mann, der jetzt über sie bestimmen durfte. Daraufhin wurden Besitztümer dann innerhalb der Familie geteilt. Davon profitierte meist nur der Mann.
Man muss den Namen des Mannes nicht mehr annehmen – zum Glück
Wenn der Papa die Braut heute zum Altar führt, hat es zwar einen eher romantischen Eindruck, aber die Geschichte ist die gleiche. Auch dem beliebten Schleier geht die Geschichte nach: Viele Hochzeiten waren damals arrangiert. Das bedeutet: Das Brautpaar hatte sich bis zur Hochzeit nie gesehen. Damit der Bräutigam sich nicht umentscheidet (wie sexistisch?), wurde das Gesicht solange bedeckt, bis die Eheschließung vollendet war. Auch der Brautstrauß hat einen merkwürdigen Beigeschmack: Wieso fangen nur Frauen einen Brautstrauß, als wären sie verbitterte Singles, die nur darauf warten, geheiratet zu werden? Diese und noch weitere Bräuche machen Worte wie feministisch heiraten schwer vorstellbar. Ebenso Fakten wie, dass Frauen erst seit 1976 entscheiden dürfen, ob sie den Namen des Mannes annehmen oder ihren eigenen behalten. Den Namen der Frau darf der Mann erst seit 1994 annehmen. Dennoch nehmen heute immer noch die meisten Frauen die Namen der Männer an.
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Feministisch heiraten – wie funktioniert das?
Im Feminismus geht es vor allen Dingen um eigene Entscheidungen. Wenn man sich als Frau entscheidet, gerne verheiratet zu sein, dass ich diese Entscheidung ein feministischer Akt. Vorausgesetzt sie wuchs aus dem tiefen Wunsch, nicht aus den gesellschaftlich, patriarchalischen Strukturen und des versuchten Eintrichterns, das Happy End einer jeden Frau sei die Ehe. Die Ehe wird ihrem Ursprung nicht mehr gerecht. Es geht oft nicht mehr um Rollenbilder oder veraltete Klischees, sondern einfach darum, dass das Fest der Liebe gerne gefeiert wird, man sich gerne Mann und Frau nennt.
Das Problem heute ist: Wir heirateten zwar nicht mehr aus den Gründen, aber haben all diese Bräuche beibehalten. Das führt dazu, dass Feministinnen schon bei dem Gedanken an eine Hochzeit ein unwohles Gefühl bekommen. Und das ist okay. Wenn man das Konzept der Hochzeit so nicht nacheifern möchte – dann eben anders oder hatl gar nicht. Wenn Sie aber auch als Feministin bei Ihrer Hochzeit nicht auf einen bestimmten Brauch verzichten wollen, ist das ebenso okay. Wichtig ist nur, dass man die Hintergründe kennt. Fakt ist: Man kann auch in einem riesigen, weißen Kleid und während man von dem eigenen Vater zum Altar geführt wird, feministische Idealen beibehalten.
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Meine Meinung ist eindeutig
Als mein Partner mich nach über sieben Jahren Beziehung fragte, ob wir nun auch vor Gesetz und Staat offiziell zusammengehören wollen, war (nach dem „Ja, natürlich“) eine meiner ersten Überlegungen: „Aber ich muss dann nicht meinen Namen ändern, oder?“
Denn noch immer entscheiden sich über 80 Prozent der verheirateten Paare nach der Hochzeit für den „gemeinsamen Ehenamen“ des Mannes. Meinen Namen zu verlieren, käme für mich jedoch einer kompletten Aufgabe meiner Identität gleich.
Ich freue mich auf den nächsten Schritt in meiner Beziehung, sehe aber auch vieles, das bei einer Eheschließung passiert, sehr kritisch.
Sollte es bei Hochzeiten nicht um zwei Personen gehen, die zusammen beschlossen haben, den Rest ihres Lebens miteinander zu verbringen? Doch noch immer wird Gesten wie der Hand, die beim Tortenanschnitt oben liegt, oder dem sexualisierten „Strumpfband herunterziehen“ eine Symbolkraft beigemessen, die mich schaudern lässt.
Warum lassen sich Frauen auf Hochzeiten noch immer wie Ware behandeln? Muss es wirklich „Tradition“ bleiben, dass ein Schleier nach dem Ja-Wort gelüftet wird, damit der Mann keinen Rückzieher macht? Dass die „Ware“ vom Brautvater am Altar abgegeben wird?
Und schließlich, dass man nach der Brautentführung „zurückgekauft“ wird, während bereits leicht angetrunkene, zumeist männliche Gäste schallend lachen?
Doch nicht nur die verheiratete Frau wird auf Hochzeiten kräftig zur Schau gestellt und beschämt. Meinen Gästen werde ich jedenfalls Rituale wie das Brautstraußfangen bei dem stolze, unabhängige Single-Frauen in einer Reihe aufgestellt werden, um sich wie Furien um Blumen zu streiten, auf keinen Fall zumuten.