21. April 2020, 4:26 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Gender Pay Gap ist ein Begriff, der in politischen wie in gesellschaftlich relevanten Diskussionen immer wieder fällt. Und das vorrangig dann, wenn es um das Thema Gleichberechtigung mit all ihren Facetten geht. Doch was genau verbirgt sich eigentlich dahinter? STYLEBOOK erklärt es.
Der Begriff Gender Pay Gap (kurz GPG) bedeutet soviel wie die Lücke (Gap) in der Bezahlung (Pay) der Geschlechter (Gender). Will sagen: Mann und Frauen verdienen im Schnitt unterschiedlich viel, beziehungsweise Mann mehr als Frau. Die Differenz des Durchschnitt-Bruttolohns der Geschlechter pro Stunde im Vergleich zu dem der Männer ist der Gender Pay Gap.
Der ist nicht nur ein Top-Thema in der Politik, sondern findet sich auch in vielen hitzigen Debatten innerhalb der Gesellschaft wieder. Bei der Darstellung wird zwischen dem bereinigten und dem unbereinigten Gender Pay Gap unterschieden, wobei ganz unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen.
Bereinigter vs. unbereinigter Gender Pay Gap – was ist der Unterschied?
Laut dem Statistischen Bundesamt zeigt der unbereinigte Gender Pay Gap den Unterschied zwischen dem Durchschnittsverdienst der Geschlechter. Hier werden Vollzeit-Arbeitnehmer genauso mit eingerechnet wie Teilzeit-Arbeitende, Mini-Jobber und Menschen in der Ausbildung – es geht schlicht um den Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen.
Der bereinigte Gender Pay Gap ist differenzierter, hier werden vergleichbare Bruttostunden-Löhne der Geschlechter gegenübergestellt. Das bedeutet, dass Verdienstunterschiede, die bestehen, weil strukturelle Unterschiede vorliegen, ausgeklammert werden. Mit strukturellen Unterschieden sind unter anderem Faktoren wie die Wahl des Berufs, der Arbeitsumfang, die Qualifikation, der Bildungsstand und die Arbeitserfahrung gemeint. Entsprechend ist der bereinigte Gender Pay Gap um einiges kleiner als der unbereinigte und gibt einen (prozentualen) Hinweis darauf, wie stark Frauen bei der Bezahlung vom Arbeitgeber benachteiligt werden.
Wo steht Deutschland in der finanziellen Gleichberechtigung?
In Deutschland liegt der unbereinigte Gender Pay Gap laut Statistischem Bundesamt aktuell bei 20 Prozent: Frauen verdienen im Schnitt 17,72 Euro pro Stunde (brutto), Männer 22,16 Euro – die Differenz liegt also bei 4,44 Euro. Vergleicht man West und Ost, fällt auf, dass es deutliche Unterscheide gibt: In Westdeutschland liegt der Gender Pay Gap bei 21 Prozent, im ehemaligen Osten bei nur 7 Prozent.
Drei Viertel dieser 20-Prozent-Lücke werden mit strukturbedingten Faktoren erklärt. So arbeitet laut Statistischem Bundesamt knapp die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen zwischen 20 und 64 Jahren in Teilzeit, bei den Männern sind es lediglich 9 Prozent. Viele der Teilzeit-arbeitenden Frauen tun das, weil sie sich den Rest der Zeit um Kinder oder Pflegebedürftige kümmern (31 Prozent) oder andere „familiäre oder persönliche Verpflichtungen” haben (17 Prozent). Der bereinigte Gender Pay Gap, bei dem diese Faktoren ausgeklammert werden, liegt hingegen in Deutschland aktuell bei 6 Prozent.
Im EU-Vergleich liegt Deutschland extrem weit hinten, nur in Estland und Tschechien ist die Differenz der Gehälter von Frauen und Männern noch größer. Auf den ersten beiden Plätzen rangieren Rumänien und Italien mit 5 Prozent Gender Pay Gap, gefolgt von Luxemburg und Belgien mit 6 Prozent.
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Warum verdienen Frauen weniger als Männer?
Dass wir im EU-Vergleich in Sachen Gender Pay Gap so schlecht abschneiden, ist insofern verwunderlich, als dass Deutschland ganz klar zu den Wohlstandsländern in der Union zählt. Erklären lassen sich die 20 Prozent vor allem am Gesellschaftskonstrukt: Frauen etwa arbeiten öfter in typischen „Frauenberufen” wie Kinderbetreuung, Krankenpflege, Friseur und Kosmetik sowie im Einzelhandel – und damit in schlechter bezahlten Branchen. In Branchen, die von Männern dominiert werden, ist der Gender Pay Gap tendenziell geringer, wobei Führungspositionen insgesamt nach wie vor meist in Männerhand sind.
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Neben den Frauenberufen gilt auch die (unbezahlte) Familienarbeit als Frauendomäne – auch im Jahr 2020 zeichnen sich vorrangig Frauen für die Kindererziehung oder für die Pflege von Eltern, Großeltern und Co. verantwortlich. Damit hängt häufig auch das Teilzeitmodell zusammen, das viele Mütter anstreben.