27. Mai 2022, 13:19 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die 17. Staffel von „Germany’s Next Top Model“ stand auch dieses Jahr wieder mit Ansage unter dem Motto Diversität. Die vorderen drei Plätze belegten trotzdem drei Blondinen. Warum bei GNTM seit Jahren schon etwas im Argen liegt und was eine echte Verbesserung wäre – ein Erklärungsversuch.
Alle Größen, Figuren und Altersgruppen erlaubt: Mit dem Live-Finale in Köln ist die bisher vermeintlich vielfältigste Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ zu Ende gegangen. Nach drei langen Stunden kürte Heidi die 18-jährige Österreicherin Lou-Anne zur Siegerin der Staffel. Die 1,83 Meter große Blondine setzte sich gegen vier weitere Finalistinnen – unter anderem auch ihre eigene Mutter – durch. An diesem Punkt stellt sich schon die erste Frage: Wie passt die Gewinnerin eigentlich in das so groß angekündigte Diversity-Konzept?
Wie divers ist Gewinnerin Lou-Anne?
Mit besonderem Fokus auf „Diversity“, deutsch Vielfalt, war die ProSieben-Show gestartet: Nachdem 2021 mit Alex Mariah Peter zum ersten Mal ein Transgender-Model gewonnen hatte, war die Top 20 in diesem Jahr tatsächlich im Ganzen so bunt gemischt wie noch nie. Doch dabei blieb’s dann auch – selbst wenn Heidi in der Finalshow ausufernd erklärte, dass die Modebranche gerade erst dabei sei, sich zu ändern: „Liebe Kritiker, ich muss Sie enttäuschen: Wir machen genauso weiter wie bisher!“
Auch interessant: GNTM-Gewinnerin Alex bricht ZDF-Sendung ab! Was dahintersteckt
Lou-Anne hat mit ihren 1,83 definitiv Modelgröße zwar eine andere Kleidergröße als bisher von den Gewinnerinnen gewohnt. Ihre Körpermaße als Plus Size zu bezeichnen, ist allerdings mehr hinderlich als förderlich. Sie gibt als Gewicht 73 Kilogramm an, was bei ihrer Größe und Alter einen BMI von 21,8 macht: Normalgewicht! Also nichts da mit Plus Size.
Kritik an GNTM
Tatsächlich wurde in den vergangenen Wochen die alljährliche Kritik an der Sendung wieder lauter. Von Manipulationsvorwürfen war da die Rede, von der Sexualisierung Minderjähriger und Kritik am Essverhalten – die Liste der Vorwürfe ist lang. Star-YouTuber Rezo bemerkte dazu in einem Video treffend: „Würde in YouTube-Deutschland jemand dieses Format betreiben, wäre der Creator längst gecancelt!“
Bei der Kritik stand unter anderem auch das Diversity-Motto im Fokus. Dabei wurde keineswegs die Teilnahme der Frauen, die neue Modeltypen repräsentieren, kritisiert. Nein, besonders negativ fiel der Widerspruch zwischen dem neuen Image der Sendung und früheren Staffeln auf. Denn in der Show sprachen Klum und ihre Co-Juroren trotzdem immer wieder kritisch bis abwertend über das Aussehen teils minderjähriger Models. Der geladene Star-Designer Jeremy Scott von Moschino sagte unter anderem zu einer Kandidatin, wie toll ihr Körper sei. Martina sei in seinen Augen zwar Best Agerin, entspreche aber noch vollkommen dem überholten Bodyideal der Modeindustrie.
Diese Tweets bringen es auf den Punkt
44 Jahre nach Gründung Schmaler und höher: Mode-Gigant Zara präsentiert neues Logo
Im ZDF-Fernsehgarten Moderatorin Andrea Kiewel spaltet das Netz mit Outfit
Ganz leger und mit Maske Süßer Tribut! Meghan und Harry pflanzen Lieblingsblumen von Lady Di
Unsere Verbesserungsvorschläge für mehr Diversity
Der Ansatz, Frauen in allen Facetten, Hautfarben und Formen zu feiern, ist super. Auch wenn die Gewinnerinnen vielleicht nicht die Runway-Stars der Zukunft werden, die Zuschauerinnen zu Hause, besonders die Heranwachsenden, lernen, was es heißt, inklusiv zu denken und niemanden wegen Äußerlichkeiten auszugrenzen. Was das mit „Diversity Washing“ zu tun hat?
Dabei geht es darum, Angehörige von Minderheitengruppen in Funktionen zu pressen, die nur dazu dienen, in Gemeinschaften ein falsches Vertrauen aufzubauen, um etwa mehr Geld zu verdienen. Heißt: Diversity Washing ist nicht gleichbedeutend mit legitimem Wandel. Es ist Heidi und GNTM durchaus positiv anzurechnen, dass sie den Fokus vermehrt auf Vielfalt lenken – auch wenn dieser Wandel recht spät und erst mit sinkenden Zuschauer- und steigender Kritikeranzahl kam.
Auch interessant: GNTM 2022 – Lou-Anne holt sich die Topmodel-Krone!
Es nervt jedoch sehr, dass Diversity so stark in den Vordergrund gerückt wird. Wie wäre es denn mit „weniger reden, mehr handeln“? Statt immer zu erwähnen, dass Kandidatin XY Plus Size sei, nicht den Modelmaßen entspreche oder aber auch eine sichtbare Narbe wie Noëlla hat, sollte dies einfach gar kein Teil des Diskurses mehr sein. Viel wichtiger wäre die Message: Wir haben die Models ausgewählt, weil wir sie toll finden und jetzt geht es darum zu zeigen, wer am qualifiziertesten für den Job ist. Wir sollten alle mehr lernen, dass der Körper einer Frau nicht dauerhaft thematisiert werden sollte – auch nicht bei einer Castingshow wie GNTM.