1. Februar 2025, 15:12 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Ewa Herzog ist eine Berliner Designerin mit ukrainischen Wurzeln. Sie ist fester Bestandteil der Fashion Week. STYLEBOOK sprach mit der Designerin über ihre Mode, Modesünden, den Ukrainekrieg und wie sie Frauen mit Handicap oder Migrationshintergrund in ihrem Unternehmen eine Perspektive bietet.
2011 gründete Ewa Herzog das nach ihr benannte Label und konzentriert sich seitdem auf Haute Couture Made in Berlin und das alles nachhaltig und produziert. Hochwertige Materialien, feminine Schnitte und Stoffe wie Spitze sind ihr Markenzeichen. Mit ihrer Mode möchte sie Frauen dabei unterstützen, sich stark, schön und selbstbewusst zu fühlen. Ihre Kleider unterstreichen die natürliche Eleganz und Persönlichkeit jeder Trägerin. Aber ihr Einsatz geht darüber hinaus, denn in ihrem Unternehmen arbeiten nicht nur hauptsächlich Frauen, sondern auch Frauen mit Handicap oder Migrationshintergrund bekommen bei Ewa Herzog die Möglichkeit, sich beruflich zu verwirklichen.
Übersicht
STYLEBOOK: Du bist schon seit vielen Jahren bei der Fashion Week in Berlin dabei, bist du vor solchen Veranstaltungen noch aufgeregt?
Ewa Herzog: „Natürlich, jede Show ist anders. Die Kollektionen, die Inspirationen und deren Bedeutungen unterscheiden sich immer. Besonders bei Kollektionen, in die viel Herzblut und persönliche Emotionen eingeflossen sind, ist die Aufregung groß. Man präsentiert schließlich auch immer ein Stück von sich selbst.“
Wie lang dauern die Vorbereitungen für eine Show, die gerade mal einige Minuten lang ist?
„Die Vorbereitungen nehmen im Durchschnitt etwa ein halbes Jahr in Anspruch. Die Ideen für die Kollektion habe ich jedoch oft schon ein Jahr vorher im Kopf. Als Designer hat man eine intuitive Vorstellung davon, was man in der kommenden Saison zeigen möchte. Daraus entsteht ein kreativer Prozess, der sich über Monate erstreckt.“
Die Berliner Fashion Week wird im internationalen Kontext ja gerne mal belächelt, wie sind deine Gedanken?
„Der Zweite Weltkrieg und die Teilung in Ost und West hatten in Deutschland erhebliche Auswirkungen auf die Modeindustrie. Während Städte wie Paris, London und New York ihre Modekultur weiterentwickelten, hinkte Deutschland lange hinterher. Mit der Mercedes-Benz Fashion Week am Brandenburger Tor begann Berlin, sich als Modehauptstadt zu positionieren und zu zeigen, dass wir eine eigene kreative Identität besitzen.
Leider fehlt es bis heute generell etwas an genügend politischer und gesellschaftlicher Unterstützung, um Mode als kulturelle und wirtschaftliche Kraft zu stärken. Mode ist Kunst, sie schafft Arbeitsplätze und bringt Menschen zusammen. Wir sollten stolz auf unsere Designer und unsere heimische Produktion sein, uns weniger auf den Blick nach außen konzentrieren und mehr auf unsere eigenen Stärken vertrauen. Wenn wir unser Potenzial besser fördern, wird auch die Welt mehr auf uns achten und die Relevanz unserer Mode erkennen. Mode ist nicht nur Kunst, sondern auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Wir sollten mehr Wert auf unsere Designer und die heimische Produktion legen und so auch international weiter an Relevanz gewinnen.“
Wie würdest du die typische Frau beschreiben, die deine Mode trägt?
„Ich mag das Wort ‚typisch‘ nicht besonders. Jede Frau, die sich von meinen Designs angesprochen fühlt, kann Ewa Herzog tragen. Es geht mir darum, die individuelle Weiblichkeit zu betonen und die individuelle Persönlichkeit der Trägerin zu unterstreichen.“
Bevor du eine neue Kollektion startest, worauf legst du besonderes Augenmerk?
„Ich lege kein besonderes Augenmerk auf etwas Spezifisches. Es beginnt meist mit einem Gefühl oder einer Ahnung, wie sich die Frau in der nächsten Saison kleiden möchte, welche Farben, Formen oder Silhouetten sie tragen wird. Daraus entsteht ein Zusammenspiel aus Farbe, Form und Gefühl, das sich nur schwer beschreiben lässt. Es beginnt im Kopf, wird auf Papier gebracht und dann dreidimensional in Form eines Kleidungsstückes umgesetzt.“
Ewa Herzog legt wert auf Diversity
Diversity in der Mode wird immer wichtiger, jedoch ist es noch lang nicht in der ganzen Modebranche angekommen, auf welchem Stand befinden wir uns da deiner Meinung nach?
„Das Thema betrifft nicht nur die Mode, sondern alle gesellschaftlichen Bereiche. Es geht darum, Akzeptanz und Respekt füreinander zu entwickeln. Jeder Designer sollte seine Vision frei ausdrücken können. Gleichzeitig müssen wir lernen, einander zuzuhören und Vielfalt zu respektieren. Nur so können wir als Gesellschaft demokratisch und fair bleiben.“
Und wo herrscht noch Nachholbedarf?
¡Nachholbedarf besteht immer im Bereich Bildung. Aufklärung und offene Gespräche fördern das Verständnis füreinander. Je mehr wir diese Themen thematisieren, desto besser können wir als Gesellschaft zusammenwachsen, was entscheidend für unsere Zukunft ist.“
Auf deiner Website heißt es, dass bei deiner Produktion viele Frauen beteiligt sind, legst du wert auf eine Frauenquote?
„Ich habe nie bewusst auf eine Frauenquote geachtet. Es hat sich einfach so ergeben, dass bei uns überwiegend Frauen arbeiten. Wir haben aber auch einen Mann im Team. Den meisten Frauen liegt vielleicht die Handarbeit mit Stoffen, Perlen und Spitze etwas mehr, aber ich würde nicht Nein sagen, wenn ein talentierter junger Mann Interesse daran hätte in unserem Atelier zu arbeiten, wenn er gut in unser Team passt.“
Es heißt außerdem: „Wir unterstützen auch Frauen, die aufgrund ihres Handicaps keine Arbeit finden“. Wie kann ich mir das vorstellen?
„Vor der Pandemie haben wir eine Mitarbeiterin mit beginnendem Parkinson eingestellt, die lange bei uns war. Als es für sie, aufgrund ihrer Krankheit, schwieriger wurde, haben wir sie an eine soziale Einrichtung vermittelt, wo sie sehr glücklich ist und weiterhin kreativ tätig sein kann. Wir schließen also nicht aus, wenn eine Frau eine Behinderung hat, dass wir sie nicht in unserem Unternehmen einbinden können. Ich empfinde so etwas als sehr bereichernd und keinesfalls als Hürde. Zudem haben wir während des Kriegs in der Ukraine eine Mitarbeiterin eingestellt, die kein Deutsch sprach. Wir bilden Sie nun aus, sie lernt Deutsch, ist sehr begabt und ich hoffe, dass wir noch lange mit ihr zusammenarbeiten können.“
So beeinflusst der Ukrainekrieg Ewa Herzog
Du leistest schon seit Jahren karitative Arbeit, woher kommt dieses Engagement bei dir?
„Das ist einfach Teil meines Charakters. Wenn man die Möglichkeit hat zu helfen, sollte man das tun. Jeder Beitrag, egal wie klein, kann einen Unterschied machen. Es gibt Menschen, die unsere Unterstützung dringend benötigen.“
Du bist gebürtige Ukrainerin, wie beeinflusst der anhaltende Ukrainekrieg deine Arbeit/Leben?
„Als der Krieg begann, hatte ich anfangs das Gefühl, das meine Arbeit in einer solchen Situation keine Bedeutung hat. Doch mit der Zeit habe ich erkannt, dass man auch als Kreativer eine wichtige Rolle einnehmen kann. Man kann Menschen mobilisieren und zusammenbringen. Wir haben eine Initiative gestartet, mit der wir viele Spenden sammeln konnten und an die AVUS-Station zum Transport in die Ukraine übergeben haben. Es war mir wichtig, den Menschen vor Ort direkt zu helfen.
Der Krieg hat meine Kreativität und mich stark beeinflusst. Ich habe mich anfangs wie gelähmt gefühlt und konnte keine Fashion Show oder andere Veranstaltungen durchführen, da mir alles sehr banal vorkam. Doch mittlerweile habe ich verstanden, dass ich durch meine Arbeit, meine Kontakte und Ressourcen ebenfalls helfen kann. Zusätzlich habe ich drei Hunde aus der Ukraine adoptiert, die ich sehr liebe. Als Ukrainerin sage ich immer: Mein Herz ist in Deutschland, aber meine Seele ist in der Ukraine. Der Krieg hat einen Teil meiner Seele zerrissen, und das macht mich traurig. Doch ich habe ausreichend Kraft, weiterzumachen, weiterzuhelfen und durchzuhalten. Ich hoffe, zukünftig Projekte umzusetzen, die sowohl Deutschland als auch die Ukraine verbinden und einen kulturellen Austausch fördern. Das ist mein großer Wunsch.“
In diese Teile sollte eine Frau modisch investieren
Welche Promi-Dame hat deiner Meinung nach einen tollen Stil?
„Es gibt viele prominente Frauen mit großartigem Stil. Besonders schön finde ich, wie mutig und selbstbewusst viele Frauen in modischer Hinsicht in den vergangenen Jahren geworden sind. Da kann ich nicht nur eine hervorheben.“
Und welche Promi-Dame würdest du gerne mal umstylen?
„Das würde ich der Person direkt sagen, wenn ich die Gelegenheit dazu bekomme. (lacht)“
Gibt es eigentlich bestimmte Modetrends, wo du glücklich bist, dass sie wiedergekommen sind?
„Ich freue mich über jeden Trend, der in abgewandelter Form zurückkommt wie Korsagen. Die liebe ich, aber würde niemals eine Frau in eine Korsage zwängen, in der sie nicht atmen kann oder der Körper darunter leidet. Ich mag diesen Trend und dass wir es mittlerweile geschafft haben, ihn so zu übersetzen, dass es ein schönes Accessoire in unserer täglichen Garderobe ist, ohne dass wir uns eingeschränkt fühlen. Korsagen müssen bequem sein und dürfen den Körper oder die Bewegung nicht einschränken.“
Und welche, die du in den Mottenschrank stecken möchtest?
„Leggings in Neonfarben.“
Kannst du dich noch an eine deiner Modesünden erinnern?
„Leggings in Neonfarben.“
Worin lohnt es sich modisch, als Frau zu investieren?
„Ein hochwertiger Anzug, ein zeitloser Mantel und klassische Accessoires ohne auffällige Logos sind eine gute Investition. Diese Basics sind vielseitig kombinierbar und langlebig. Dasselbe gilt auch für Taschen und klassische Schuhe, die man über mehrere Saisons hinweg tragen kann. Der Kleiderschrank sollte wie ein Baukasten-System aufgebaut sein, aus dem man sich jede Saison bedienen kann. Ein Trend-Piece und ansonsten eher klassisch, sodass man die Teile untereinander kombinieren kann. Das ist sehr nachhaltig und reduziert den Konsum. Eine durchdachte Garderobe ist stilvoller und nachhaltiger als ein überfüllter Kleiderschrank.“
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Ewa Herzog: „Mode ist nicht das Erste, was man in einer Krise kauft“
Inflation und Co. lässt es für viele momentan nicht zu, jede Saison in neue Teile zu investieren, wie kann man mit wenig Geld und wenig Aufwand seine Garderobe aufrüsten?
„Es ist wichtig zu verstehen, was man tragen möchte, was man in seinem Kleiderschrank hat und wie man mit ein oder zwei Teilen, die die aktuellen Trends widerspiegeln, die Garderobe aufwerten kann. Natürlich ist es wichtig, sich langfristig zu überlegen wie und wo man einkauft und vor allem auch wie nachhaltig. Wie zuvor erwähnt, ich halte das Baukasten-System für sehr sinnvoll, dass man ersetzt, hinzufügt und dennoch die klassischen Teile hat, die sich vielseitig kombinieren lassen. Jeder sollte in klassische, gut gemachte Teile investieren, die lange halten, anstatt Massenware zu kaufen, die schnell aus der Mode kommt. Unsere Ressourcen sind nicht unendlich, weshalb ein zurückhaltender Konsum wichtig ist. Bewusstes Einkaufen schont nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Umwelt.“
In den letzten Monaten hat man von etlichen Insolvenzen im Modebereich gehört, Gründe waren immer Inflation, Krisen, Kriege und zurückhaltendes Kaufverhalten. Hast du das auch zu spüren bekommen?
„Natürlich haben auch wir das zu spüren bekommen, denn eine Wirtschaftskrise betrifft uns alle. Mode ist nicht das Erste, was man in einer Krise kauft, daher spüren wir das auch und erarbeiten immer neue Ansätze, um mit der Zeit zu gehen und Probleme zu umgehen.“
Stationärer Handel bleibt weiterhin dennoch eine wichtige Säule, was muss sich deiner Meinung nach aber verändern, damit nicht bald alle Einkaufsstraßen leer stehen?
„In den letzten 10 bis 20 Jahren hat sich unser Kaufverhalten und auch der Lebensstil sehr verändert. Alles ist schneller geworden und es wird viel online gekauft. Meiner Meinung nach ist das nicht der richtige Weg und wir sollten den stationären Handel, als wichtigen Bestandteil unserer Gesellschaft, unterstützen. Der persönliche Kontakt im Handel ist entscheidend. Wenn wir weiterhin alles anonym online kaufen, verlieren wir Menschlichkeit und Individualität. Der stationäre Handel bietet Inspiration und Austausch, die wir unterstützen sollten, um unsere Städte lebendig zu halten.“