6. April 2020, 20:04 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Woche 4 ist angebrochen. Die vierte Woche ohne Kita, ohne Schule, ohne Freunde, dafür mit umso mehr Homeoffice, Überforderung, Netflix und Leerlauf. Was das mit mir und meinen zwei Kindern macht?
„Ist Corona schlimmer als Krebs?“, will die Kleine wissen. Und wie es dem ollen Virus einfallen kann, die für Mitte April anberaumte Kitafahrt zu zerschießen. Und die Party zum fünften Geburtstag, die in diesem Jahr auf unbestimmte Zeit verschoben ist. Es gibt viele Fragen in diesen Tagen, Antworten habe ich wenige. Weil ich selbst gerne wissen würde, wie lange das hier noch geht. Was mit dem Sommerurlaub ist, den Kurztrips an den See oder ans Meer, dem Besuch von Freunden in Hamburg, Frankfurt oder Köln, von einem Wiedersehen mit Oma und Opa ganz zu schweigen. Ich weiß es einfach nicht. Stattdessen liegen die Nerven blank, das spüre ich fast körperlich. Ein Kribbeln auf den Armen, wenn die Kinder anfangen zu streiten, der Inhalt der Haferflockenpackung auf dem Küchenboden verteilt wird und ich wieder mal so fies-gemein-ungerecht bin, wenn der Rechner nach vier Stunden Dauer-Netflix konfisziert wird.
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Äußere Ordnung für das innere Chaos
Meinen Arbeitsbeginn habe ich auf sechs Uhr morgens vorverlegt, damit ich noch knapp zwei Stunden habe, bevor ein Kind schlaftrunken angetorkelt kommt und sich auf den Schoß quetscht und pullern muss und Frühstückshunger hat. Multitasking wird in diesen Wochen auf eine neue Ebene gehoben, ich spiele halbherzig die achte Runde Sagaland in Folge, während ich parallel fege und die Wäsche aufhänge. Ich bin keine Kreativ-Mama, die einen nicht versiegenden Bastelvorrat in der Schublade hat und 1000 Ideen. Noch nie gewesen und auch jetzt nicht. Stundenlang als Ponyersatz auf dem Boden rumzurobben, strengt mich an, zumal da jetzt die Krümel von den selbst geschmierten Broten rumfliegen, die statt am Küchentisch im Kinderzimmer gegessen werden. Es ist unglaublich, was anfällt, wenn man so viel Zeit zu Hause verbringt, wobei ich jetzt noch mehr als sonst das Gefühl habe, dass ich eine gewisse Ordnung um mich herum brauche, um mein inneres Chaos in den Griff zu bekommen. Manchmal schnappe ich mir die Kinder, wir setzen uns ins Auto, hören laut Musik und machen eine „Corona-Tour“ – wir fahren an Kita und Schule vorbei, erinnern uns, klappern Freunde ab, klingeln und winken zu den Balkonen hoch.
Zwischendurch gibt es aber auch jene Momente, in denen ich es als extrem entlastend empfinde, keinen Plan und keine Termine zu haben. Kein Kuchen, der für den Kuchenverkauf in der Schule gebacken werden muss, kein Gehetze morgens, keine Treffen, auf die man eigentlich gar keine Lust hat. Nie war es einfacher, sich aus allem rauszuziehen, und das ganz ohne schlechtes Gewissen oder fadenscheinige Ausreden. Früh ins Bett zu gehen, ist völlig ok, Miracoli auch, gab eh nix anderes bei Rewe. Dass man jetzt öfter laut werde mit den Kindern, sei ganz normal, bestätigen mir Freundinnen, die Situation sei eben einfach für alle eine Herausforderung. Und dass die voreingestellten Stunden auf dem Kindertablet von 30 Minuten auf drei Stunden hochgesetzt werden – Schwamm drüber. „Bibi & Tina“ sind eben einfach Tiptop-Babysitter.
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Das „Egal-Gefühl“
Was nervt, ist die äußere Verwahrlosung – Kapuzenpulli und Jogginghose sind das Must-Have der Stunde, Lippenstift und Lidschatten liegen angestaubt im Bad rum. Das ist okay, steigert aber dennoch dauerhaft nicht mein Wohlgefühl. Vielmehr hat sich so ein „Egal-Gefühl“ eingestellt, und dieses Egal-Gefühl zieht sich durch die Tage und breitet sich immer mehr aus. Am Anfang, vor drei Wochen, hing ich noch viel am Handy, tauschte mich mit Freunden aus, jetzt habe ich kaum mehr Lust, ans Telefon zu gehen, es gibt ja eh nichts zu erzählen. Ein Tag wie der andere. Was hilft, ist der Frühling. Wir machen jeden Nachmittag eine Radtour in den nahe gelegenen Wald, das tut allen gut. Die Sonne scheint durch die noch kahlen Bäume, die Vögel zwitschern und alles ist irgendwie wie immer. Danach machen wir Hüpfekästchen im Garten, essen Eis und gießen mit dem Schlauch die Tulpen. „Mama, können die Blumen auch Corona kriegen?“, will meine Tochter wissen. Nein, sage ich, und habe endlich einmal eine Antwort auf eine der vielen, vielen Fragen in diesen Tagen.