12. März 2024, 18:01 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Manche Dinge sind lieb gemeint, jedoch nicht vollständig durchdacht. Zum Beispiel, wenn ein Mann einer Frau ungefragt die Welt erklären möchte. Danke, aber nein Danke! Das sogenannte Mansplaining ist ein Begriff, der sich in den frühen 2000er-Jahren gefestigt hat. Dabei handelt es sich um ein vermeintlich kleines, aber dennoch sehr lästiges Phänomen, welches ungleiche Machtverhältnisse in der Kommunikation zwischen Mann und Frau widerspiegelt. STYLEBOOK klärt über den versteckten Alltagssexismus auf.
Auf TikTok geht derzeit ein Video viral, das viele Frauen wütend macht. Zu sehen ist die Engländerin Georgia Ball, die auf einem Golfplatz ihre Schwünge übt. Doch anstatt in Ruhe ihr Training durchführen zu können, wird die Golferin immer wieder von einem männlichen Zuschauer unterbrochen. Dieser ruft ihr in einer Tour ungefragt Tipps und Verbesserungsvorschläge zu. Selbst nachdem Ball ihn freundlich darauf hinweist, dass sie lediglich ein paar neue Techniken ausprobiere, hört das Verschlimmbessern des Hobbygolfers nicht auf. Im Gegenteil: Der Mann lässt die Britin teilweise nicht einmal ausreden und ignoriert ihre Einwände gekonnt. Einen erfolgreichen Schlag von ihr kommentiert er mit den Worten „Sehen Sie, wie viel besser das bereits war“? Was der Mann nicht weiß: Georgia Ball ist Profi-Golferin und Trainerin – und hat die mehr oder weniger hilfreichen Tipps ihres Kollegen somit gar nicht nötig. Mansplaining at it’s best!
Was ist Mansplaining eigentlich?
Mansplaining setzt sich aus den englischen Worten Man (= Mann) und explaining (=erklären) zusammen. Das Phänomen zeichnet sich durch das Erklären von Sachverhalten ab, ohne Rücksicht darauf, dass der Erklärende oftmals weniger weiß, als sein Gegenüber. Der Begriff wurde erstmals in den frühen 2000er-Jahren von der Publizistin Rebecca Solnit geprägt und später im Oxford English Dicitonary aufgenommen. Ausschlaggebend dabei ist, dass es oftmals Männer sind, die Frauen ungefragt die Welt (h)er(r)klären wollen. Das geschieht meist auf eine herablassende oder bevormundende Art und Weise. Erfahrungen und Wissen der Frau werden dabei gekonnt ignoriert oder sogar belächelt.
Die Geschlechterforschung geht davon aus, dass sich Mansplaining dabei vor allem aus verinnerlichtem Geschlechterwissen begründet. Beim Mansplaining handelt es sich in der Regel also nicht um eine böse Absicht, oder gewollte Provokation. Vielmehr geht es um verinnerlichte Stereotype, die noch aus Zeiten stammen, in denen Frauen weniger Zugang zu Bildung hatten. So wird Frauen eher eine Inkompetenz in verschiedenen Bereichen unterstellt, während Männer deutlich selbstbewusster mit Halbwissen umgehen. Das Ergebnis ist ein ungleiches Machtverhältnis in der Kommunikation zwischen Mann und Frau.
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Deshalb ist diese Art von Kommunikation so toxisch
Was sich zunächst nach einem kleinen und unwichtigen Problemchen anhört, kann in der Realität jedoch ganz schön nervig sein. Ob im Alltag oder im Job – wird die eigene Kompetenz ständig infrage gestellt, kann das auf Dauer einen Einfluss auf das eigene Selbstwertgefühl haben oder dafür sorgen, in bestimmten Fachbereichen nicht ernst genommen zu werden. Gerade in Berufen, die eher von Männern dominiert werden, kann das zu größeren Diskrepanzen bei bestehenden Hierarchien führen.
Doch auch wenn es nur um alltägliche Problem geht, kann Mansplaining zu einem Streitfaktor werden. Schließlich möchte sich niemand andauernd korrigieren lassen – und schon gar nicht, wenn es überhaupt nicht nötig ist. Im Endeffekt verbirgt sich hinter dem Phänomen nämlich nichts Geringeres als eine Form des Alltagssexismus. So wird Frauen auf der einen Seite unterstellt, weniger intelligent zu sein als Männer. Auf der anderen Seite geht die Gesellschaft davon aus, dass Frauen auch zum Lösen kleiner Alltagsprobleme weniger fähig sind. Mansplaining reicht dabei von Erklärungen, wie man einen Schrank richtig aufbaut bis hin zu ungefragten Fakten über Sport, Politik und Gesellschaft. Doch spätestens, wenn ein Mann einer Frau erklären möchte, wie ihre Hormone während ihrer Periode funktionieren, ist es Zeit, sich gegen das Herrklären zu wehren.
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Was Sie gegen Mansplaining tun können
Klar, in manchen Situationen, ist es leichter, Mansplaining einfach hinzunehmen oder wegzulächeln. Schließlich gibt der Klügere doch nach, oder nicht? Doch ab und zu ist es wichtig, den Spieß umzudrehen und freundlich, aber bestimmt klarzumachen, dass man sich nicht über alles belehren lassen muss. Wenn Sie das Gefühl haben, dass jemand Ihnen etwas erklären möchte, von dem Sie eigentlich mehr Ahnung haben, weisen Sie Ihr Gegenüber direkt auf sein Fehlverhalten hin. Besser noch: Lassen Sie die andere Person wissen, dass Sie sich bestens mit dem Sachverhalt auskennen und keine Erklärungen benötigen. Auch aktives Gegenfragen zu spezifischen Fakten kann wahre Wunder bewirken. Im besten Fall fällt dem Erklärenden dabei selbst auf, dass er mit seinen Ratschlägen keine tatsächliche Hilfe ist.
In den meisten Fällen folgt dabei Einsicht – denn oftmals erfolgt Mansplaining unbewusst und ohne die Absicht, die Fähigkeiten des Gegenübers anzweifeln zu wollen. Versuchen Sie also Ihren Standpunkt nicht als Vorwurf, sondern als konstruktives Feedback zu formulieren.
Falls all das nichts bringt, hilft jedoch nur noch eins: Mit Humor nehmen und gegen feuern. Loben Sie Ihren Gesprächspartner doch beispielsweise einfach mal für seine tolle Auffassungsgabe und sein bewundernswertes Wissen! Ein kleines bisschen harmloser Sarkasmus hat schließlich noch nie jemandem geschadet. Und wenn Ihr Gegenüber den Spaß nicht versteht, dann herrklären Sie ihn ihm einfach.