22. März 2021, 6:51 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Ich habe auf diesen Termin hingefiebert wie auf eine Reunion-Tour von Take That. Bisschen übertrieben? Das hätte ich vor ein paar Monaten auch noch gesagt. Aber in einem Jahr ohne Highlights, in dem ich mir bisher weder Kleid noch Blazer überstreifte, war der Gang zum Friseur für mich ein richtiges Event, inklusive Vorfreude und Glücksgefühl.
Konnte ich bei meinem Stamm-Friseur vor der Pandemie immer spontan reinschneien, bedurfte es im Corona-Lockdown für meinen Friseurbesuch jetzt einem Termin, der abgesteckte Timeslot: 18 bis 20 Uhr. Das sollte bzw. musste für waschen, schneiden, tönen und föhnen reichen. Zeitaufwändigere Haarexperimente mussten vorher angekündigt werden. Meine brünetten Locken in einen blonden Shag Cut à la Billie Eilish zu verwandeln, würde dieses Mal also nicht passieren. Dennoch fühlte ich vor meinem Friseurbesuch diesen Spirit der totalen Veränderung: Ich würde als neuer Mensch aus diesem Salon schreiten, dessen war ich mir sicher.
Vor drei Wochen hatte ich den Termin gemacht, jedem davon erzählt. Immerhin war mein letzter Friseurbesuch schon fast sechs Monate her. Damals war das Timing nicht auf meiner Seite und der nächste Lockdown stand bevor. Meine Haare zwirbelte ich demnach bereits seit Monaten nur noch zu einem Dutt zusammen. Meine Spitzen waren so trocken und kaputt, ich hätte mir aus dem Spliss eigene Zöpfe flechten können. Auch einzelne graue Haare fanden wieder ihren Weg aus der Deckung meiner längst verblichenen Tönung.
Auch interessant: Simpel, aber stylisch! Unsere 7 Lieblings-Frisuren im Lockdown
Beschluss vom 3. März Wann machen Nagel- und Kosmetikstudios trotz Corona wieder auf?
Persönlicher Assistent, DIY… Salons dicht! Wie lösen Politikerinnen das Frisuren-Problem im Lockdown?
Von Sockenlocken bis High Ponytail Simpel, aber stylisch! Unsere 7 Lieblings-Frisuren im Lockdown
Friseurbesuch im Lockdown – ein Event der anderen Superlative
17:55 Uhr, Berlin Mitte. Hier stieg die Corona-Inzidenz zuletzt über 100, die Corona-Ampel ist rot. Das ungute Gefühl, sich mit dem Virus anzustecken, schwingt mit – aber eigentlich schon seit Beginn der Pandemie. Die FFP2-Maske ist angelegt, die Hände desinfiziert, einen negativen Corona-Test braucht es nicht. Ich werde zu einem Friseurstuhl geführt. Jeder Platz ist durch Paravents abgetrennt, die Sicherheitsabstände werden eingehalten. Ich fühle mich sicher. Die Maske nehme ich kein einziges Mal in zwei Stunden ab: weder beim Haare färben, noch beim Waschen oder Schneiden.
Auch interessant: Redakteurinnen verraten ihre Beauty-Routinen im Lockdown
„Ist es okay, wenn die Bänder deiner Maske Farbe abbekommen?“, fragt mich die Friseurin, „oder bist du dann traurig?“ Traurig? Nein. Das machen mich ganz andere Dinge. Die Maske gehört seit einem Jahr zu meinem Alltag dazu und so sehr ich auch darunter schwitze, ich die aufkommenden Pickel – dank Maskne – schon spüre, sie gibt mir auch Freiheit. Freiheit für einen Friseurbesuch im Lockdown ohne Reue. „Ich habe alles abgeschnitten, was ‚bitte abschneiden‘ geschrieen hat“, sagt die Friseurin, als sie mir meinen neuen Cut präsentiert.
Ich könnte auch schreien vor Freude. Meine Haare fühlen sich endlich wieder gepflegt an und sehen nach echter Frisur aus. Zwei Stunden, die mir im Lockdown so viel gegeben haben wie ein Konzert in Pre-Corona-Zeiten. Und das Beste: Ich war dabei, bei diesem einzigen Event seit Ewigkeiten. Meine mit Farbe bekleckste FFP2-Maske zeugt davon, meine Haare auch. Eine Konzertkarte als Erinnerung wäre mir trotzdem lieber gewesen. Beim nächsten Mal dann.