14. Mai 2024, 14:32 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der Kampf für Gleichberechtigung gleicht einer Sisyphusarbeit und kann schnell aussichtslos wirken. Wie so häufig, wenn man sich große Ziele setzt, scheinen diese oftmals unerreichbar. Hilfreicher können deshalb kleine, alltägliche Taten sein, die dennoch etwas zum Großen Ganzen beitragen. In den sozialen Medien ist hierbei derzeit von Mikrofeminismus die Rede. Was dahintersteckt, lesen Sie im STYLEBOOK-Artikel.
Soziale Medien sind gut darin, Phänomenen, die schon lange Zeit existieren, einen Namen zu geben. Sich für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen einzusetzen ist längst keine Neuheit und wird jetzt unter dem Schlagwort „Mikrofeminismus“ zum Trend gemacht. Allerdings steckt hinter dem Begriff viel mehr als eine Bewegung, die gerade in ist. Wie sich Mikrofeminismus im Alltag zeigt und wie auch Sie Ihren Beitrag dazu leisten können, weiß STYLEBOOK.
Übersicht
Was ist Mikrofeminismus?
Zugegeben, die meisten Trends, die wir auf TikTok verfolgen, sind wenig gehaltvoll und dienen hauptsächlich der Unterhaltung. Umso schöner ist es zu beobachten, wenn die sozialen Medien auch dafür genutzt werden, um auf die wichtigen Dinge im Leben aufmerksam zu machen. So auch auf die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Bei dem Trend geht es dabei nicht darum, Frauen dazu aufzurufen, für ihr Recht auf die Straße zu ziehen, sondern vielmehr um kleine Gesten, die im Alltag zu mehr Gleichberechtigung beitragen können.
Ins Rollen gebracht hat die jüngste Debatte um Mikrofeminismus die TikTok-Userin Ashley Chaney. In ihrem Video erzählt sie davon, wie sie in E-Mails stets die Assistentinnen vor ihren männlichen CEOs adressiert. Ein kleiner, aber dennoch beim Gegenüber wirksamer Kniff, um zumindest für einen kurzen Überraschungsmoment zu sorgen. Was als kurzes TikTok-Video anfing, schlug schnell große Wellen. 2,7 Millionen Views und über 6.000 Kommentare zählt der Beitrag im Mai 2024 (Stand 14.05.2024). Zahlreiche Frauen teilen ihre Auffassung von Mikrofeminismus und mithilfe welcher kleinen Gesten sie ihren Beitrag dazu leisten.
So kann Mikrofeminismus im Alltag aussehen
Diese vermeintlichen Kleinigkeiten können komplett unterschiedlich ausfallen. So kommentiert etwa eine Userin, dass sie beim Aufsetzen eines Mietvertrages stets die Frau als Hauptmieterin eintragen würde, bevor sie den Partner aufführt. Eine andere Userin erzählt, wie sie beim Schreiben von Sportberichten das Geschlecht der Mannschaften nur explizit aufführe, wenn es sich um eine Männermannschaft handele – anstatt zum Beispiel von „Fußball“ und „Frauenfußball“ zu sprechen. Andere Wege, Mikrofeminismus in den Alltag einfließen zu lassen, beinhalten:
- Einladungen an „Frau und Herr XY“ adressieren anstatt andersherum
- Wenn jemand von Fachpersonal, wie Ärzten, Anwälten oder auch Handwerkern spricht, aktiv von einer Frau ausgehen. Zum Beispiel: „Du warst beim Arzt? Was hat SIE gesagt?“
- Männern auf dem Bürgersteig nicht zuerst aus dem Weg gehen, wenn Sie sich entgegenlaufen
- Den Vater statt der Mutter als ersten Notfallkontakt bei Schulkindern angeben
- Frauen darum bitten, Aufgaben zu übernehmen, die klassischerweise von Männern ausgeführt werden und andersherum
Weshalb Feminismus immer noch wichtig ist
In Themen Feminismus und Gleichberechtigung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten einiges getan und zum Positiven geändert. Dass das Erreichen der Gleichberechtigung von Mann und Frau dennoch ein langwieriger Prozess ist, lässt sich nicht abstreiten. So ist, geschichtlich betrachtet, gerade mal ein Wimpernschlag vergangen, seitdem Frauen wählen, arbeiten oder ein eigenes Bankkonto führen dürfen. Und die Folgen daraus sind auch heute immer noch im Alltag zu spüren – Stichwort Gender Pay Gap oder Gender Data Gap. Und auch in Unternehmensstrukturen fällt immer wieder auf, dass der Mikrofeminismus alles andere als unnötig ist. Wussten Sie zum Beispiel, dass es in Deutschland mehr Vorstandsvorsitzende gibt, die Christian heißen, als dass es weibliche Vorstandsvorsitzende insgesamt gibt? Das geht zumindest aus einer Studie der AllBright Stiftung hervor.
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Wie sinnvoll ist der TikTok-Trend wirklich?
Doch bringt der TikTok-Trend Mikrofeminismus wirklich etwas, wenn es um das große Thema der Gleichberechtigung geht oder handelt es sich hierbei mehr um das Vermitteln eines guten Gefühls, als dass man damit tatsächlich etwas bewegt? Im Endeffekt kann Mikrofeminismus funktionieren, wenn man ihn auch schlicht und einfach als solchen ansieht und nicht als einen weiteren Trend-Begriff der sozialen Medien. Am Ende des Tages geht es nämlich nicht darum, das Rad neu zu erfinden, sondern vor allem darum, Aufmerksamkeit für ein so wichtiges Thema zu generieren. Indem immer wieder durch kleine, alltägliche Kleinigkeiten auf Gleichberechtigung aufmerksam gemacht wird, wird ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass wir bei dieser Reise noch lange nicht am Ziel angekommen sind. So können auch kleine Taten auf Mikro-Ebene durchaus wirkungsvoll sein. Denn wie bei vielem, sind es oftmals die kleinen, einzelnen Puzzleteile, die sich am Ende zum größeren Bild zusammensetzen.
Gleichzeitig lässt sich so das Gefühl vermitteln, dass wirklich jeder etwas zu mehr Gleichberechtigung beitragen kann – auch wenn es „nur“ darum geht, gesehen zu werden. Allein die vielen positiven Kommentare unter Chaneys Video beweisen: Mikrofeminismus ist mehr als nur ein Trend.