26. April 2022, 6:21 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Eine neue Nase zum Geburtstag und vollere Lippen zum Abschlussball: Auch bei Jugendlichen liegen Schönheitsoperationen im Trend. Aber sind ästhetisch-plastische Eingriffe bei Minderjährigen überhaupt erlaubt? Wo liegen die Gefahren, welche Gründe sprechen für einen Eingriff und was gilt als Schönheits-OP? STYLEBOOK hat beim Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen nachgefragt.
Es klingt ganz einfach: Das, was nicht gefällt, wird mithilfe eines kleinen Eingriffs verändert. Dort, wo es aus Sicht der Operationswilligen sein muss, wird geschnitten und geformt. Schließlich sind ästhetisch-plastische Eingriffe, allgemein Schönheitsoperationen genannt, inzwischen nicht nur gesellschaftlich akzeptiert. Beim Blick auf so manches Instagram-Profils entsteht bisweilen der Eindruck, Schönheits-OPs seien sogar Voraussetzung, um dazuzugehören. Kein Wunder, dass auch immer mehr Kinder und Jugendliche glauben, vermeintliche Makel mithilfe einer Schönheits-OP beseitigen zu müssen.
Übersicht
„Schönheits-Ops bei Minderjährigen grundsätzlich nicht durchführen“
Doch so leicht ist das nicht, wie Dr. Steffen Handstein, Facharzt für ästhetisch-plastische Chirurgie und Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), erläutert. Auch wenn Jugendliche mit ihrem Aussehen unzufrieden sind, sei eine Operation ohne Einwilligung der Eltern nicht möglich. Jugendliche unter 18 Jahren dürfen solchen Eingriffen formal gar nicht zustimmen. Und selbst wenn Eltern mit einer Operation einverstanden sind, sehen sich Interessierte einer weiteren Hürde gegenüber: Der Facharzt entscheidet, ob er operiert.
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„Die Empfehlung der Fachgesellschaften wie beispielsweise der VDÄPC an die Fachärzte für Ästhetisch-Plastische Chirurgie lautet jedoch, Operationen bei Minderjährigen aus rein ästhetischen Hintergründen grundsätzlich nicht durchzuführen“, so Handstein. Schönheits-OPs bei Jugendlichen wie etwa eine Nasenkorrektur, nur weil sie vielleicht nicht dem Ideal aus dem Internet entspricht, dürfte hierzulande demnach kaum möglich sein.
Bella Hadid bereut ihre Nasen-OP mit 14
Wenn Minderjährige ästhetisch-plastische Operationen ohne einen medizinischen Hintergrund vornehmen lassen wollten, stecke womöglich ein tiefergehendes Problem hinter dem Wunsch nach optischer Veränderung, etwa eine Körperwahrnehmungsstörung, erläutert der Experte. Ein Chirurg ist dann nicht der passende Ansprechpartner, um dem Kind zu helfen. Ein erfahrener Arzt aber erkenne die Anzeichen dafür, dass eher ein psychisches als ein körperliches Problem vorliege, so Handstein.
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Dass solche Bedenken bei Schönheits-OPs bei Jugendlichen nicht aus der Luft gegriffen sind, hat vor wenigen Wochen ein Interview der Zeitschrift „Vogue“ mit Supermodel Bella Hadid verdeutlicht. Die heute zu den bekanntesten und begehrtesten Models zählende 25-Jährige räumte darin ein, sich bereits mit 14 Jahren einer Nasenkorrektur unterzogen zu haben, weil sie sich im Vergleich mit ihrer ebenfalls weltberühmten Model-Schwester Gigi nicht schön genug gefunden habe. Heute jedoch bereue Bella Hadid den Eingriff, sie habe „die Nase ihrer Vorfahren“ lieber behalten wollen. Und: Glücklicher und gesünder wurde sie offenbar trotz der Operation nicht. Hadid gab an, unter Essstörungen, Depressionen und anderen psychischen Problemen gelitten und sich deswegen in Behandlung begeben zu haben. Bis heute kämpfe sie mit Selbstzweifeln. Eine Schönheits-Operation, das zeigt dieses Beispiel deutlich, ist also nicht der alleinige Weg zur Zufriedenheit.
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Mögliche Hilfe bei abstehenden Ohren
Deswegen müsse gerade bei Jugendlichen ein entsprechender ärztlicher Befund vorliegen, der zum Behandlungswunsch – also der angestrebten Operation – passe, erläutert Handstein. Das sei unter anderem der Fall, wenn es sich bei den Operationen um Eingriffe mit funktionalem Hintergrund handelt. Dann liege in der Regel die erforderliche medizinische Indikation vor. „Überwiegend handelt es sich bei den Operationen an Minderjährigen um Ohrkorrekturen im Kindesalter, meist vor dem Eintritt in die Schule, um Mobbing und soziale Ausgrenzung zu vermeiden“, führt der Facharzt aus.
Auch Brustverkleinerungen bei jungen Frauen fielen in diese Kategorie, etwa, wenn durch eine sehr große Brust körperliche Beschwerden wie anhaltende Rückenschmerzen und Einschränkungen in der Motorik vorliegen. Eine solche Verkleinerung solle jedoch erst vorgenommen werden, wenn die Entwicklung der jungen Frau weitestgehend abgeschlossen ist. Das sei im Alter von etwa 16 Jahren der Fall, so der Experte. Zusammen mit Ohrenkorrekturen seien Brustverkleinerungen die häufigsten ästhetischen Operationen, die bei Minderjährigen vorgenommen werden.
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Wann können Schönheits-OPs bei Minderjährigen sinnvoll sein?
Solche Eingriffe seien dann auch keine Schönheitsoperationen im engeren Sinn, so Handstein weiter: „Stark abstehende Ohren sowie Fehlbildungen der Brust sind gemäß Sozialgesetzbuch V als ‚krankheitswerte Zustände‘ einzuordnen.“ Sie fielen somit unter jene Operationen, die „die Krankenkassen dann als Kostenträger übernehmen“. Besonders Ohrkorrekturen und Brustverkleinerung seien chirurgische Eingriffe, die psychisches Leid und körperliche Beschwerden verhindern oder zumindest verringern könnten.
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Jedoch obliege es auch dabei dem behandelnden Arzt, einzuschätzen, ob ein operativer Eingriff medizinisch und psychologisch sinnvoll ist. Zudem müsse eine gründliche Beratung des Facharztes erfolgen, bei der über die Möglichkeiten und Risiken der Schönheits-OPs bei Jugendlichen aufgeklärt wird. „Hierbei kommt es bei verantwortungsvollen Fachärzten nicht selten zu der Empfehlung, den gewünschten Eingriff zu einem späteren Zeitpunkt erneut in Betracht zu ziehen“, sagt Handstein. Meist würden korrigierende Eingriffe erst ab einem Alter durchgeführt, in dem das Kind in der Lage ist, zu verstehen, worum es geht. Bei der Korrektur abstehende Ohren sei das meist ab etwa fünf bis sechs Jahren der Fall.
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Quelle
– mit fachlicher Beratung von Dr. Steffen Handstein, Facharzt für ästhetisch-plastische Chirurgie und Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC)