12. April 2023, 17:57 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Nachdem vor einem Monat in den Niederlanden erstmals ein Mann wegen „Stealthing“ verurteilt wurde, haben wir uns bei STYLEBOOK gefragt, ab wann Frauen eine sexuelle Belästigung zu Anzeige bringen können. Zudem erläutern wir, was hinter den vermeintlich harmlosen englischen Begriffen wirklich steckt.
Fast jede erwachsene Frau hat mit ziemlicher Sicherheit in ihrem Leben schon einmal unaufgefordert ein Dickpic erhalten. Dabei liegt die Betonung auf unaufgefordert, denn gefragt haben, werden die wenigsten. Einer Umfrage des Marktforschungsinstitus Yougov aus dem Jahr 2018 zufolge haben 46 Prozent der befragten Frauen zwischen 18 und 36 Jahren angegeben, bereits Bilder von männlichen Geschlechtsteilen erhalten zu haben. Kaum überraschend: 41 Prozent haben nicht danach gefragt. Hier ist es wichtig vom Sexting zu unterscheiden – denn wie immer ist Konsens der Schlüssel zum Erfolg. Doch ab wann kann man sexuelle Belästigung eigentlich zur Anzeige bringen?
Übersicht
- Was definiert man als sexuelle Belästigung?
- Wann ist ein Dickpick eine sexuelle Belästigung?
- Keinen digitalen Raum lassen für sexuelle Belästigung
- Was bezeichnet man als Stealthing?
- Wie kann man gegen Stealthing vorgehen?
- Upskirting ist alles andere als harmlos
- Upskirting trotz fehlendem Gesetz auch in Deutschland strafbar
Was definiert man als sexuelle Belästigung?
Doch erst einmal vorab: Was definiert man juristisch betrachtet als sexuelle Belästigung? Sexuelle Belästigung bezieht sich auf unerwünschtes sexuelles Verhalten, das die Würde und Integrität einer Person verletzt. Dies kann verbale, non-verbale oder körperliche Handlungen umfassen. Beispiele dafür sind anzügliche Bemerkungen, unerwünschte Berührungen, obszöne Gesten oder sexuell konnotierte Blicke. Sexuelle Belästigung kann in verschiedenen Umgebungen auftreten, einschließlich am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Öffentlichkeit oder in anderen sozialen Situationen.
Wann ist ein Dickpick eine sexuelle Belästigung?
Dickpicks, also Bilder auf dem das nackte männliche Genital zu sehen ist, sollten niemals unaufgefordert geschickt werden – ausnahmslos. Es ist wichtig zu beachten, dass das Einverständnis der betroffenen Person von entscheidender Bedeutung ist. Wenn eine Person nicht freiwillig zugestimmt hat, ein solches Bild erhalten zu wollen, kann das Dickpic als Belästigung betrachtet werden. Auch wenn es keine körperliche Gewalt oder Nötigung beinhaltet.
In Deutschland gehört das Versenden von Dickpics zur unaufgeforderten Verbreitung von pornografischen Schriften und ist laut § 184 Abs. 1 Nr.6 StGB eine Straftat. Versender haben mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe zu rechnen.
Keinen digitalen Raum lassen für sexuelle Belästigung
Sexuelle Belästigung im digitalen Raum, einschließlich unerwünschter sexueller Bilder oder Nachrichten, ist ein weitverbreitetes Problem, von dem viele Menschen betroffen sind. Viele Betroffene zögern jedoch, Dickpics zur Anzeige zu bringen, aus Gründen wie Scham oder mangelnder Kenntnis über ihre Rechte.
Es gibt jedoch Aktivisten und Kampagnen, wie die HateAid gGmbH, die darauf abzielen, das Bewusstsein für sexuelle Belästigung im digitalen Raum zu erhöhen. Sie möchten die Rechte der Betroffenen stärken und die Anzeige solcher Vorfälle fördern. In einigen Ländern haben bereits Gesetzesänderungen stattgefunden, um den Schutz vor sexueller Belästigung im digitalen Raum zu verbessern und die Anzeige von Vorfällen zu erleichtern.
Was bezeichnet man als Stealthing?
„Stealthing“ ist ein Begriff, der verwendet wird, wenn eine Person während des Geschlechtsverkehrs heimlich ein Kondom entfernt, ohne das Wissen oder Einverständnis des Partners oder Partnerin. Das Wort leitet sich ab von dem englischen Begriff „stealth“, was übersetzt so etwas wie List, Verstohlenheit, Heimlichtuerei bedeutet.
Stealthing wird oft als unethisch und rechtlich bedenklich angesehen, da es das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Einwilligung verletzt. Es kann zu ungewollten Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Infektionen führen und psychologische Auswirkungen wie Trauma und Vertrauensbruch verursachen.
Auch interessant: Wie sich Genitalherpes anfühlt und wie man ihn behandelt
Wie kann man gegen Stealthing vorgehen?
In Deutschland gibt es keine spezifische Gesetzgebung, die sich ausschließlich mit dem Straftatbestand des „Stealthings“ befasst. Allerdings können die Handlungen, die als Stealthing betrachtet werden, je nach den Umständen entsprechend bestraft werden. Stealthing wird auch nicht mehr als Belästigung aufgefasst, sondern fällt unter den Begriff der sexuellen Nötigung.
Stealthing kann als sexueller Übergriff oder sexuelle Nötigung gemäß § 177 des Strafgesetzbuches (StGB) in Deutschland betrachtet werden. Der Tatbestand der sexuellen Nötigung kann mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet werden. In schweren Fällen auch mit einer höheren Freiheitsstrafe.
Darüber hinaus kann das Entfernen eines Kondoms auch als Betrug gemäß § 263 StGB betrachtet werden, wenn die betroffene Person mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt oder schwanger wird. Es wird empfohlen, im Falle von Stealthing unbedingt rechtlichen Rat von Rechtsanwälten einzuholen.
Auch interessant: Margot Robbie: „Ich wusste nicht, wie man sexuelle Belästigung definiert“
Upskirting ist alles andere als harmlos
Sucht man den Begriff „Upskirting“ bei Google, leitet einen die Suchmaschine direkt auf pornografische Seiten weiter. Und genau darin liegt das Problem. Denn auch Upskirting ist eine Form von sexueller Belästigung, bei der jemand heimlich Fotos oder Videos von intimen Körperbereichen einer Person macht. Meistens indem er oder sie eine Kamera oder ein Smartphone ohne Einwilligung unter die Kleidung hält. Der Begriff selbst leitet sich von der Tatsache ab, dass die Täter oder Täterinnen oft von unten nach oben fotografieren, um einen Blick unter den Rock oder das Kleid der betroffenen Person zu erhaschen.
Upskirting wird als Verletzung der Privatsphäre und der sexuellen Selbstbestimmung betrachtet und kann schwerwiegende Auswirkungen auf die betroffene Person haben, darunter Scham, Demütigung, psychische Belastung und traumatische Erfahrungen. In einigen Ländern, einschließlich einiger Bundesstaaten in den USA, Großbritanniens und Kanadas, wurde spezifische Gesetzgebung eingeführt, um Upskirting als eigenständiges Verbrechen oder Vergehen zu behandeln und strafrechtlich zu verfolgen.
In Deutschland Catcalling bald strafbar? „Verbale sexuelle Belästigung“ soll nicht mehr ohne Auswirkungen bleiben
STYLEBOOK-Umfrage Waren Sie schon Opfer von „Catcalling“?
#audioleaks Darum teilen Frauen auf Social Media Sprachnachrichten des Ex
Upskirting trotz fehlendem Gesetz auch in Deutschland strafbar
In Deutschland ist Upskirting nicht als eigenständiger Straftatbestand im Strafgesetzbuch (StGB) verankert. Es fällt je nach Umstand unter bestehende Gesetze und wird entsprechend bestraft. Upskirting kann als Verletzung der Intimsphäre oder als Verletzung des Rechts am eigenen Bild betrachtet werden. Nach deutschem Recht können solche Handlungen unter mehreren Straftatbeständen des StGB erfasst werden, darunter insbesondere:
- § 201a StGB: Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen: Dieser Paragraf verbietet das Anfertigen und Verbreiten von Bildaufnahmen von Personen, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befinden, ohne deren Einwilligung. Die Verletzung dieser Vorschrift kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden.
- § 201b StGB: Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen: Dieser Paragraf verbietet das Herstellen von Bildaufnahmen von Personen, die sich in einem nicht öffentlich zugänglichen Raum befinden und ein Bild von deren unbekleidetem oder nur teilweise bekleidetem Intimbereich oder Busen zeigt, ohne deren Einwilligung. Die Verletzung dieser Vorschrift kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden.
- § 201c StGB: Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen: Dieser Paragraf verbietet das Herstellen, Übertragen oder Verbreiten von Bildaufnahmen von Personen, die in einer geschlechtsbezogenen Situation abgebildet sind, ohne deren Einwilligung. Die Verletzung dieser Vorschrift kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden.
Quellen