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Experte erklärt: »Die Netflix-Serie ‘The Crown’ stereotypisiert Frauen 

Queen Elizabeth II. vor blauem Hintergrund
In der Serie „The Crown“ wird das Leben der britischen Royals verarbeitet. Warum dabei überwiegend weibliche Stereotype zu sehen sind, erklärt ein Experte. Foto: Getty Images
freie Autorin bei STYLEBOOK

15. November 2023, 6:13 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Sie war die am längsten regierende Monarchin der Geschichte: Queen Elizabeth II. Und genau diesem bewegten Leben widmet sich die Netflix-Serie „The Crown“, die nun in die finale Staffel startet. Neben der Queen haben auch Princess Diana, Camilla und Prinzessin Kate ihren Auftritt. Doch wer auf starke feministische Positionen hofft, wird bei „The Crown“ nur teilweise fündig. Wieso das so ist, hat STYLEBOOK bei einem Experten nachgefragt. 

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70 Jahre und 214 Tage – so lange war Queen Elizabeth II. auf dem britischen Thron. Länger als jede andere Königin und König. Zu Lebzeiten musste sich die Britin mit einigen starken Männern messen: Bis auf Liz Truss, Theresa May und Margaret Thatcher waren alle Premierminister Großbritanniens männlich. Woche für Woche musste sie sich neben gestandenen Politikern wie Winston Churchill beweisen, auch der Rest der Weltpolitik und ebenso das britische Königshaus sind eher männlich dominiert. Heißt, eigentlich müsste „The Crown“ nur so strotzen vor feministischen Positionen.

Prinzessin Diana – ein tragisches und zugleich atemberaubend schönes Opfer?

Aktuell ist auf Netflix der erste Teil der finalen sechsten Staffel zu sehen, welche die Jahre zwischen 1997 und 2005 behandelt. Fans der Royals horchen auf – denn eben jene Jahre gelten als äußerst turbulente im britischen Königshaus. So starb Diana Princess of Wales, damals bereits die Ex-Frau des jetzigen Königs Charles III., am 31. August 1997. Ein einschneidendes Erlebnis für eine gesamte Generation. Schließlich war Diana eine schillernde Figur der Popkultur, schon zu ihren Lebzeiten.  

Viele sahen sie als Opfer eines kaltherzigen und berechenbaren Königshauses unter Führung der Queen – und genauso, nämlich als tragisches und zugleich atemberaubend schönes Opfer wird Diana auch in „The Crown“ in Szene gesetzt. 

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Netflix-Drama „The Crown“: Die Serie stereotypisiert Frauen 

Genau das ist unter anderem ein Problem in einer ansonsten ziemlich gelungenen sowie gut recherchierten Serie. „The Crown“ bedient sich jeder Menge weiblicher Klischees: angefangen bei der Mutter über der Intrigantin bis hin zur Heldin. Die Serie nutzt seit Staffel eins klassische Frauenbilder für eine dramatische Falltiefe – und zeigt bis auf wenige Ausnahmen erstaunlich wenig Modernität. Ist das allein der Tatsache geschuldet, dass sie historische Inhalte behandelt oder Absicht? Jörn Precht, Professor für transmediales Storytelling an der Hochschule der Medien Stuttgart, meint, dass das in der Natur der Sache liege und Stereotypen deswegen immer wieder auch in modernen Drehbüchern Einzug finden. 

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Serien und Filme dramatisieren Inhalte und müssen dafür die Realität verdichten, um Spannung zu erzeugen. „Anders als in der komplexen realen Welt haben Charaktere in bestimmten fiktionalen Genres bestimmte Funktionen“, erklärt Precht im Gespräch mit STYLEBOOK. Um diese Funktion den Zuschauern möglichst direkt zu veranschaulichen, nutzen Drehbuchautoren immer wieder Stereotypen und vereinfachen so komplexe Charaktere. Das ist dann auch der unschöne Grund, wieso weiblichen Figuren häufig unschöne Attribute wie „hysterisch“ oder „zickig“ zugeschrieben werden. Bei „The Crown“ komme noch eine weitere Besonderheit hinzu, so der Filmwissenschaftler. 

„Im konkreten Fall kommt erschwerend hinzu, dass das britische Königshaus an sich ja schon eine Inszenierung von archetypischen Rollenbildern darstellt“, sagt er. Diese Rollenbilder wurden über die Jahre hinweg auch in der Öffentlichkeit regelrecht inszeniert. Diana ist dafür ein besonders gutes Beispiel. „Sie hat ihr Bild durch ihre Enthüllungsinterviews schon auch selbst mitgestaltet. Natürlich waren auch in ihrer eigenen Darstellung ihrer Ehe und der Behandlung durch das Königshaus gut-böse-Klischees enthalten“, meint Precht. 

Genau auf diese bekannten Erzählungen greift „The Crown“ zurück 

Dabei gehen viele Zwischentöne, die eine Serie auch bereichern können, flöten. So empfindet Precht die Darstellung der Queen über alle Staffeln hinweg eher als stoisch und kühl – eine kalkulierte Regentin eben. „Das entspricht gewiss der Wirklichkeit, der Humor des realen Vorbilds kommt meines Erachtens jedoch zu kurz“, findet er. In jedem Film beziehungsweise jeder Serie gibt es auch Figuren, mit denen der Zuschauer mehr sympathisieren soll – und um das zu erreichen, braucht es Gegenspieler. 

Bei „The Crown“ bekommt diese undankbare Rolle vor allem Camilla Parker Bowles zugeteilt. „Zumindest anfangs ist ‚The Crown‘ vollkommen Dianas öffentlicher Perspektive gefolgt und hat Camilla als weniger attraktive und rücksichtslose Ehemann-Diebin dargestellt“, erklärt Precht. Das werde dem realen Menschen nicht wirklich gerecht. So setze sich Camilla seit über zwanzig Jahren für die Bekämpfung von Osteoporose ein, an deren Folgen ihre Mutter und ihre Großmutter starben. Zudem unterstützt sie Organisationen, die sich für Bildung, Obdachlose, Kriminalitätsopfer, Kinder, Tierschutz und Frauenrechte einsetzen. Eine herzlose Frau würde wohl anders handeln. 

Doch es gibt auch positive Narrative in der Queen-Serie 

Interessant wird es zu sehen sein, wie sich Camillas Rolle in der nun letzten Staffel der Serie weiter gestaltet – und auch wie neue weibliche Charaktere, wie etwa Kate Middleton als Lebensgefährtin von Kronprinz William eingeführt werden. Grundsätzlich findet der Filmwissenschaftler jedoch, dass „The Crown“ an vielen Stellen auch Beispiele für sehr gut ausgezeichnete Frauenrollen liefert. Der klare Vorteil von Serien sei es schließlich, mehr Zeit zu haben und so auch facettenreiche Charakterdarstellung und Entwicklungen zu erzählen. „In ‚The Crown‘ kam das meiner Meinung nach besonders der schön komplex dargestellten Schwester der Königin, Margaret, zugute“, findet er. 

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Eine Serie ohne ‚Male Gaze‘?

Auch bei Diana gebe es zwischenzeitlich gelungene Momente, in denen sie nicht nur die tragische Leidtragende einer Verschwörung ist: „Meine Lieblingsszene mit Diana war jene, in der sie Dodis Vater kennenlernt. Da wirkte sie clever, charmant, reflektiert, humorvoll und brach aus dem Opfer-Klischee aus.“ Immerhin löst sich „The Crown“ von dem früher üblichen ‘Male Gaze‘. Ein Begriff, den die Filmkritikerin Laura Mulvey in den 1970er-Jahren geprägt hat. „Gemeint ist der heterosexuelle männliche Blick des Filmemachers auf eine weibliche Filmfigur, also ein zumeist begehrlicher Blick. Darin liegt natürlich Bewunderung, aber eben primär für die äußeren Attribute, daher wird die Frau hier zum Objekt“, erklärt Precht. 

Inzwischen findet aber auch immer häufiger in Filmen, Serien, aber auch der Werbung der umgekehrte Fall statt: Der männliche Körper wird objektiviert, etwa wenn die Kamera lange auf den muskulösen Oberkörpern folgt. Als Beispiel nennt der Film- und Medienwissenschaftler Filme wie „Twilight“ oder die Serie „Outlander“.

„Ob dies aber eine wirkliche Änderung ist, muss hinterfragt werden, denn oft sind es auch hier männliche Filmemacher, die ihre Geschlechtsgenossen anregend präsentieren – zum Zwecke des Lustgewinns bei der Profit bringenden weiblichen Zuschauerschaft“, so Precht. So ganz ohne Klischees werden Filme und Serien also wohl auch in Zukunft nicht auskommen – ganz egal, um welches Geschlecht es geht. 

Themen Female Empowerment Prinzessin Kate Royals
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