6. September 2024, 14:32 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Den Begriff „toxische Beziehung“ hört man immer häufiger. Man könnte sagen, er wird fast inflationär benutzt. Aber was genau bedeutet es eigentlich, in einer toxischen Partnerschaft zu stecken? Spoiler: Mit giftigen Stoffen hat dies nichts zu tun, sondern eher mit ungesunden Attitüden. STYLEBOOK klärt auf und nennt typische Anzeichen, die darauf hindeuten können, dass die Mechanismen und Abläufe in Ihrer Partnerschaft toxisch sind.
„Toxische Beziehung“ ist besonders in den sozialen Medien ein geflügeltes Wort geworden. Obwohl es dafür eigentlich keine offizielle Definition gibt, kann man anhand verschiedener Anzeichen erkennen, ob die eigene Beziehung davon betroffen ist. STYLEBOOK sprach mit der Paartherapeutin Susanne Brümmerhoff über die Warnzeichen.
Übersicht
Was ist eine toxische Beziehung?
Als toxische Beziehung bezeichnet man eine Verbindung, in der einer der Partner (das „Opfer“) sich in eine Art Abhängigkeit begibt und es zu Manipulation und Demütigungen kommt. „Charakteristisch ist ein Machtungleichgewicht zwischen den Partnern“, erklärt dazu Paartherapeutin Susanne Brümmerhoff. Weiter seien toxische Beziehungen durch extreme Hochs und Tiefs gekennzeichnet.
Unterschied zwischen toxischer und ungesunder Beziehung
Eine schlecht laufende ist noch lange keine toxische Beziehung, so Brümmerhoff. „In einer normalen Beziehung kann es schon einmal vorkommen, dass man sich etwas Beleidigendes an den Kopf wirft. Manchmal will man sich auch gezielt verletzen, weil man selbst wütend ist und sich nicht im Griff hat.“
Wenn jedoch gezielte Beeinflussung dazu kommen und einer der Partner (der „Täter“) aktiv versucht, den anderen zu ändern oder zu demütigen, ist Vorsicht geboten. Und: „Sobald Gewalt im Spiel war, spreche ich generell von einer toxischen Beziehung, und nicht mehr von einer ungesunden“, so die Beziehungsexpertin.
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Das sind typische Anzeichen
Typisch für eine toxische Beziehung sei ein rasanter, intensiver Start. Das Paar kommt sich rasch nah und zieht auffällig früh zusammen, was vorwiegend durch einen der Partner initiiert wird. Dieser ist es auch, der später der dominierende (der Täter) sein wird.
Love Bombing
Brümmerhoff erwähnt zudem den Begriff des „Love Bombing“. Der dominierende Partner beginnt sehr früh damit, den anderen mit Liebe und Aufmerksamkeit förmlich zu überschütten. Hier erklärt sich der typische Mechanismus einer toxischen Beziehung. Personen, die empfänglich für die Einnahme der Opferrolle sind, haben laut Brümmerhoff in früheren Beziehungen oft schlechte Erfahrungen gemacht und daher Probleme mit ihrem Selbstwert. Die plötzliche, enorme Hingabe lässt sie glauben, endlich den Partner fürs Leben gefunden zu haben.
Doch die Liebesschwüre, das Kümmern und große Interesse lassen typischerweise nach etwa drei Monaten abrupt nach, so Brümmerhoff. Stattdessen ziehen sich Nörgeleien, Kritik und Missachtung durch die toxische Beziehung – bis der dominierende Partner zwischendurch spontan entscheidet, doch wieder aufmerksam und liebevoll zu sein. Dies kann sich aber genauso plötzlich wieder ändern. Es passiere auch, dass er sich für mehrere Tage nicht meldet und selbst nicht erreichbar ist.
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Beziehungsqualität hängt von Laune des „Täters“ ab
Ein weiterer Hinweis auf eine toxische Beziehung kann es sein, wenn nur noch der dominierende Partner beeinflusst, wie es in der Partnerschaft läuft. Wenn das Verhalten des „Opfers“ keine Rolle mehr für den Umgang untereinander spielt, sondern einzig die individuellen Bedürfnisse und Befindlichkeiten des „Täters“. Dieser zeigt dabei kein Unrechtsbewusstsein, sondern fühlt sich im Recht und lehnt es ab, sich zu entschuldigen.
Sorge im Umfeld
Brümmerhoff empfiehlt Menschen, die fürchten, in einer toxischen Beziehung zu stecken, den Eindruck ihres Umfelds ernst zu nehmen. Wenn Freunde und Familie nicht mehr verstehen können, warum sie sich so behandeln lassen, „oder wenn man sich gar nicht mehr traut, mit Dritten über die eigene Beziehung zu sprechen, sollte man sich dringend Hilfe holen“.
„Toxische Menschen“ gibt es nicht
Fachleute sprechen bei Eigenschaften, die Laien vielleicht als „toxisch“ bezeichnen würden, von Merkmalen einer narzisstischen Persönlichkeit. Dazu zählen beispielsweise Egoismus und Selbstbezogenheit sowie die Neigung, andere entwertend und verachtend zu behandeln.
Obgleich Narzissten im Beziehungskontext oft die Täter darstellen – sind sie häufig auch ein individuelles Opfer ihres persönlichen Leids, das sie zu dem gemacht hat, was sie sind. Es ist sinnvoll, sie in ihrem Fehlverhalten zu bremsen und aktiv Hilfe anzubieten.
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Wie findet man den Weg aus einer toxischen Beziehung?
Eine toxische Beziehung ist nicht automatisch zum Scheitern verurteilt. Wenn beide Partner gewillt sind, sich damit zu konfrontieren und etwas an der zerstörerischen Situation zu verändern, kann eine Therapie helfen.
Tipp: Einzel- statt Paartherapien
Sollte sich herausstellen, dass ein Paar in einer toxischen Beziehung steckt, rät Brümmerhoff zu getrennten Behandlungen statt einer klassischen Paartherapie. „Die Täter müssen sich damit auseinandersetzen, warum sie diese quälerische Verhaltensweisen nötig haben“, so die Expertin, „wie dies auf ihr Umfeld wirkt und wie sie es ändern könnten.“ Ebenso sollten die Opfer toxischer Beziehungen in einer Therapie hinterfragen, warum sie in eine derartige Abhängigkeit rutschen konnten, und Wege finden, dies in Zukunft zu vermeiden.
Die Notbremse ziehen
Manchmal führt der Weg an einer Trennung nicht vorbei. Etwa wenn der Narzisst nicht bereit ist, an sich und seinem Fehlverhalten zu arbeiten. Experten raten Opfern, den Kontakt zum Täter komplett einzustellen, um nicht Gefahr zu laufen, sich wieder auf eine Annäherung einzulassen. Denn nicht nur Liebesbeziehungen, sondern auch freundschaftliche Verbindungen können toxische Züge haben.
Die Neigung, in eine Abhängigkeit zu rutschen, sollte auch unabhängig von dem Beziehungsstatus therapiert werden. Nur so kann das eigene, selbstzerstörerische Verhaltensmuster dauerhaft vermieden werden.