27. August 2019, 8:19 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Anke Schmidt hatte genug von der Wegwerfkultur und lebt seit nunmehr drei Jahren ohne Verpackungsmüll. Ihre Mission: Als „Wateless Hero“ aufzuzeigen, dass es gar nicht so schwer ist, Plastik & Co. aus dem Alltag zu verbannen. Ein Interview über Nachhaltigkeit, Umdenken und das gute Gefühl, unnötigen Ballast abzuwerfen.
Laut dem Umweltbundesamt produziert jeder Deutsche pro Jahr über 220 Kilo Verpackungsmüll – eine Zahl, die alarmiert. Aber welche Wege gibt es, diese Riesen-Menge zu reduzieren, ohne dass dabei Lebensqualität flöten geht und unser Alltag unglaublich kompliziert und anstrengend wird? Diese Frage stellte sich die Kölnerin Anke Schmidt bereits vor sechs Jahren, vor drei Jahren beschloss sie dann, das Thema richtig anzugehen. Seitdem dokumentiert sie ihr „Zero-Waste-Projekt“ aka „Wasteless Hero“ auf Instagram, Youtube und ihrem Blog. STYLEBOOK erzählt die 32-Jährige ihre Erfahrungen. Kleiner Spoiler vorweg: Ohne Verpackungsmüll ist das Leben im wahrsten Sinne des Wortes eines: leichter.
Was war der Auslöser, der zu deinem Entschluss führte, ein „Wasteless Hero“ zu werden?
Als ich von der österreichischen Familie Krautwaschl hörte, die 2010 mit die ersten waren, die das Plastikfrei-Experiment wagten, fing ich an, mehr und mehr über das Thema nachzudenken. Mit der Zeit wurde mir immer bewusster, dass überall Plastik ist, dass alles in Plastik verpackt ist. Zunächst haben mein Freund und ich versucht, unseren Verbrauch nur zu reduzieren, doch dann beschlossen wir, dass wir das jetzt richtig durchziehen wollen.
Bei welchen Situationen ist dir das Vermeiden überraschend leicht gefallen, wann war es besonders schwer?
Super einfach war es für uns, im Badezimmer zu starten. Ein festes Seifenstück statt Flüssigseife, festes Shampoo, das ohnehin viel besser für die Haare ist und Zahnputz-Tabletten statt Zahnpasta. Und ganz einfach die alte Plastikzahnbürste gegen eine aus Bambus austauschen. Das alles bieten mittlerweile Unverpackt-Läden an, die es zum Glück in immer mehr Städten gibt. Die Küche und der Kühlschrank dagegen stellten eine größere Herausforderung dar. Besonders das Frühstück, weil wir so gerne Frischkäse essen und den gab es damals noch nicht ohne Verpackung.
Und was ist zum Beispiel mit Klopapier oder Sonnencreme?
Wir nutzen eine Podusche. Die ist richtig super und viel gründlicher. Alternativ kaufen wir Recycling-Klopapier aus Bambus. Sonnencreme brauchen wir kaum noch, weil wir beschlossen haben, uns möglichst nicht mehr der prallen Sonne aussetzen. Unser Baby bekommt trotzdem eine, allerdings mineralienbasiert aus dem Bioladen. Mittlerweile bieten auch Unverpackt-Läden Sonnencreme zum Abfüllen in mitgebrachte Behälter ab. Und was Windeln betrifft: Ich benutze Stoffwindeln wie viele Mütter-Generationen vor mir auch. Der Effekt dabei ist nicht nur weniger Müll, sondern wir sparen auch sehr viel Geld.
Um mal auf ein Lady-Thema zu kommen: Was ist dein Favorit – Moon-Cup oder Menstruation-Schlüpfer?
Beides ist super, ich nutze aber doch mehr die Menstruations-Tasse. Der Vorteil bei den Schlüpfern ist, dass ich nicht mehr so viel übers Wechseln nachdenken muss, allerdings sind sie auch nicht ganz billig.
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Welche Beauty-Produkte stellst du mittlerweile selbst her? Und hast du das Gefühl, dass sie der Haut besser tun als herkömmliche Drogerie-Produkte?
Mein Deo mache ich aus drei Zutaten: Natron, Limettenöl und Wasser (hier geht’s zur Anleitung). Für die Haare verteile ich als Kur ein wenig Olivenöl in die Spitzen, meine Peelings mische ich ebenfalls selbst. Es braucht ein wenig Umgewöhnungszeit, aber ich habe das Gefühl, dass Haut und Haare ohne die vielen unnötigen Zusatzstoffe, die ja in Drogerieprodukten sind, viel gepflegter und gesünder sind.
Gibt es irgendein Produkt, das als herkömmliche „Plastik-Variante“ der müllfreien Alternative immer noch überlegen ist?
Haare färben! Ich habe es versucht, aber es geht nicht ohne Plastik und Verpackung, und auf meine roten Haare möchte ich einfach nicht verzichten. Bei Kinderspielzeug ist es auch schwierig, es wäre ja auch Quatsch, die Sachen, die bereits da sind, wegzuwerfen.
Was sind deine Anfängerinnen-Tipps für zukünftige Wasteless Heros?
Erst einmal alles wie Shampoo und Spülung aufbrauchen und dann nach und nach ersetzen. Und sich die Zeit nehmen, sich zu selbst fragen: Was kann ich ohne Plastik kaufen? Die Unverpackt-Läden machen es einem da mittlerweile ziemlich leicht. Daneben sollte man sich angewöhnen, Obst und Gemüse auf dem Wochenmarkt statt im Supermarkt zu kaufen. Immer zwei Stoffbeutel dabei haben, auch für die Brötchen vom Bäcker, eine Blechdose, ein Stofftaschentuch sowie Trinkflasche – das sind die wichtigsten Gadgets. Und der wirklich leichteste Schritt: einen „Keine Werbung“-Aufkleber auf den Briefkasten pappen.
Neben viel weniger Müll – wie hat dich dein „Wasteless Hero Projekt“ persönlich verändert?
Ich bin selbstbewusster geworden, weil ich dafür einstehe, was ich tue. Und ich bin freier. Viele fragen mich: Hast du nicht das Gefühl, auf etwas zu verzichten? Nein, im Gegenteil, ich lebe mit viel weniger Ballast, muss weniger zeitraubende Entscheidungen fällen. Außerdem lebe ich bewusster. Bewusster dafür, welche Auswirkungen mein eigenes Verhalten hat. Ich habe gemerkt, wie achtlos ich vorher konsumiert habe und wie normal ich das fand. Das Wasteless-Leben fühlt sich auf jeden Fall viel besser an. Und noch etwas: Es ist gar nicht nötig mit erhobenen Zeigefinger durch die Welt zu gehen und Überzeugungsarbeit zu leisten, die allermeisten Menschen wissen bereits, wie problematisch der ganze Müll ist. Es hapert nur an der Umsetzung und so kommen viele von ganz allein auf mich zu und fragen um Rat. Und darum geht es mir schließlich.