22. Januar 2021, 4:46 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Eigentlich fällt mir nicht mehr viel ein in diesem gerade erst frisch gestarteten Jahr. Ich weiß nicht mal mehr, in welcher Lockdown-Woche wir uns befinden. Homeoffice, Homeschooling, Notbetreuung, Verwahrlosung, Langeweile – alles alte Hüte. Und dennoch: Irgendwas fühlt sich diesmal anders an. Eine Mutter berichtet.
Die Tage laufen immer gleich ab. Heizung hochdrehen, Arbeiten ab 6 Uhr morgens am Schreibtisch im Schlafzimmer, Kinder wecken, um 7.45 Uhr die erste Video-Klassenkonferenz in der Hoffnung, dass der virtuelle Lernraum heute nicht zusammenbricht. Hausaufgaben checken, rumschreien, Glotzerlaubnis erteilen, weil alternativlos, überlegen, was es zum Mittagessen gibt. Und später dann zum Abendessen. Nudeln, Nudeln oder doch Nudeln? Überhaupt ist essen eines der wenigen Highlight in diesen trüben Januar-Tagen. Und wenn’s nur wieder Nudeln sind.
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Ein Januar ohne Lichtblick
Generell mochte ich den Januar noch nie. Der Weihnachtsglamour ist weg, bleibt eine graue Trübnis mit lieblos hingeworfenen Tannenbäumen auf den Gehwegen, die irgendwie unendlich scheint. Früher (in einem anderen Leben?) habe ich in diesen ersten Wochen des neuen Jahres oft Resturlaub genommen und bin in die Sonne geflüchtet – eine Vorstellung, die aktuell so fern zu sein scheint wie der Pluto. Wann haben wir das letzte Mal die Stadt verlassen und was anderes gesehen? Ich erinnere mich nicht mehr. Robbie Williams hat sich im Familienurlaub auf St. Barths mit Covid-19 angesteckt. Nicht mal mehr mein Karibik-Paradies-Sehnsuchtsziel ist seuchensicher. Eine harte Erkenntnis.
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Die Kinder als Lockdown-Natives
Lockdown Nummer 2 zehrt, die Kräfte sind futsch. Gleichzeitig funktioniere ich ergeben und so rauschen die Tage durch. Wie Schwimmen im Meer mit wechselndem Wellengang ohne Ziel. Die Kinder kommen dabei erstaunlich gut klar, Lockdown-Natives quasi. Die Kleine bringe ich an drei Tagen für ein paar Stunden in die Kita, die Normalität tut ihr gut. Die Große erledigt die Hausaufgaben so schnell wie möglich, um ganz legitim vom Lernraum wieder auf Youtube umsteigen zu können. Am Ende sind die Tage für sie extrem überschaubar, keine Unwägbarkeiten, keine anstrengenden Zickereien mit den Freundinnen in der Schule.
Bleibt das schlechte Gewissen, das ich derzeit bei so vielen Dingen habe. Das Abwägen, ob ein Treffen auf dem Spielplatz ok ist oder nicht. Ob die Große eine Freundin sehen kann oder nicht. Schließlich soll das alles ja irgendwann ein Ende haben, aber gleichzeitig müssen wir gucken, dass wir nicht durchdrehen. Ein schmaler Grat, und ich finde, in dieser Hinsicht wird uns allen derzeit richtig viel abverlangt. Loungewear, Facetime-Telefonieren und No-Make-up sind längst nicht mehr crazy, sondern einfach nur noch nervig. Ich bin gelangweilt von meiner eigenen Leier, Telefonate mit Freunden fallen deutlich kürzer aus als noch im Frühling, nicht selten lasse ich das Festnetz durchklingeln. Es gibt einfach nichts zu erzählen.
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Wir werden tanzen!
Ganz langsam werden die Tage länger, ein Hoffnungsschimmer. Lockdown 1 punktete von Anfang an mit Sonnenschein, das machte es erträglicher. Im Moment fühlt es sich wie ein schlichtes Durchhalten an, ein Hieven von Tag zu Tag zu Tag. Beim nächtlichen Netflixen bleibe ich bei einer Szene hängen, die schwitzende Menschen im Club beim Tanzen zeigt, Körper an Körper im zuckenden Blitzlicht. Dieses Gefühl, mit einem vollen Whiskey-Cola-Glas an nasse T-Shirt-Rücken zu stoßen, scheint so weit weg und ist dennoch sofort abrufbar. Wir werden wieder tanzen, das steht fest. Irgendwie, irgendwo, irgendwann.