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Meinung

4 Gründe, die Beauty-Industrie viel stärker zu hinterfragen

Beauty-Industrie
Make-up ist toll, aber es hat auch eine Schattenseite Foto: Getty Images
Freie Redakteurin

9. Juli 2021, 6:46 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Für viele ist die tägliche Beauty-Routine ein Ritual, das Selbstbewusstsein gibt und hilft, sich schöner zu fühlen. Doch „schön“ ist die Beauty-Industrie nicht – ganz im Gegenteil: Ein Appell an Verbraucher*innen, der Branche kritischer gegenüber zu stehen. Denn die ist alles andere als gesund, findet STYLEBOOK-Redakteurin Katharina Kunath.

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Make-up ist etwas Wundervolles. Es hilft seinen Träger*innen, sich schöner und stärker zu fühlen. Es hilft, Dinge zu betonen, die wir an uns mögen und genauso, vermeintliche Makel wezuschminken, die wir mit niemandem teilen möchten. Aber Make-up ist auch eine riesige Industrie: Im Jahr 2020 lag der Umsatz mit Kosmetik- und Körperpflegeartikeln laut Statista alleine in Deutschland bei rund 14,9 Milliarden Euro. Dass dabei nicht alles, was glitzert, Gold ist, liegt nahe. Doch während in der Mode Nachhaltigkeit und bewusster Konsum bereits diskutiert werden, wird die Beauty-Industrie von Verbraucher*innen noch viel zu wenig hinterfragt. Deswegen mache ich das mal – mit vier Thesen.

Wer will sich schon täglich schädliche Inhaltsstoffe ins Gesicht schmieren?

Wasserfeste Mascara, Long-Lasting-Lippenstift, 24-h-Foundation – die meisten Beauty-Produkte sind darauf angelegt, möglichst lange zu halten, möglichst gut abzudecken und hochpigmentiert zu sein. Doch welche Inhaltsstoffe machen den Lippenstift cremig, den Lidschatten knallbunt und die Wimperntusche wischfest? Das ist für Verbraucher*innen gar nicht so einfach ersichtlich.

Wie dringend eine stärke Auseinandersetzung mit Inhaltsstoffen nötig ist, zeigen immer wieder neue Erhebungen und Untersuchungen, etwa von Stiftung Warentest oder Ökotest. In ihnen stellt sich immer wieder heraus, dass viele Pflege- und Kosmetikprodukte auf dem deutschen Markt hormonell wirksame Chemikalien enthalten. Auch bedenkliche Duftstoffe und schwer abbaubare Chemikalien, die teilweise als potenziell krebserregend eingestuft werden, finden sich in Kosmetika. Und die schmieren wir uns nicht nur täglich auf das Gesicht, ohne darüber nachzudenken, was das mit unserem Körper macht – sondern spülen sie beim Abschminken auch fleißig ins Abwasser. Von dort aus landen sie dann in der Natur.


Was hilft?

Auf zertifizierte Naturkosmetik setzen und herkömmliche Beauty-Artikel vor dem Kauf auf Schadstoffe prüfen. Das geht beispielsweise mit speziellen Scan-Apps, die genau anzeigen, ob ein Produkt bedenkliche Stoffe enthält.

Auch interessant: Sind die Inhaltsstoffe in meiner Kosmetik schädlich?

Aufwändige Verpackungen und Kosmetikbehandlungen machen die Beauty-Industrie zum Abfall-Monster

Was bringt uns dazu, ein Kosmetikprodukt oder ein Parfum in die Hand zu nehmen? Meist eine schöne, aufwändige Verpackung – die aber, ist das Beauty-Produkt aufgebraucht, im Müll landet. Und bei den kleinen Mengen, in denen die meisten Produkte verkauft werden, kommt so über ein Jahr verteilt ganz schön viel Abfall zusammen. Die aller wenigsten Kosmetika werden in nachhaltigen Verpackungen oder sogar unverpackt verkauft. Und das ist nicht der einzige Faktor, der für viel Müll sorgt: Auch ein weiterer Zweig der Beauty-Industrie – Behandlungen wie Blondierungen, Wimpenextensions und Acrylnägel – ist alles andere als nachhaltig, was den Einsatz von Chemikalien und den dabei produzierten Abfall angeht.

Was hilft?

Weniger kaufen. Bei den liebsten Beauty-Produkten große Größen wählen, um Verpackungsmüll zu sparen. Auf eine natürliche Maniküre statt auf Acrylnägel setzen und bei Fake Lashes lieber welche in Form eines Wimpernbands, denn Einzelwimpern oder Wimpernextensions wählen, denn das lässt sich einfacher entsorgen.

Menschliche Ausbeute und Tierversuche sind in der Beauty-Industrie Realität

Schon mal was von Mica gehört? Nein? Dann lohnt ein Blick in die Kosmetiktasche. Das glitzernde Mineral wird unter anderem für Lidschatten, Highlighter oder schimmernden Nagellack benutzt. Das Problem: Mica, im deutschen als Glimmer bekannt, stammt zum größten Teil aus chinesischen oder indischen Minen. In Indien liegen diese Mienen in sehr armen Regionen, in den Bundesstaaten Bihar und Jharkhand. Dort wird das Mineral zu einem Hungerlohn von Menschen geschürft, die bei der Minenarbeit ihr Leben riskieren. Schutzkleidung? Fehlanzeige. Schnittwunden, Schlangenbisse, Hautinfektionen, Atemwegserkrankungen und Verschüttungen sind dagegen an der Tagesordnung. Viele der in diesen illegalen Mienen eingesetzten Arbeitskräfte sind Kinder. Eine Studie von „Terre des Hommes“ aus dem Jahr 2016 schätzte die Zahl der Kinder in solchen Mienen auf rund 20.000.

Neben Kindern leiden auch immer noch Tiere für die Beauty-Industrie. Obwohl Tierversuche für kosmetische Produkte in Deutschland und der EU verboten sind, gilt das nur für Inhaltsstoffe, die ausschließlich in Kosmetik- und Pflegeprodukten zum Einsatz kommen. Das Problem: Viele Stoffe, die in Beautyprodukten enthalten sind, werden auch für andere Produkte genutzt – und fallen so unter das Chemikaliengesetz, über das Tierversuche weiterhin legitimiert sind.

Was hilft?


Kosmetikprodukte von Unternehmen wählen, die sich klar von Tierversuchen distanzieren – und die dementsprechende Siegel vorweisen. Online einsehbare Listen von Tierschutzorganisationen helfen, Beauty-Brands zu finden, die auf Tierversuche verzichten. Bei Glimmer wird es schon etwas schwieriger. Einige große Firmen, darunter Chanel, Claris, H&M, Sephora und The Body Shop haben sich zur Responsible Mica Initiative (RMI) zusammengeschlossen, die bis 2023 nur noch Glimmer aus legalen Minen kaufen möchte. Ob die Bedingungen dort wirklich viel besser sind? Lässt sich von Verbraucher*innenseite nicht überprüfen. Lush verzichtet bereits seit 2018 komplett auf natürliches Mica und nutzt stattdessen die synthetische Variante.

Auch interessant: Tierversuchsfreie Kosmetik erkennen – so geht’s!

Die Beauty-Industrie macht ihr Geld mit toxischen Schönheitsstandards

Und ein letzter, aber nicht zu vernachlässigender Punkt: Beauty-Produkte versprechen, ihre Konsument*innen schöner aussehen zu lassen – und setzen vor allem Frauen unter Druck: Sie sollen makellos hübsch sein (weiße Zähne, lange Wimpern, volle Lippen, reine Haut) und möglichst lange jung aussehen. Natürliches Altern ist in der Welt der Anti-Aging-Produkte verpönt. Westliche Schönheitsideale dominieren immer noch den Markt. Diversität dient in vielen Kosmetikunternehmen nur als Marketing-Tool.

Was hilft?

Einige wenige Unternehmen zeigen, dass es auch anders geht: Rihanna Kosmetikunternehmen Fenty Beauty zum Beispiel. Der Cast ist immer divers, bereits beim Launch 2017 gab es Foundation in vierzig verschiedenen Farbnuancen. Die war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft, zahlreiche Kosmetikfirmen stockten ihr Sortiment darauf hin auch um weitere Farbnuancen auf. Was das zeigt? Als Verbraucher*in kann man direkten Einfluss auf die Beauty-Industrie nehmen – und darauf, ob Unternehmen umdenken. Denn die sind auf die Kaufkraft angewiesen. Doch Achtung, auch wenn Rihanna mit Fenty Beauty in Sachen Diversität alles richtig macht, wurde dem Unternehmen Anfang 2021 vorgeworfen, Glimmer aus indischen Mienen zu benutzen, in dem Kinder ausgebeutet werden.

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Fazit

Öfter kritisch zu hinterfragen, was im Lieblingslippenstift enthalten ist, wie er hergestellt und beworben wird, ist nicht nur für die eigene Gesundheit wichtig, sondern auch für den sozialen Wandel. Das Beispiel Fenty Beauty zeigt allerdings, wie schwierig es ist, Kosmetikprodukte zu finden, die sich in keinem einzigen Punkt angreifbar machen – und wie wichtig es ist, sich genau dessen bewusst zu werden.

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