17. Oktober 2024, 14:41 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Hört man das Wort „Medusa“, kann man gleich an dreierlei Dinge denken: die Sage aus der griechischen Mythologie, eine Quallengattung sowie ein Piercing zwischen Nase und Oberlippe. Abbildungen von Ersterem lassen sich vermehrt als Tattoo entdecken. STYLEBOOK erklärt, warum hinter dem Medusa-Tattoo meist eine bestärkende Bedeutung steckt.
Tätowierungen können entweder aus rein ästhetischem Zwecke gestochen werden, oder sie tragen eine tiefgehende Bedeutung. Für viele vereint das Motiv des Medusa-Tattoos beide Gedanken. Das eigentliche Ungeheuer wird vor allem in feministischen Gruppen zu einem immer beliebteren Motiv. Denn neben der außergewöhnlichen Schlangen-Haarpracht ist primär das Schicksal der ehemaligen Schönheit äußerst tiefgründig.
Übersicht
Medusa-Tattoo hat für viele Frauen starke Bedeutung
„Wenn Blicke töten könnten …“, rührt wohl aus der Kraft der Medusa, ihre Opfer auf der Stelle mit ihren giftigen Augen zu Stein zu verwandeln. Doch nicht nur deswegen lassen sich viele Frauen die Abbildung der Kreatur aus der griechischen Mythologie stechen. Viel inspirierender als ihre tötenden Augen ist das retrospektiv betrachtet tragische Schicksal der Medusa.
Die Legende erklärt
Medusa war wunderschön, bis sie dem Meeresgott Poseidon zum Opfer fiel. In einigen Artikeln heißt es, sie sei „verführt worden“, andere sprechen von einer klaren Vergewaltigung, und wieder andere sagen, Poseidon hätte sich lediglich in sie verliebt. Er konnte der schönen Medusa „nicht widerstehen“. Klar ist auf jeden Fall nicht, ob diese Verführung und Liebe einvernehmlich stattfand.
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Medusa wurde von Athene bestraft
Dafür, dass sich Poseidon an Medusa verging, wurde sie bestraft. Sie hatte nämlich der Göttin Athene zuvor geschworen, „rein“ zu bleiben. Athene wurde so sauer, dass sie die im Tempel dienende Medusa in eine Gorgone verwandelte. So werden Kreaturen der griechischen Mythologie genannt, die entstellt und angsteinflößend waren.
Sie verwandelte Menschen in Stein
Ihr Antlitz wurde geprägt von gefährlichen Reißzähnen, einer gespaltenen Zunge und – das wohl markanteste Merkmal der Medusa – ein von Schlangen übersätes Haar. Doch eine Superkraft bekam sie, trotz ihrer Hässlichkeit. Die Gorgone konnte Menschen augenblicklich zu Stein erstarren lassen. Das Ende der Medusa prägte der Held Perseus, der sie tötete, indem er sie mit einem Spiegel enthauptete.
Die Bedeutung des Tattoos
Eigentlich als giftige Kreatur abgestempelt, wurde die Geschichte um Medusa auf zeitgenössischer Ebene neu interpretiert. Hierbei wird besonders die Begegnung mit Poseidon ins Auge gefasst. Von vielen wird diese als Vergewaltigung interpretiert. Dieser vermeintliche sexuelle Übergriff verwandelte Medusa zwar in ein „Ungeheuer“, gleichzeitig gewann sie an Stärke und war danach in der Lage, sich aktiv gegen neue Angriffe zu wehren.
Viele Opfer sexualisierter Gewalt sehen dies als Ansporn, sich die Medusa tätowieren zu lassen. Sie ist das Wappen jener, die versuchen, ihr Leben nach einem solchen Angriff erneut in den Griff zu bekommen. Die Medusa steht hier neben weiblicher Kraft auch für Macht und Schutz – Werte, die für Personen mit Traumata viel bedeuten können.
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Das Medusa-Tattoo für Überlebende
Im Netz findet sich häufig die Bezeichnung „survivors“, also Überlebende, als Personen, die ein Medusa-Tattoo tragen. Selbstverständlich gibt es genauso Menschen, die schlichtweg Fans des Motivs sind; aufgrund seiner Ästhetik oder der generellen Faszination für die Geschichte.
Viele Überlebende von Vergewaltigungen oder anderen sexistischen Gewaltakten ist innerhalb Medusas Biografie die Deutung der Begegnung mit Poseidon wichtig. Immer wieder werden schmerzvolle Erfahrungen von Frauen – sei es in fiktiven Welten, oder in der Realen – romantisiert. Heute noch ist es keine Besonderheit, wenn eine Vergewaltigung oder sogar ein Femizid als „Tat aus Liebe“ oder „Beziehungstragödie“ in den Medien beschönigt wird.
Wenn Sie sexualisierte Übergriffe erfahren haben, können Sie sich an das Hilfetelefon von LARA wenden. Unter der Nummer 030 216 88 88 haben Sie die Möglichkeit, hier werktags von 9 bis 18 Uhr anonym und vertraulich mit einer geschulten Mitarbeiterin über die Geschehnisse zu sprechen und sich beraten zu lassen.