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Tattoo Convention 2023

Sind prähistorische Tätowierungen wie vor Tausenden von Jahren der neueste Trend?

Prähistorische Tattoos entstehen mit Werkzeugen wie Feuerstein oder Knochen-Nadeln, mit denen die Haut zunächst angeritzt und im Anschluss die Farbe aufgetragen wird.
Prähistorische Tattoos entstehen mit Werkzeugen wie Feuerstein oder Knochen-Nadeln, mit denen die Haut zunächst angeritzt und im Anschluss die Farbe aufgetragen wird Foto: STYLEBOOK/Saskia Schneider
Saskia Schneider

6. November 2023, 19:46 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Auf der Tattoo-Convention in Berlin wurde dieses Jahr erstmals eine prähistorische Tattoo-Technik vorgestellt, die wahrscheinlich mehrere Tausend Jahre alt ist. STYLEBOOK war vor Ort und hat mit den beiden Entdeckern der Methode gesprochen.

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Auf der Tattoo-Convention in Berlin ist ein Geräusch ständiger Begleiter: das Summen der Tätowiermaschinen. Nur an wenigen Ständen fehlt es. Hier wird die Farbe per Hand unter die Haut gebracht. Diese traditionelle „Hand-Klopf-Methode“ wird bis heute in Polynesien praktiziert. Aber es ist scheinbar nicht die älteste. Aaron Deter-Wolf, prähistorischer Archäologe aus den USA, und Tätowierer Daniel Ridey aus Neuseeland haben an peruanischen Mumien untersucht, wie prähistorische Tattoos vor Tausenden vor Jahren entstanden.

BOOKs-Redakteurin Saskia Schneider war für STYLEBOOK für Ort und durfte bei der weltweit ersten Präsentation der neuen Methode auf der Tattoo-Convention in Berlin dabeisein. Wie die prähistorischen Tätowierungen genau entstehen und ob diese schmerzhafter sind als das Stechen konventioneller Tattoos, verrät STYLEBOOK in diesem Artikel.

Das Geheimnis der tätowierten Mumien

Fotoaufnahmen von Mumien zeigen deutliche Tätowierungen der Hände, die vermutlich 700– 1000 Jahre alt sind.
Fotoaufnahmen von Mumien zeigen deutliche Tätowierungen der Hände, die vermutlich 700–1000 Jahre alt sind. Foto: STYLEBOOK/Saskia Schneider

Schon vor Tausenden von Jahren verzierten sich Menschen mit Farbe unter der Haut ihre Körper. Wie alt genau diese Tradition ist, lässt sich nicht genau festlegen, sagt Aaron Deter-Wolf im Gespräch mit STYLEBOOK. Der Archäologe hat sich auf Prähistorik spezialisiert und peruanische Mumien untersucht. Die ältesten stammen vermutlich aus der Zeit von 900 bis 800 v. Chr., schätzt Aaron. Auf ihren Körpern fand er Spuren von Tattoos – oder sagen wir besser, auf bestimmten Körperteilen.

„Die meisten Mumien sind Mitbringsel oder Trophäen von europäischen Forschern aus der Kolonialzeit“, erzählt Aaron. „Diese nahmen überwiegend nur die Arme mit. Auf vielen sind die Tätowierungen mit bloßem Auge gar nicht mehr sichtbar. Daher haben wir Infrarotlicht eingesetzt, um die Muster wieder sichtbar zu machen. Das Verblüffende war, dass fast jede der Mumien tätowiert war.“

Die Frage, die sich dem Forscher dabei stellte, war, wie die Farbe damals in die Haut gebracht wurde. Denn die Mumien stammten zum Teil aus Zeiten, in denen es noch keine archäologischen Nachweise für Tattoo-Werkzeuge aus Metall gab.

Feuerstein-Klingen und Knochen-Nadeln

Bei der Lösung der Frage half ihm Daniel Ridey aus Neuseeland. Der Tätowierer beschäftigt sich mit prähistorischen Motiven und alten Tattoo-Techniken. Für Aaron probierte er am eigenen Leib verschiedene Methoden aus, wie man mit den Werkzeugen und Materialien, die den Menschen zu dieser Zeit zur Verfügung standen, Farbe unter die Haut appliziert.

Die Ergebnisse seiner Tattoo-Versuche verglichen die beiden dann mit mikroskopischen Aufnahmen der Mumien-Haut. So konnten sie beweisen, dass die Farbe in den Mumien-Tattoos nicht durch die bekannte Klopftechnik in die Haut gebracht wurde.

Diese Werkzeuge nutzten die Menschen vor Tausenden von Jahren, um Tattoos zu stechen: Klingen aus Feuerstein und Nadeln aus Knochen.
Diese Werkzeuge nutzten die Menschen vor Tausenden von Jahren, um Tattoos zu stechen: Klingen aus Feuerstein und Nadeln aus Knochen. Foto: STYLEBOOK/Saskia Schneider

So entstehen prähistorische Tattoos

Moderne Tattoos entstehen mit einer elektrischen Tätowiermaschine. Dabei wird die eingespannte Nadel zunächst in Farbe getaucht und dringt dann 800 und 3000 Mal pro Minute in die Haut ein. Auch bei Tattoos, die von Hand gestochen werden, wird die Farbe mit der Nadel unter die Haut gebracht.

Die prähistorische Tattoos entstehen etwas anders, wie uns Daniel auf der Konvention demonstriert. Hierbei kommen neben Nadeln aus Knochen auch Klingen aus Feuerstein zum Einsatz. Mit ihnen ritzt man zuerst die Haut an, danach wird die Farbe eingerieben und so in die frische Wunde in die Haut gebracht.

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Sind prähistorische Tattoos schmerzhafter?

Tatsächlich soll das Anritzen der Haut mit Steinklingen oder das Stechen mit Nadeln aus Knochen nicht schmerzhaft sein als „normale“ Tattoos, wie uns Natasha Billson versichert. Die Archäologin aus London ist extra nach Berlin gekommen, um sich auf der Convention ein prähistorisches Tattoo von Daniel stechen zu lassen – und nebenbei mit Aaron über die Bedeutung und Entstehung von Tattoos in der Menschheitsgeschichte einen Fachdialog zu führen.

Kennengelernt haben sich alle drei auf Social Media. Seit zehn Jahren wünscht sich Natasha ein Tattoo. Das Motiv stand für sie schon lange fest, aber über die Methode und Position war sie sich noch nicht sicher. Als sie von Daniel und Aaron erfuhr, war für sie klar: Das muss ich machen.

Die Archäologin Natasha billson ist extra aus London angereist, um sich ein Bison-Tattoo nach prähistorischen Methoden von Tätowierer Daniel Ridey stechen zu lassen.
Die Archäologin Natasha Billson ist extra aus London angereist, um sich ein Bison-Tattoo nach prähistorischen Methoden von Tätowierer Daniel Ridey stechen zu lassen. Foto: STYLEBOOK/Saskia Schneider

Prähistorische Symbole als Tattoo-Motive

Das Motiv ihrer Wahl: ein Bison. „Das ist ein sehr altes Motiv, welches wir in fast allen Gegenden der Welt in Höhlenmalereien, auf Keramik oder Stoffen finden“, erklärt sie. Als Vorlage dient eine prähistorische Abbildung, die ihr Daniel nun auf das linke Bein, kurz über den Knöchel tätowiert.

Daniel ist an diesem Tag nicht der einzige prähistorische Tätowierer. Er teilt sich den Stand mit Rhoda von Rhoda Tattoo, die ihr Studio in Berlin hat und seit Jahren Tattoos anbietet, deren Motive von prähistorischer Kunst inspiriert sind.

Fast fertig: Das Bison-Tattoo wurde nur mit prähistorischen Werkzeugen gestochen.
Fast fertig: Das Bison-Tattoo wurde nur mit prähistorischen Werkzeugen gestochen. Foto: STYLEBOOK/Saskia Schneider
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Prähistorische Tattoos durch „Wikings“ beliebt

Damals hätten die prähistorischen Motive nur wenige interessiert, erzählt Rhoda. Spätestens seit der vielen erfolgreichen Wikinger-Serien wie „Wikings“ oder „The Last Kindom“ habe sich das jedoch geändert. Alte Muster oder Schriftzeichen wie Runen, aber auch prähistorische Abbildungen sehe man seitdem immer öfter auf der Haut. Sowohl bei Wikinger-Begeisterten, als auch bei spirituell interessierte Menschen oder eben bei Archäologen.

Im Gegensatz zu Peru gibt es in Europa bisher nur eine bekannte Mumie mit Tätowierungen: den mehr als 5000 Jahre alten Ötzi, der 63 einfache Strichmuster auf dem Körper trug. Die Inspiration für die Motive nimmt Rhoda daher vor allem aus prähistorischen Zeichnungen, Höhlenwandmalereien aber auch Abbildungen auf Keramik, Gegenständen des täglichen Gebrauchs und Stoffen.

Der Archäologe Aaron Deter-Wolf lässt sich ein Wand-Motiv aus der Höhle von Lascaux in Frankreich von Hand tätowieren.
Der Archäologe Aaron Deter-Wolf lässt sich ein Wand-Motiv aus der Höhle von Lascaux in Frankreich von Hand tätowieren. Foto: STYLEBOOK/Saskia Schneider

Tatsächlich lassen sich auch die Tattoo-Motive und Muster der peruanischen Mumien auf Textilien wiederfinden, wie Daniel erklärt. So überrascht es nicht, dass der Archäologe sich am Ende der Messe selber unter die Nadel von Rhoda legt. Sein Motiv: Die Abbildung einer Speerschleuder mit Vogel-Motiv, das aus einer Wandmalerei der Höhle von Lascaux in Frankreich stammt. Die Bedeutung dahinter? „Keine Besondere“, verrät Rhoda. „Wir beide fanden das Motiv einfach lustig.“

Themen Tattoo
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