5. Januar 2024, 15:41 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
Fangen wir direkt mit einer erfreulichen News an: „The Body Shop“ ist jetzt der erste globale Kosmetikkonzern, welcher von der Vegan Society zu 100 Prozent als vegan zertifiziert wurde. Doch woran erkennt man als Käufer überhaupt vegane Produkte? Dies und welche kniffligen Fälle es gibt, lesen Sie bei STYLEBOOK.
Im Januar hört man oft den Begriff „Veganuary“ – ein Trend, der sich in den letzten Jahren durchgesetzt hat, der dazu auffordert im Januar auf tierische Produkte zu verzichten. Eine tolle Sache! Woran viele jedoch nicht denken: Unsere Kosmetik ist oftmals jedoch nicht vegan. Sei es, dass Bienenwachs verwendet oder an Tieren getestet wurde, die Liste der nicht-veganen Beauty-Produkte ist lang.
Was ist vegan?
Eine Frage, die vielleicht sehr offensichtlich erscheint, aber gar nicht immer so leicht zu beantworten ist. Oder wussten Sie, dass Feigen per se nicht vegan sind?
Definition von „vegan“
Veganismus ist eine Lebensweise, die darauf abzielt, tierische Produkte und deren Derivate aus dem eigenen Konsum auszuschließen. Menschen, die sich für den veganen Lebensstil entscheiden, vermeiden nicht nur Fleisch, sondern auch Produkte wie Milch, Eier und Honig. Das Hauptmotiv hinter Veganismus ist oft der Tierschutz sowie ökologische und ethische Überlegungen. Veganer ernähren sich in der Regel von pflanzlichen Nahrungsmitteln wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Getreide und Nüssen. Diese Ernährungsweise zielt darauf ab, Tierleid zu minimieren und/oder einen Beitrag zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks zu leisten. Der Begriff „vegan“ erstreckt sich jedoch über die Ernährung hinaus und schließt auch den Verzicht auf andere tierische Produkte in Kleidung, Kosmetika und anderen Lebensbereichen mit ein.
Diese Dinge sind oft nicht vegan
Pflegeprodukte für Haut und Haare an seine Lebensweise anzupassen, ist für Vegetarier und Veganer somit selbstverständlich. Außerdem sollte man sich stets informieren, zu welchen Unternehmen gewisse Marken gehören, wo diese produzieren lassen und wie sie zu Tierversuchen stehen. Dennoch überrascht es, wie viele Inhaltsstoffe nicht vegan sind. Dazu gehören:
Glycerin
Glycerin wurde vor mehreren hundert Jahren erstmals bei der Seifenherstellung entdeckt. Insbesondere bei pflanzlicher Seifenproduktion ist Glycerin als Inhaltsstoff als vegan anzusehen. Jedoch entsteht dieser Alkohol auch bei der Herstellung von Seifen, die tierische Bestandteile wie Knochen verwenden, wodurch es wiederrum nicht vegan ist.
Die Verwendung von Glycerin in sowohl Pflanzenöl als auch tierischen Fetten macht es schwierig, die Frage nach der Veganität eindeutig zu beantworten. Es hängt davon ab, ob das Glycerin aus pflanzlichen oder tierischen Quellen stammt. Bei Unsicherheiten ist es ratsam, auf Glycerin zu verzichten.
L-Cystein
Ein vielfältiger Inhaltsstoff, der nicht nur in Lebensmitteln vorkommt, sondern auch in Beauty-Produkten. Die Aminosäure L-Cystein wird, wenn nicht chemisch erzeugt, aus Schweineborsten, Krallen und Federn gewonnen. Bei Brot macht es den Teig geschmeidiger und knetbarer, im kosmetischen Bereich soll es für volleres Haar, schönere Haut und Nägel sorgen.
Bei L-Cystein handelt es sich nicht um einen grundsätzlich schädlichen Stoff, ganz im Gegenteil. Die menschliche Leber produziert die Aminosäure auch. Der Chemiekonzern Wacker gibt beispielsweise an, L-Cystein durch die Fermentation mit Bakterien hergestellt zu haben – damit wäre die Aminosäure vegetarisch. Die Nahrungsergänzung-Marke „Sunday“ beispielsweise gewinnt es aus der Fermentation von Mais. Das Kürzel, auch E-Nummer genannt, für L-Cystein lautet E 920.
Bananen nicht immer vegan
Bananen sind oftmals mit dem Pestizid Chitosan besprüht. Es wird aus den chitinhaltigen Panzern von Garnelen oder Insekten gewonnen, damit die Reifung der Bananen verlangsamt wird. Warum? Er sorgt dafür, dass diese nicht braun und matschig werden. Die vegane Lösung: Auf Bio-Bananen zurückgreifen, denn da ist der Einsatz von Chitosan verboten.
Nagellack
Wer als Vegetarier oder Veganer auf schimmernde Metallic-Nagellacke steht, sollte seine Vorliebe überdenken. In den Lacken kann Guanin enthalten sein. Das sorgt zwar für die glitzernden Pigmente auf den Nägeln, wird aber aus Fischschuppen hergestellt. Es werden aber immer mehr vegane Nagellacke hergestellt.
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Shellac
Shellac, auch „Lackharz“ oder „E904“, ist eine harzige Substanz, die aus den Ausscheidungen des Lackkäfers gewonnen wird. Der Produktionsprozess von Shellac beginnt, wenn weibliche Lackkäfer Harz produzieren, um schützende Kokons für ihre Eier zu schaffen. Die Gewinnung von Shellac erfolgt durch sorgfältiges Sammeln des Harzes, sobald die weiblichen Lackkäfer ihre Nester verlassen. Für ein Kilogramm Shellac sind 50.000 bis 300.000 Insekten nötig. Weltweit werden etwa 20.000 Tonnen Shellac produziert.
Wie Honig, Bienenwachs und Seide wird auch Shellac aufgrund seiner Herkunft aus den natürlichen Ausscheidungen des Lackkäfers nicht als vegan betrachtet. Doch nicht alles was in der Kosmetikindustrie als Shellac bezeichnet wird, ist es auch. „CND Shellac“, der Top-Anbieter in fast allen Nagelstudios weltweit, enthält keinen echten Shellac in seiner Formel. Es scheint, dass die Marke den Begriff hauptsächlich aus marketingtechnischen Gründen verwendet, da er mit hochglänzenden und schützenden Eigenschaften assoziiert wird. Hier gilt auch: am besten immer die Siegel checken!
Feigen sind nie vegan
Die sogenannte Echte Feige hat nur weibliche Blüten, die sich nur mit der Bocksfeige, dem männlichen Pendant, vermehren können. Dafür zuständig ist eine bestimmte Wespenart, deren männliche Vertreter in den männlichen Blüten heranwachsen. Die weiblichen Wespen tragen den Blütenstaub schließlich zu beiden Feigenarten, müssen eine enge Öffnung der Blüte passieren und verlieren dabei ihre Flügel. Sie sterben meist in der Blüte, die nun aber befruchtet ist und zu einer Feige wird. Die Wespe wird zwar von der Frucht zersetzt, ist genau genommen aber immer noch in der Feige enthalten. Ob man als Veganer oder Vegetarier Feigen isst oder Produkte mit ihnen verwendet, bleibt somit eine persönliche Gewissensfrage.
Kollagen
Kollagen ist der Anti-Aging-Wirkstoff schlechthin, doch sein Image erlitt in den 1990er-Jahren einen schweren Knacks, als bei Rindern die tödliche Gehirnkrankheit BSE ausbrach. „Keiner wollte mehr Kosmetika, die Inhaltsstoffe vom Rind enthalten“, so Dr. Andrea Weber, Director of Science, Consultation & Innovation bei der Babor Beauty Group zu STYLEBOOK. Heute wird Kollagen in der Kosmetik nach wie vor häufig eingesetzt, wobei es auch weiterhin meistens aus Rinderhäuten gewonnen wird. Die Wissenschaftlerin erklärt, warum das so ist: „Der Mensch ist ein Tier und tierisches Kollagen kommt ihm daher auch näher. Kollagen ist in seiner Wirkweise bislang ungeschlagen. Da kann kein pflanzliches Kollagen mithalten, auch wenn sich das viele Verbraucher wünschen.“
Zahnpasta
Und auch dieser alltägliche Gebrauchsgegenstand ist nicht frei von tierischen Spuren. Neben Bienenwachs und -pollen ist oft Knochenmehl – auch Calciumphosphat genannt – in der Paste enthalten, das bereits in der Antike zum Zähneputzen verwendet wurde. Es sorgt für den Schleifeffekt, der zur Reinigung der Zähne führt. Das schmeckt Veganern ganz sicherlich nicht. In der Drogerie gibt es bereits Zahnpasta, die vegan ist oder von Marken hergestellt werden, die sich gegen Tierversuche und tierische Zutaten aussprechen.
Keratin
Keratin, ein Faserprotein, ist ein wesentlicher Bestandteil von Haaren, Nägeln, Federn, Krallen, Hufen und Klauen. Es trägt zur Geschmeidigkeit, dem Glanz und der Biegsamkeit unserer Haare bei. In vielen Haarpflegeprodukten spielt Keratin eine bedeutende Rolle. Die eigene Keratinschicht kann durch das Glätten, Föhnen, Stylen oder äußere Umwelteinflüsse geschädigt werden. Leider verwenden viele dieser Produkte eine Keratin-Quelle aus tierischen Produkten, die beispielsweise aus zermahlenen Hörnern, Hufen oder Federn stammen könnte.
Es gibt jedoch auch vegane Alternativen wie Keratin auf Sojabasis, Brennnesselsaft oder Rosmarin. Zudem kann man den Körper bei der Keratinbildung durch eine proteinreiche Ernährung mit Eisen und B-Vitaminen unterstützen. Hierzu zählen Lebensmittel wie Walnüsse, Spinat und Hülsenfrüchte.
Sind Tierversuche in Deutschland überhaupt noch erlaubt?
In Deutschland sind Tierversuche gesetzlich geregelt und unterliegen strengen Vorschriften. Das Tierschutzgesetz (TierSchG) regelt den Umgang mit Tieren und schreibt vor, dass Tierversuche nur unter bestimmten Bedingungen und zum Schutz von Mensch und Tier durchgeführt werden dürfen. Dabei müssen alternative Methoden, die keine oder weniger Tiere einbeziehen, bevorzugt werden.
Tierversuche sind nur erlaubt, wenn sie wissenschaftlich begründet sind und einen validen Beitrag zur Entwicklung von Medikamenten, Impfstoffen oder anderen Produkten leisten. Die Zulassung und Überwachung von Tierversuchen erfolgt durch die zuständigen Landesbehörden.
Es gibt jedoch Bestrebungen und Diskussionen auf nationaler und internationaler Ebene, Tierversuche zu reduzieren und alternative Methoden zu fördern, um den Tierschutz zu verbessern. Unter anderem hat die Tierschutzorganisation „Peta“ mit der Europäischen Bürgerinitiative gegen Tierversuche 2022 über 1,4 Millionen Stimmen von EU-Bürgern gesammelt, die sich für das Ende von Tierversuchen aussprechen.
Tiere werden auch in deutschen Laboren gequält
Die Zahl der missbrauchten Katzen lag 2022 bei 538. Im Gegensatz dazu wurden im Jahr deutlich mehr Tierversuche an Affen durchgeführt (von 1.915 im Jahr 2021 auf 2.267 Tiere im Jahr 2022, ein Anstieg um 18 %), an Schafen (von 2.843 auf 3.393) und an Kaninchen (von 63.124 auf 67.466). Ebenfalls zeigte sich erneut ein Anstieg der Versuche an Hunden in deutschen Versuchslaboren, von 2.658 im Jahr 2021 auf 2.877 im Jahr 2022.
Gibt es in Deutschland Tierversuche für Kosmetika?
In Deutschland gilt grundsätzlich ein Verbot von Tierversuchen für kosmetische Produkte. Dieses Verbot ist seit 2013 im Rahmen der Europäischen Union (EU) aktiv und verbietet Unternehmen, Tierversuche für kosmetische Produkte oder deren Inhaltsstoffe durchzuführen. Auch der Verkauf von Kosmetika, die außerhalb der EU im Tierversuch getestet wurden, ist in der EU untersagt. Dieser rechtliche Rahmen scheint jedoch nicht so durchgängig, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.
Die EU-Verbote gegen Tierversuche gelten nur für neu entwickelte Produkte und Inhaltsstoffe. Bereits existierende Produkte, die vor 2013 auf den Markt kamen, sind weiterhin ohne Einschränkungen erhältlich. Dies schafft eine Grauzone, in der „alte“ Kosmetikprodukte, weiterhin im Umlauf sind.
Es gibt für Unternehmen Schlupflöcher
Ein weiteres Schlupfloch im EU-Recht besteht darin, dass Kosmetikunternehmen Substanzen verwenden dürfen, die in anderen Produkten wie Reinigungsmitteln, Wandfarben oder Medikamenten eingesetzt werden. Diese alltäglichen Stoffe wurden jedoch oft mit Tierversuchen getestet, bevor die Produkte, in denen sie enthalten sind, auf den Markt kamen – dies ist gesetzlich vorgeschrieben. Somit kann ein beträchtlicher Anteil der Inhaltsstoffe in Kosmetika von Tierversuchen betroffen sein.
Selbst für rein kosmetisch verwendete Stoffe erlaubt das EU-Recht Tierversuche, wenn Labore prüfen müssen, ob die Inhaltsstoffe für die Arbeits- und Umweltsicherheit unbedenklich sind. Diese Regelung führt dazu, dass zahlreiche Kosmetika weiterhin Inhaltsstoffe enthalten, die in Tierversuchen getestet wurden.
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Hilfreiche Siegel, die vegane Produkte kennzeichnen
Es gibt mehrere Organisationen, die sich darum kümmern, Siegel und Auszeichnungen zu vergeben, die es dem Endkonsumenten vereinfachen, vegane Produkte direkt auf den ersten Blick zu erkennen. Wer sich trotzdem unsicher ist, kann Webseiten und Apps wie „Codecheck“ benutzen, in denen man die Produkte scannen oder manuell suchen kann. Darin werden alle Inhaltsstoffe erklärt und das Produkt nach „Gefährlichkeit“ eingestuft.
The Vegan Society
Die „The Vegan Society“ gilt international als Spitzenreiter bei der Zertifizierung von veganen Produkten in verschiedenen Branchen. Das Siegel hat eine Blume. Der Zertifizierungsprozess ist äußerst umfassend und beinhaltet eine gründliche Bewertung sämtlicher Lieferanten und Hersteller von Rohstoffen im Produktkatalog. Bei „The Body Shop“ bedeutete dies, dass mehr als 4.000 Inhaltsstoffe von über 1.000 Produkten überprüft werden mussten, um das begehrte Siegel zu erhalten.
V-Siegel
Das V-Label wird von der European Vegetarian Union (EVU) vergeben und ist international anerkannt. Es zeichnet nicht nur vegane Produkte aus, sondern auch vegetarische.
Bio-Siegel
Das Bio-Siegel garantiert zwar nicht automatisch, dass ein Produkt vegan ist, jedoch sind biozertifizierte Produkte oft auch vegan und es gibt spezielle Bio-Siegel, die sich auf vegane Produkte konzentrieren.
Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle veganen Produkte ein spezielles Siegel tragen. Manche Unternehmen kennzeichnen ihre veganen Produkte einfach auf der Verpackung als „vegan“ oder „ohne tierische Inhaltsstoffe“.
Ecoveg-Siegel
EcoVeg ist ein unabhängig überprüftes Gütesiegel für pflanzliche Lebensmittel in Bio-Qualität. Die Bezeichnung EcoVeg bildet eine klare Verbindung zwischen den Begriffen „Eco“ für ökologisch/bio und „Veggie“ für pflanzlich.
Das Gütesiegel EcoVeg repräsentiert die Kombination von „Eco“ und „Veg“ und wird in der Regel neben dem EU-Bio-Logo auf der Verpackung von pflanzlichen Lebensmitteln und Informationsmaterialien platziert. Es bietet Verbrauchern klare Informationen und unabhängig überprüfte Aussagen, die auf wissenschaftlich erarbeiteten Standards basieren. Die EcoVeg-Richtlinien definieren den Begriff „vegan“, und unabhängige Institute überwachen die Einhaltung dieser Richtlinien. Das im Jahr 2015 eingeführte EcoVeg-Gütesiegel trägt dazu bei, Klarheit und Fachkenntnisse in Bezug auf Begriffe und Werbeaussagen zu schaffen.