13. Februar 2018, 14:20 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Geschminkt das Haus zu verlassen ist unmännlich, nur was für schrille Paradiesvögel und wird schnell als „das machen eh nur Schwule“ abgestempelt. Dabei beschneidet ein bisschen Kajal, Concealer oder eine getönte Tagescreme nicht zwingend das männliche Selbstverständnis, findet unser Autor.
„Hast du dich geschminkt?“ Mit dunkel umrandeten Augen oder lackierten Fingernägeln kann ich mir eigentlich fast sicher sein, skeptische Blicke zu ernten. Warum ich mir hin und wieder einen Lidstrich ziehe? Die Antwort ist selten befriedigend: Weil ich es kann, weil es Spaß macht und weil ich kein Problem darin sehe, überholte Rollenmuster zu ignorieren. Mich zu schminken bedeutet eben nicht, dass ich an meiner Identität zweifle. Auch für den allgegenwärtigen genderneutralen Diskurs lässt sich mit meiner Kajal-Expertise keine Lanze brechen. Wozu auch, zeigen prominente Vorbilder doch, dass ein Leben mit Make-up selbst für heterosexuelle Männer im Jahr 2018 zwar ein bisschen Mut erfordert, aber keineswegs mit sozialer Ächtung einhergehen muss. Ganz im Gegenteil.
Ein bisschen Make-up schadet nie
Kosmetik- und Pflegeserien für den Mann werden immer umfangreicher: Cover Base, Puder, Wimpernpflege, Augenbrauen-Form-Gel, Mascara – nichts, was es nicht auch für IHN gibt. Dabei gilt generell: Concealer & Co. sollten mit Bedacht verwendet werden, um Maskenhaftigkeit zu vermeiden; der Smokey-Eye-Waschbär-Look oder der Rocker-Chic mit abgewetzten schwarzen Fingernägeln muss nicht täglich sein, da diese Styles ihre Träger schnell ungepflegt und übernächtigt wirken lassen. Vielmehr verstehe ich Make-up als ein Tool, dass Ausdruck und Erscheinungsbild verändern kann, das Hautbild optisch verbessert und uns wacher, gesünder und gern auch jugendlicher wirken lässt. Ein Muss ist es für niemanden — auch nicht für Frauen.
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Heikles Thema, geschminkte Männer
Allerdings ist auch bei mir bei übertrieben zugepinselten Männern schnell eine Toleranzgrenze erreicht. Und tatsächlich klingt das nicht nur ambivalent, es ist tatsächlich eine scheinheilige Meinung zum Thema Männer-Kosmetik: Lidstrich ja, Rouge und HDTV- Make-up nein. Der Beauty-Blogger Manny Gutierrez (26) zeigt auf seinem YouTube-Kanal und auf Instagram eindrucksvoll, dass er gern mit Make-up experimentiert und wurde mit seiner „Big Shot“-Mascara-Kampagne zum ersten männlichen Markenbotschafter des US-Kosmetikkonzerns Maybelline. Und trotzdem: Wer sich durch seinen Account scrollt wird schnell feststellen, dass die Grenze zwischen Grungy-Eye-Make-up und abgedeckten Hautrötungen bis hin zum dramatischen Travestie-Look klar zu ziehen ist. Dasselbe gilt im Übrigen auch für Frauen: Übertrieben stark geschminkt geht gar nicht.
Lidstrich beim starken Geschlecht
Schauspieler Johnny Depp (54) zeigt seit seinem Karrierebeginn, dass er auch abseits des Sets immer einen Kajal zur Hand hat. In den 90ern war auch Grunge-Ikone Kurt Cobain (†27) Fan des verschmierten Augen-Make-ups. Musiker Pharrell Williams (44) und Oscar-Preisträger Jared Leto (46) sind ebenfalls als selbstbewusste Schmink-Fans bekannt. Funktioniert bei ihnen auch, weil a) prominent und daher mit Freifahrtschein für exzentrische Inszenierungen und b) es einfach Teil ihres Looks ist. Lackierte Fingernägel oder Lidstrich können ein Ausdruck für Unangepasstheit sein, wirken aber eben nur stimmig, wenn der Rest des Outfits nicht komplett bieder und dröge daherkommt. Nicht umsonst schicken Designer wie Raf Simons (50) oder Tom Ford (56) ihre Male Models mit einem dicken Eyeliner über den Catwalk – gut gekleidet sind sie ja definitiv.
Was geht bei Männer-Kosmetik?
Kosmetikprodukte, von der mattierenden Tagescreme bis hin zum edlen Bartöl, stehen bei den meisten Männern schon länger im Regal. Die Augenbrauen können dank spezieller Gels in Form gebracht werden, meist ist das besser, als sie zu zupfen. Noch besser: Augenbrauen stutzen, das fällt aber eher unter Grooming. Wer Concealer oder Foundation verwenden will, sollte dies richtig auftragen können, andernfalls wird aus dem erhofften Transparent-Look schnell ein zugekleistertes Desaster. Den richtigen Übergang zu Hals, Ohren und rückläufigem Haaransatz zu finden, gelingt leider meist nur echten Make-up-Profis, also besser weglassen. Tipp: Wer tagsüber mit fettiger Haut kämpft, kann auch zu mattierenden Oil Control Paper greifen. Generell sollte Glitzer vermieden werden, das dürfen nur Teenie-Mädels straffrei auftragen. Merkregel für die Lippenpflege: Fettstifte wie ein Labello gehen immer, schimmernder oder gar farbiger Lipgloss ist ein No-go. Da gibt es auch keine stilistischen Erklärungen, das ist einfach so!
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Mein Schmink-Fazit
Letztlich ist der Griff zu Make-up wie die Entscheidung für/gegen eine Skinny Jeans, den coolen Hoodie oder die Gesichtsbehaarung: Dem einen steht’s, dem anderen nicht. Wer prinzipiell wenig Begeisterung für außergewöhnliche Mode und Styling aufbringen kann, der lässt besser die Finger von Männer-Kosmetik. Allen anderen rate ich: Traut euch! Und lasst die Leute reden…
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