16. Januar 2023, 20:37 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Adidas sorgte in den letzten Tagen für Verwirrung: Nachdem der Bekleidungsriese sich am Montagmorgen von einer Pressemitteilung distanziert hatte und sie als „Fake News“ abtat, wurde der Inhalt nur wenig später auf der Berlin Fashion Week scheinbar bestätigt. Oder etwa doch nicht? STYLEBOOK war live mit dabei und fasst den Sachverhalt für Sie zusammen.
Am Montagmorgen wurde eine Pressemitteilung von verschiedenen Medien aufgegriffen, dass die Adidas AG einen neuen Co-CEO ernannt hätte. Es handele sich um Vay Ya Nak Phoan, eine ehemalige kambodschanische Textilarbeiterin und Gewerkschaftsführerin. Darüber hinaus hieß es in der Pressemitteilung, dass Adidas Löhne und Abfindungen an kambodschanische Bekleidungsarbeiter zahlen und einen Garantiefonds für die gesamte Produktionskette einrichten werde. Zusätzlich soll die Adidas AG eine Pay Your Workers-Vereinbarung unterzeichnet haben. Kurz später dementiert die Adidas AG die Pressemitteilung und sagte, sie sei ein Fake. Ein Sprecher der Adidas AG bestätigtes sogar gegenüber FashionUnited, dass die fragliche Pressemitteilung nicht von dem deutschen Sportbekleidungsunternehmen verschickt wurde. Heute Abend dann die Auflösung: Von wegen Falschmeldung, die Pressemitteilung schien doch korrekt.
Ende gut – alles gut? Wie sich jetzt herausstellte, wurde Adidas „Opfer“ der „Yes Men“. The Yes Men sind eine Netzkunst- und Aktivistengruppe, die Kommunikationsguerilla betreibt und mit einer Fälschung der Website der Welthandelorganisation (WTO) bekannt wurde. Mitglieder der Gruppe geben sich als Repräsentanten internationaler Konzerne oder Institutionen aus und karikieren mit übertriebenen Forderungen auf Konferenzen deren Ziele. Sie selbst bezeichnen dies als „Identitätskorrektur“ („identity correction“). Diesmal musste Adidas dran glauben.
Yes Men fordern Handeln von Adidas ein
„Adidas ist ein Unternehmen, das mir sehr am Herzen liegt“, sagt Yes Men-Mitbegründer Igor Vamos der britischen Zeitung The Guardian. „Sie haben eine Geschichte von unglaublichen Skandalen, die sie überwinden konnten. Sie sind Meister des Greenwashings. Bjørn Gulden hat viel davon geredet, das Richtige zu tun – vielleicht wird der heutige Stunt sie dazu bringen, es tatsächlich zu tun“. Vamos und sein Mitverschwörer Jacques Servin haben sich in der Vergangenheit als Sprecher der Welthandelsorganisation, von McDonald’s und der US-Behörde für Wohnungsbau und Stadtentwicklung ausgegeben.
Auslöser des heutigen Stunts: Im vergangenen Sommer kam es zu Arbeitskampfmaßnahmen in Fabriken von Adidas-Zulieferern in Kambodscha. Nach Angaben der Gewerkschaften fanden während der Covid-Pandemie vermehrt gezielte Entlassungen von Gewerkschaftsführern statt, Löhne blieben aus.
Vay Ya Nak Phoan wird neue Co-CEO von Adidas – aber nur in einer perfekten Welt
Kommen wir nun zum Stunt selber. Die erdachte Story lautete wie folgt:
Die neu ernannte Co-CEO von Adidas Vay Ya Nak Phoan ist eine ehemalige kambodschanische Fabrikarbeiterin. Sie war damals so entsetzt über die unsicheren und unfairen Arbeitsbedingungen – und wurde zur Whistleblowerin. Seitdem hat sie als Gewerkschaftsführerin und Journalistin gearbeitet. Ihr ist es zu verdanken, dass mehr als ein Dutzend Skandale im Zusammenhang mit Mängeln in der Beschaffungskette aufgedeckt sind, wie z. B. der Einsatz von uigurischer Sklavenarbeit in China und Lohndiebstahl durch Unternehmen wie Adidas während der Corona-Pandemie. Neben Bjørn Gulden ist die Kambodschanerin ab jetzt bei Adidas für die „Einhaltung ethischer Grundsätze in der Produktion“ zuständig.
Phoan, möglicherweise eine Schauspielerin, sagte auf der Berlin Fashion Week: „Der erste Schritt zur Beseitigung von Ungerechtigkeit besteht darin, die Wahrheit zuzugeben und sie sichtbar zu machen“.
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Die vermeintlich neue Markenstrategie wurde auf der Berlin Fashion Week vorgestellt
„Indem wir die Mühen der Arbeiter buchstäblich auf unseren Ärmeln tragen, machen wir es unmöglich, sie zu ignorieren“. Mit diesen Worten wurde die Fake-Fashion-Show von Adidas eingeleitet. Die Kollektion „Own the Reality“, umfasst dabei Kleidung und Schuhe, die sechs Monate lang ununterbrochen von kambodschanischen Arbeitern getragen wurde. Doch hier hörte es nicht auf. Auch prominente Befürworter und Markenbotschafter wurden für das Theaterstück unwissentlich mit ins Boot geholt.
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Bad Bunny und Pharrell Williams sollen „leidensorientierte Designs“ beigetragen haben, um das „erneuerte Engagement der Sportmarke für die Rechte der Arbeitnehmer“ zu unterstreichen. Yes Men legte Pharrell dabei folgendes Zitat in den Mund: „Genau wie Schallwellen auf Vinyl, drückt die harte Arbeit in den Fabriken auf diese Fäden. Der Arbeiter ist der Künstler, die Kleider sind seine Spuren, und wir haben die Ehre, sie zu remixen. Es gibt kein größeres Glück, als zu wissen, dass man mit seinen neuen Klamotten den Arbeitern das zahlt, was ihnen zusteht. Und ich bin stolz darauf, meine Ideen und die Beiträge von Humanrace in die REALITYWEAR von adidas einzubringen.“
Wie sich Adidas zur Fashion-Show äußern wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt (Stand: 16.01.23) noch offen.
Quellen
- Adidas targeted by fake press release stunt, Ecotextile News
- Kein neuer Co-CEO bei Adidas: Nachricht von „revolutionärem Plan“ entpuppt sich als Falschmeldung, Fashion United
- Meet the Co-CEOS, „Adidas“
- Berlin fashion spoof causes chaos as Adidas denies involvement, The Guardian