29. August 2023, 12:20 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Klingel-Gruppe aus Pforzheim hat im Mai Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Das Unternehmen gehört zu den größten Versandhändlern Deutschlands, dessen Geschichte bis ins Jahr 1923 zurückgeht. Von den aktuellen Ereignissen sind rund 1.600 Mitarbeiter betroffen. Nun gibt es schlechte Nachrichten: Es konnte kein geeigneter Investor gefunden werden. STYLEBOOK fasst alle Details zusammen.
Noch vor wenigen Jahrzehnten war der Versandhandel eine beliebte Alternative zum stationären Handel. In seiner Blütezeit wurden viele erfolgreiche Versandhäuser gegründet, wie z. B. Baur, Otto, Bader, Neckermann oder Quelle. Auch die Geschichte der Klingel-Gruppe geht bis ins Jahr 1923 zurück. Mit der stetigen Digitalisierung und diversen reinen Online-Händlern geriet der Versandhandel in eine Krise. Quelle und Neckermann meldeten bereits vor einigen Jahren Insolvenz an. Im Mai 2023 hatte es dann auch die Klingel-Gruppe getroffen.
Klingel-Gruppe ist insolvent
Die K–Mail Order GmbH & Co. KG, auch als Klingel-Gruppe bekannt, hat Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Das betrifft auch zwei weitere Tochtergesellschaften der Gruppe. In einem Sanierungsverfahren wird das Unternehmen unter Beratung von Experten die Sanierungsmaßnahmen vornehmen und dabei nicht auf einen externen Insolvenzverwalter zurückgreifen.
In den letzten Wochen häuften sich die Insolvenz-Nachrichten, u. a. traf es große Namen wie Peek & Cloppenburg, Gerry Weber, Görtz oder auch die Ahlers AG. Die Gründe ähnelten sich stark und auch bei der Klingel-Gruppe wurden Gründe wie Inflation, zurückhaltendes Kaufverhalten und Auswirkungen des Ukraine-Kriegs genannt. Gestiegene Preise von Katalogproduktion, Logistik und Versand kamen hinzu.
Der Schritt in die Insolvenz in Eigenverantwortung war für das Unternehmen unumgänglich. Man entschied sich außerdem, diesen Schritt bereits jetzt zu gehen, damit die Sanierungschancen bestmöglich genutzt werden können. „Wie die gesamte Versandhandelsbranche steht auch die Klingel Gruppe seit einem Jahr vor immensen Herausforderungen. Das gesamtwirtschaftliche Umfeld hat sich enorm verändert“, zitiert der Swr Axel Groos, Vorsitzender der Geschäftsführung der K-Mail Order GmbH&Co. KG.
„Die Klingel Gruppe ist insolvent. Damit verschwindet ein weiterer Player vom deutschen Modemarkt. Ich verbinde mit Klingel den Katalog, der nun ebenso wenig wie der bereits seit Jahren verschwundene Quelle-Katalog in den Briefkästen der Menschen landen wird. Für mich sind Klingel-Kataloge mit purer Nostalgie verbunden. Gerade Küchenhelfer waren bei meiner Mutter und Großmutter beliebte Produkte, die auf den Bestellkarten begeistert eingetragen wurden und dann ungenutzt im Küchenschrank verstaubten. Ein Gadget, um Weingläser aufzupolieren, ein raumsparender Rattankorb als Dekoelement im Bad, ein praktisches Kaftankleid – wirklich herrlich. Als kleines Kind habe ich den Katalog mit in den Kindergarten genommen und mit Begeisterung und kindlicher Hand meine Lieblingsprodukte ausgeschnitten. Der Klingel-Katalog war Kult.“– Louisa Stoeffler, PETBOOK
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So geht es für die Klingel-Gruppe weiter
Von der Insolvenz in Eigenverantwortung ist K–Mail Order GmbH & Co. KG und zwei weitere Tochtergesellschaften aus Hamburg und demnach rund 1600 Mitarbeiter betroffen. Weitere Gesellschaften der Firmengruppe betreffe das vorerst nicht. Wie es für die Mitarbeiter weitergeht, sei zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sicher. „Die konkreten Sanierungsmaßnahmen erarbeiten wir aktuell gemeinsam mit Experten und werden unsere Mitarbeitenden umgehend informieren, sobald diese feststehen“, zitiert der Swr die Geschäftsführung der insolventen Klinge-Gruppe.
Kein Investor gefunden
Teil der Sanierungsmaßnahme war es auch, einen geeigneten Investor zu finden. Dieses Vorhaben ist nun gescheitert, wie jetzt bekannt wurde. Der Geschäftsbetrieb, der trotz Insolvenzantrag weiterlief, wird im kommenden Januar komplett eingestellt. Geschäftsführer Sven Axel Groos und Chief Data Officer Sven Christian Andrä werden das Unternehmen verlassen.
„Für den Erhalt der Gruppe als Ganzes hätten wir eine:n finanzstarke:n Investor:in gebraucht, aber leider gibt es keine Investor:innen-Lösung, sodass die Einstellung des Betriebs beschlossen wurde. Diese Entscheidung ist uns allen nicht leicht gefallen, aber es gibt leider keine Alternative“, zitiert die Seite „FashionUnited“ die Geschäftsführung. Aktuell wird noch geprüft, ob die eigenen Marken wie Klingel, Wenz, Mona und Babista unter eigener Regie weitergeführt werden könnten.
Das passiert mit den Mitarbeitern
Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor über drei Monaten beschäftigten die betroffenen Teile des Unternehmens rund 1600 Mitarbeiter. 300 hätten das Unternehmen in den letzten Wochen auf eigenen Wunsch verlassen. Die Gehälter für die verbliebenen 1300 Mitarbeiter seien für die kommenden Wochen gesichert.
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Wer ist die insolvente Klingel-Gruppe?
Vor genau 100 Jahren wurde die heutige K – Mail Order GmbH & Co. KG unter dem ursprünglichen Namen Robert Klingel GmbH + Co. KG in Pforzheim, Baden-Württemberg gegründet. Anfangs konzentrierte sich der Handel auf hochwertige Stoffe. Der Klingel-Versand ist heute für Textilien, wie Mode, Accessoires und Schuhe für Damen und Herren bekannt. Die Zielgruppe: Best-Ager. Laut der Unternehmensseite heißt es, das mittelständisches Familienunternehmen sei „ein führender Multichannel-Distanzhändler für Best-Ager in Deutschland“.