12. März 2024, 12:38 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Vielleicht sind Ihnen in letzter Zeit in den sozialen Medien auch die sogenannten „Sephora-Kids“ über den Weg gelaufen. In langen Videos zeigen Kinder und Jugendliche ihre exzessiven Beauty-Routinen: Ein beunruhigender Trend, vor dem Mediziner warnen. STYLEBOOK sprach mit einem Experten darüber.
Was machen diese teils hochdosierten Anti-Aging-Produkte mit der Haut von Kindern und Jugendlichen? Und wie schätzt ein Experte den augenscheinlichen Trend, schon jung zu Retinol, Glykolsäure und weiteren aktiven Inhaltsstoffen zu greifen, ein? STYLEBOOK hat Antworten auf diese und weitere Fragen.
Übersicht
„Sephora Kids“ zeigen ausgiebige Beauty-Routinen
Es geht los mit einem Reinigungsgel. Anschließend streicht die Influencerin mit einem Toner-getränktem Wattepad über ihr Gesicht. Dann massiert sie ein Peeling mit Glykolsäure, das abgestorbene Hautschuppen entfernt, ein – „für strahlende Haut“. Anschließend gibt sie Retinol aufs Gesicht. Dieser hochwirksame Inhaltsstoff wirkt vor allem gegen feine Linien und Pigmentflecken, die durch UV-Strahlung verursacht werden. Es folgen: diverse Seren, zum Beispiel mit Vitamin C. Abschließend noch eine Feuchtigkeitspflege. Und eine Augencreme.
Das Ziel der insgesamt zehn Schritte umfassenden Skincare-Routine: Zeichen von Hautalterung entgegenzuwirken. Zum Beispiel nachlassender Elastizität, Fältchen und einer höheren UV-Sensibilität. Problematisch in diesem Fall ist, dass die Skincare-Influencerin, die ihre Routine bei TikTok zeigt, gerade einmal zwölf Jahre alt ist.
Aktive Inhaltsstoffe: Mit Bedacht anwenden
Häufig kommt Vitamin A beziehungsweise Retinol im Rahmen einer Hautpflege-Routine etwa in Form eines Serums oder einer Creme zum Einsatz. Wirkstoffe, die eine nachgewiesene Wirkung auf die Haut haben, werden als „aktive“ Inhaltsstoffe bezeichnet.
Neben Retinol sind das unter anderem:
- Hydroxysäuren (AHA, BHA, PHA)
- Vitamin C
- Niacinamid
Um Hautreizungen zu vermeiden, sollten aktive Wirkstoffe langsam in eine Hautpflege-Routine integriert werden. Das heißt: Zunächst sollte am Unterarm getestet werden, ob man das Produkt verträgt. Rötet sich die Haut stark und brennt das Produkt sehr stark auf der Haut, sollte man es nicht auf das Gesicht auftragen.
Auch sollten nicht mehrere Produkte mit aktiven Inhaltsstoffen, die man noch nicht vorher verwendet hat, auf einmal in die Hautpflege-Routine integriert werden. Der Grund: Die Haut muss sich die erst an die neuen Wirkstoffe gewöhnen. Neue Produkte sollten deshalb im Abstand von mehreren Wochen in die Routine integriert werden. Auch sind nicht alle aktiven Inhaltsstoffe miteinander kombinierbar, weshalb man sich vorher über etwaige Wechselwirkungen informieren sollte, bevor man sich in einer Routine kombiniert.
Experte warnt vor Anti-Aging-Routine bei Kindern und Teenagern
Selbst die Haut Erwachsener kann also empfindlich auf aktive Inhaltsstoffe reagieren. Für Teenager oder Kinder sind Inhaltsstoffe wie Retinol definitiv nicht geeignet, weiß Dr. Timm Golüke. Der Dermatologe betont: „Retinol sollten Kinder nicht anwenden, weil der Wirkstoff die empfindliche Hautschutzbarriere der Kinder irritieren und zu Reizungen führen kann.“
Für Skincare-Influencerinnen und -Influencer im Kindes- oder Jugendalter hat Dr. Golüke eine klare Botschaft. Er sagt: „Kinderhaut muss natürlich eingecremt und generell gepflegt werden. Aber solche Stoffe wie Retinol und Fruchtsäure oder teure ‚Hightech‘-Anti-Aging Produkte sollten nicht im Kindesalter angewendet werden.“
Trotzdem stimmt Dr. Golüke der Aussage „je früher man anfängt, Anti-Aging-Produkte zu verwenden, desto besser“ teilweise zu. Er sagt: „Ich empfehle Anti-Aging-Produkte ab Mitte 20. Bei empfindlicher Haut ist es natürlich etwas früher auch schon möglich, gerade um die empfindliche Augenpartie, weil hier die ersten Fältchen entstehen, weil man hoffentlich ja viel lacht.“
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Stattdessen auf Sonnenschutz setzen
Besonders wichtig, um vorzeitiger Hautalterung im späteren Lebensalter vorzubeugen, ist laut Ansicht des Experten vor allem ein effektiver Sonnenschutz – auch für Kinder und Jugendliche. „Sonnenschutz ist das wichtigste Mittel gegen Hautalterung. Natürlich nicht nur zur Faltenprophylaxe, auch zur Verhinderung von Hautkrebs“, betont der Experte.
Zusätzlich lässt sich Hautalterung auch auf natürlichem Wege entgegenwirken – ganz ohne Anti-Aging-Produkte. Dermatologe Dr. Golüke empfiehlt: „Versuchen Sie, täglich sieben bis acht Stunden zu schlafen, sich gesund zu ernähren, glücklich zu sein, nicht zu rauchen und nicht zu viel Alkohol zu trinken.“
Retinol & Co. sollten also eigentlich nicht im Kindes- oder Teenager-Alter verwendet werden. Eine Ausnahme gibt es allerdings. Dr. Golüke hierzu: „Wenn Kinder oder Teens Akne haben, dann verschreiben wir als Hautärzte natürlich Fruchtsäuren, retinolhaltige Cremes oder Vitamin-A haltige-Anti-Aging-Tabletten.“
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»Kinder ahmen Verhalten nach
Meine Meinung
Es ist wichtig zu fragen, warum Kinder und Jugendliche überhaupt zu Anti-Aging-Produkten greifen. Leben die Eltern exzessiven Konsum und die Verwendung teurer Produkte vor, ahmen Kinder dieses Verhalten gegebenenfalls nach, weil sie nach Bestätigung durch die Erwachsenen suchen. Tolerieren die Eltern dieses Verhalten oder bestärken ihr Kind sogar noch darin, müssen sie sich darüber im Klaren sein, dass sie zulassen, dass das Kind seiner Haut möglicherweise schwere Schäden zufügt. Eltern sollten sich darüber informieren, welche Produkte zu den Hautbedürfnissen Ihrer Kinder passen – und dafür, falls nötig, auch ärztlichen Rat einholen.