6. April 2023, 18:48 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Nicht nur Ernährung, genetische Veranlagung, Schlafmangel oder zu viel Sonne hinterlassen deutliche Spuren auf unserer Haut. Viel mehr Einfluss auf das Hautbild hat unsere mentale Gesundheit. Und andersherum auch die Psyche auf die Haut! Oft reicht ein Blick in den Spiegel, dass Betroffene sich unwohl in ihrer Haut fühlen. Die Folge: Juckreiz, Akneschub, Skin Picking oder anderes selbstverletzendes Verhalten. Über die Wechselwirkungen zwischen Haut und Psyche sowie einen ganzheitlichen Behandlungsansatz in der Psychodermatologie sprach STYLEBOOK mit Expertin Dr. Hanneken.
In der Psychodermatologie wird die Hautkrankheit nicht nur anhand von psychodermatologischen Symptomen behandelt, sondern die Ursachen hinterfragt und der Mensch ganzheitlich betrachtet. Dabei stehen die Wechselwirkungen zwischen Haut und Psyche im Fokus der Behandlung. „Es geht um Hautkrankheiten, bei denen psychische Faktoren als Ursache oder Folge eine wesentliche Rolle spielen“, erklärt Dr. Hanneken, Fachärztin im Bereich Dermatologie, Psychotherapie und Psychodermatologie. Basierend auf den Theorien der Psychosomatik sind biologische, psychologische und soziale Faktoren über den gesamten Krankheitsverlauf mitbeteiligt, so die Psychodermatologin. So können Stress, Angst, innere Unruhe und Depressionen verschiedenste Hautkrankheiten auslösen oder auch verschlimmern. Nicht ohne Grund gibt es die Redewendung: Stress geht unter die Haut!
Was sind psychodermatologische Symptome im Unterschied zu herkömmlichen Hautproblemen?
Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten, denn „ob es sich um einen Neurodermitis-Schub handelt, der durch psychische Faktoren oder durch einen Infekt ausgelöst wurde, sieht man der Haut nicht an“, so Dr. Hanneken. Bei vielen Hauterkrankungen wie etwa Neurodermitis oder Schuppenflechte erzählen die offensichtlichen Symptome nur die halbe Wahrheit. „Hier ist vielmehr das Gespräch mit den Betroffenen wichtig“, um die Abhängigkeit von psychischen Belastungsfaktoren und Stressoren zu erkennen.
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Chronisch-entzündliche Hauterkrankungen wie Schuppenflechte, Neurodermitis oder Akne führen im Wechselspiel oft zu zusätzlichen psychischen Belastungen wie ein geringes Selbstwertgefühl und können Depressionen oder Ängste auslösen. „Allein die bloße Sichtbarkeit der Hauterkrankung hat psychosoziale Implikationen, wenn man nur an Scham und Stigmatisierung in der Gesellschaft denkt“, schildert die Expertin. Oft führen die psychischen Beschwerden selbst wieder zu neuen Krankheitsschüben und Verschlechterungen im Hautbild. Wie entkommt man diesem Teufelskreis?
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Was sind die ersten Schritte einer psychodermatologischen Behandlung?
Bei einem psychodermatologischen Krankheitsbild werden zusätzlich biologische, psychische und soziale Faktoren berücksichtigt. „Wenn man Krankheitsbilder ganzheitlich betrachtet, landet man in der Dermatologie ganz schnell bei psychodermatologischen Themen“, erklärt Dr. Hanneken.
Der erste Schritt ist „konkret zu erfragen, welche weiteren Symptome oder Auslöser vorliegen und mit welchen Problemen und Einschränkungen die Hauterkrankung im Alltag verbunden ist. Und welche Auswirkungen die Krankheit auf das soziale Umfeld, Schule, Berufsleben oder auf Beziehungen hat“, erklärt Dr. Hanneken ihre Herangehensweise. Dabei kommen oftmals Begleiterkrankungen zum Vorschein, wie etwa soziale Isolation, soziale Phobie, Ängstlichkeit oder auch Depression. „Die Patienten sind oft sehr dankbar für diese Nachfragen, die dann eine weitere Einordnung des Krankheitsbildes ermöglichen“, schildert die Dermatologin. Danach wird entschieden, ob weiterer Behandlungsbedarf besteht, wie eine spezifische Therapie.
Wie sieht die Therapie genau aus?
Das Allerwichtigste ist, Haut und Psyche parallel zu behandeln, da eine enge Wechselwirkung besteht. Dabei müssen die Symptome an der Haut genauso wie die psychischen Begleitsymptome konsequent behandelt werden: Auf der einen Seite dermatologisch, auf der anderen Seite psychotherapeutisch. „Hier kommen Verfahren aus der Tiefenpsychologie, psychodynamischen Therapie oder auch (kognitiven) Verhaltenstherapie zum Einsatz. So können etwa therapeutische Entspannungsverfahren bei Juckreiz helfen. Auch eine medikamentöse Therapie muss in manchen Fällen in Betracht gezogen werden“, so Hanneken.
Ein festes Schema in der psychodermatologischen Behandlung gibt es aber nicht, denn „das Vorgehen hängt individuell vom einzelnen Krankheitsbild und den jeweiligen Beschwerden ab und kann sich im Verlauf einer längeren Betreuung von Patient:innen auch durchaus ändern.“
Was sind psychodermatologische Symptome?
Laut Dr. Hanneken gibt es sehr viel mehr psychodermatologische Krankheitsbilder, als auf den ersten Blick vermutet wird. Zu den bekanntesten gehören wohl Neurodermitis und Psoriasis (Schuppenflechte). Bei diesen Hautstörungen spielen oft psychische Faktoren wie Angststörungen oder Stress eine Rolle im Lauf der Krankheit. „Auf der anderen Seite gibt es Hautkrankheiten, die primär eine psychische Ursache haben, wie etwa eine Zwangsstörung, Impulskontrollstörung oder körperdysmorphe Störung. Diese äußern sich aber mit Symptomen an der Hautoberfläche“, meint Dr. Hanneken. Dazu zählen Skin Picking (Dermatillomanie), Haare ausreißen (Trichotillomanie) oder selbstverletzendes Verhalten.
Zudem gibt es Erkrankungen, die vor allem in Wechselwirkung zwischen Haut und Psyche entstehen. Dazu zählen Acne vulgaris oder auch kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata). „In manchen Fällen liegen auch psychodermatologische Implikationen vor, wenn Menschen etwa beruflich bedingt unter Handekzemen leiden und Aspekte wie Scham durch die Sichtbarkeit an den Händen, Schmerzen und eine eingeschränkte Beweglichkeit im Berufsalltag dazu kommen.“
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Was sind erste Warnsignale für psychodermatologische Symptome?
Sobald Hautkrankheiten chronisch werden und erhebliche Auswirkungen auf das Privat- oder Berufsleben haben, sollte ärztlicher Rat aufgesucht werden. „Ein weiteres Warnsignal bei Hauterkrankungen psychischer Genese ist die unverhältnismäßig große Beschäftigung mit der eigenen Haut und wenn dieser Zwang wiederum zu vielfältigen Einschränkungen im Alltagsleben führt“, erläutert Dr. Hanneken.
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Wo gibt es Erste Hilfe und Anlaufstellen?
Erste Anlaufstellen sind je nach Symptomatik Hausärzte, Psychiater oder Ärzte für psychosomatische Medizin. „Optimal ist eine Anlaufstelle bei einem Hautarzt oder einer Hautärztin mit psychosomatischer oder psychotherapeutischer Weiterbildung“, empfiehlt Dr. Hanneken. „Davon gibt es einige, aber in Deutschland leider noch nicht sehr viele.“
Wichtig ist zudem die Aufklärungsarbeit für Betroffene und auch Angehörige, um die Zusammenhänge von Haut und Seele zu verstehen und den Heilungsprozess positiv zu unterstützen. „Das ist eine wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Umgang mit einer psychodermatologischen Erkrankung und um die Lebensqualität der Betroffenen wieder zu steigern!“
Quelle
- mit fachlicher Beratung von Dr. Sandra Hanneken, Fachärztin für Dermatologie, Psychotherapie und Psychodermatologie