5. Juli 2021, 5:18 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, was Sie sich täglich mit Creme, Shampoo und Make-up auf den Körper schmieren? Tatsächlich ist das, was Haut und Haaren eigentlich guttun soll, nicht nur oft eine Pflege-Mogelpackung, in vielen Produkten stecken auch Stoffe, die für Körper und Umwelt nicht gerade unbedenklich sind. STYLEBOOK-Redakteurin Anna-Lena hat sich deshalb mit Hilfe einer App auf die Suche nach Giftstoffen im heimischen Pflegeregal begeben – mit ernüchterndem Ergebnis.
In Sachen Beauty-Produkte war bis dato meine größte Sorge, dass das ständige Haarefärben meine Mähne strapazieren und meine Haut durch viel Make-up Pickelchen entwickeln und schneller altern könnte. Den Umstand, dass die Inhaltsstoffe in meiner Kosmetik möglicherweise einen größeren und nicht nur oberflächlichen Einfluss auf meinen Organismus haben könnten, habe ich schlichtweg ignoriert. Wenn’s hier zugelassen ist, muss das doch komplett unbedenklich sein, dachte ich naiv. Aber Pustekuchen!
Als mich meine Kollegin auf die Toxfox-App vom Bund aufmerksam machte, mit der man Giftstoffe in Kosmetik ganz einfach erscannen kann, habe ich meinen unbedarften Umgang mit Kosmetik zum ersten Mal hinterfragt. Tatsächlich sind in Kosmetika zahlreiche Stoffe enthalten, die zwar erlaubt sind, aber teilweise unter Verdacht stehen, Krankheiten wie Diabetes oder etwa Unfruchtbarkeit zu begünstigen. Das Ende vom Lied: Nach einem Scan-Marathon mit der App habe ich vorsichtshalber zwei Drittel meiner Beauty-Produkte aussortiert, weil schadstoffbelastet. Aber von vorn…
Übersicht
Was ist die „ToxFox“-App? Die „ToxFox“-App wurde vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) entwickelt und soll Verbraucher*innen helfen, Kosmetik und Alltagsprodukte auf Schadstoffe zu prüfen – ganz einfach per Barcode-Scan. So werden Giftstoffe und deren Wirkung auf den Körper mit nur einem Klick sichtbar. Als Datenquelle wird in der App Codecheck.info angegeben – ebenfalls eine App, mit der man Inhaltsstoffe von Kosmetikprodukten etc. erscannen kann. Die Schadstoffangaben beziehen sich auf Infos von den jeweiligen Kosmetik-Herstellern.
Findet die App Schadstoffe in meiner Kosmetik?
Die größten Übeltäter standen jahrelang auf meinem Schminktisch: Bei meiner Mascara, die ich mittlerweile seit zehn Jahren immer wieder nachkaufe, war die Schadstoff-Liste mit am längsten: Ethylparaben, Methyparaben, Propylparaben – allesamt Wirkstoffe, die unter Verdacht stehen, hormonelle Störungen hervorzurufen. Meine Pille habe ich vor Jahren abgesetzt, weil ich keine Lust mehr auf Fremdhormone hatte, dass ich mit Make-up-Produkten wie mit meinem Max Factor „False Lash Effect“-Mascara ebenfalls in meinen Hormon-Haushalt eingreifen könnte, war mir nicht bewusst.
Ähnlich erschreckend fiel auch das Ergebnis für meinen heißgeliebten Manhattan „X-Treme Last Automatic“-Lipliner aus. Darin erkannte die App Cycloentasiloxan (D5), ein Stoff, der als „giftig für Lebewesen“ gilt und in der EU als „besonders besorgniserregend“ eingestuft ist. Unschön, schließlich hatte ich mir den Liner Tag für Tag auf die Lippen geschmiert, jahrelang. Auch Foundation, Primer, Eyeliner, Kajal, Fixing Spray, Augenbrauengel, Concealer und Nagellack mussten letztlich meinen Schminktisch verlassen. Die Giftstoff-Liste reichte dabei von „hormonellen Wirkstoffen“ über „gefährliche Inhaltsstoffe gemäß „REACH-Verordnung“ bis hin zu „Nanopartikeln.“
Mein Badregal – eine Kosmetik-Sammlung voller Schadstoffe
Im Badezimmer ging es dann weiter: Haarmaske und -spülung – belastet. Haarspray und Bodylotion ebenso. Auch erscannte ich in drei meiner fünf Deos Cycloentasiloxan sowie die „hormonellen Verdachtsstoffe“ BHT und Benzyl Salicylate. Kurios: In den Marken-Produkte von Dove („Invisible Dry“ und „Nourishing Secrets“) und Rexona („Cotton Dry“) fand die App Schadstoffe, die Günstig-Deos von Balea („Deo Bodyspray Kokos“ und „Anti-Transpirant 5 in 1“) hingegen bestanden den Scan-Test. Und auch die Produkte, bei denen ich es am wenigsten erwartet hätte, waren letztlich unbedenklich: so etwa der chemische Entwickler meiner Haarfarbe und mein Wimpernkleber – beides hätte ich vorab als schlimme Chemiekeulen eingeschätzt. Das waren leider auch die einzigen positiven Überraschungen bei meinem Scan-Experiment. Letztlich wanderte fast alles auf meinen „Aussortiert“-Haufen mit den Produkten, die es für mich zu ersetzen galt.
Scan-Marathon in der Drogerie
In der Drogerie dann die nächste überraschende Erkenntnis: Produkte aus einer Marken-Reihe unterscheiden sich offensichtlich nicht nur hinsichtlich Verpackung und Geruch. So fiel das App-Urteil für meine übliche Isana „Arganöl und Pflege“-Spülung in der goldenen Verpackung nicht so rosig aus (Benzyl Salicylate), die rosa verpackte „Keratin und Repair“-Spülung derselben Marke kommt hingegen ohne Schadstoffe aus. Gleiches Spiel bei den Haarmasken: Die Garnier „Wahre Schätze“-Haarmaske mit Arganöl und Mandelcreme – enthält gleich zwei hormonelle Verdachtsstoffe. Die „Wahre Schätze“-Haarmaske mit Argan- und Camelia-Öl als pflegende Zusätze – schadstofffrei. Auch meinen neuen, unproblematischen Essence „Tiny Tip“-Eyeliner fand ich im Fach direkt neben meinem alten Liebling, dem wasserfesten Essence „Eyeliner Pen“, der der App zufolge den Konservierungsstoff Methylparaben und Ruß-Nanopartikel enthält.
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Kosmetik ohne Schadstoffe finden – einfacher als gedacht!
Nach über einer Stunde und etwa 50 Produkt-Scans fand ich schließlich für alles, was ich aussortiert hatte, eine unproblematischere Alternative: teils im Naturkosmetik-Regal, zum großen Teil aber auch in den Ausstellern und Regalen von Günstig-Marken wie Rival de Loop, Essence, Catrice, Balea und Isana. Tatsächlich hatte ich es mir schwieriger vorgestellt, Ersatzprodukte zu finden – und in jedem Fall auch kostspieliger. Mein Scan-Einkauf fiel sogar wesentlich günstiger aus als sonst und funktioniert für mich bisher genauso gut wie meine alte Routine – nur eben ohne in der App gelistete Schadstoffe.
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Was sagt ein Dermatologe zum Schadstoff-Scan?
„Wer Apps wie ToxFox nutzen möchte, soll das tun“ – der Münchner Dermatologe Dr. med. Christoph Liebich hält das aber nicht für ein Muss, wie er im Gespräch mit STYLEBOOK erklärt. „Es gibt in Deutschland eine sehr strenge Kosmetikverordnung, die auch eingehalten wird. So lange die Stoffe zugelassen sind, braucht man sich keine Gedanken zu machen.“ Nur wenn explizit vor einem Stoff oder Produkt gewarnt werde, solle man die Produkte nicht weiter verwenden und sich nach Alternativen umsehen.
Kann man Produkte, in der die App Schadstoffe entdeckt hat, also bedenkenlos aufbrauchen? Das sei das Abwägungssache, sagt uns Dr. Liebich. „Als Menschen müssen wir einfach mit einem gewissen Risiko leben.“ So seien beispielsweise bei manchen Sonnenschutzmitteln hormonähnliche Wirkungen bekannt, aber dabei müsse man überlegen, welches Risiko höher wiegt: das der hormonellen Wirkstoffe oder das einer Hautkrebs-Erkrankung. „Letztlich muss das jeder für sich selbst entscheiden und abwägen, sonst macht man sich auf Dauer nur verrückt“, meint der Dermatologe.
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Mein persönliches Fazit
Auch wenn es nach dem Experten-Check nicht unbedingt notwendig zu sein scheint, werde ich weiterhin mit Apps wie ToxFox oder Codecheck shoppen gehen. Denn: Obwohl ich um die strenge Kosmetikverordnung in Deutschland weiß, bleibt jetzt trotzdem das schlechte Gefühl im Hinterkopf. Schließlich stehen Propylparabene, BHT etc. nicht umsonst auf etwaigen Verdachtslisten. Langfristig gesehen macht es für mich schlichtweg keinen Sinn, mir fragwürdige Stoffe auf Haut und Haar zu schmieren. Dafür ist es auch viel zu einfach, derartige Produkte zu vermeiden – bewusst(er) einkaufen war schließlich noch nie so einfach.