1. August 2018, 12:42 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wann man sich zum ersten Mal begegnet ist, wissen die beiden nicht mehr. „Es waren so viele“, sagt Anastasia Zampounidis und meint damit all jene Popstars, die sie in den 90ern vorm Mikro hatte. Die ehemalige MTV-Moderatorin prägte damals Musikformate in Radio und Fernsehen, Jasmin Wagner begeisterte und verdiente als Blümchen Millionen. Ihre Hits wie „Boomerang“ oder „Herz an Herz“ gehören heute noch zum fixen Repertoire auf Retro-Partys deutschlandweit. Jasmin singt heute immer noch selbst, schreibt aber auch Songs für andere Künstler und ist Schauspielerin, aktuell bei den Festspielen Heppenheim im Stück „Wie im Himmel“. Anastasia ist längst eine erfolgreiche Autorin, ihr zweites Buch „Für immer zuckerfrei – Meine Glücksrezepte“ erscheint im September und erzählt ihren mittlerweile zwölf Jahre dauernden Weg zu einer gesunden Ernährung.
Obwohl die beiden knapp zwölf Jahre trennen – Jasmin ist 38, Anastasia wird dieses Jahr 50 – ist das gemeinsame Thema schnell gefunden: die wilden 90er- und Nuller-Jahre, in denen Delfin-Tattoos genauso angesagt waren wie bauchfreie Tops, Neonfarben und zu schmalen Strichen gezupfte Augenbrauen. Wie es beiden gelungen ist, auch heute noch von ihrem Fame zu leben, was damals mit Drogen und Typen war und warum sie beide keine Kinder haben – das verrieten sie STYLEBOOK exklusiv im Doppel-Interview.
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STYLEBOOK: Ihr seid beide Promis, die in den 90ern berühmt geworden sind. Bei welchen Kollegen dachtet ihr: ‚Heftig, was aus denen geworden ist‘?
Jasmin Wagner: Das denkt man doch immer, wenn man Leute kennt und miterlebt, was aus denen geworden ist. Ich habe mitbekommen, dass es für Tic Tac Toe nie so einfach war, und sowas tut mir immer leid.
Anastasia Zampounidis: Die waren auch sehr jung, aber vielleicht hatten sie auch nicht so eine strenge Mama wie du, Jasmin. Wenn die Mutter draufgeguckt hat, war das die Rettung, auch wenn es teilweise sicher unangenehm war.
Jasmin: Meine Mama war sehr präsent, wir waren wie ein Familienzirkus. Meine Mutter war mit auf Tournee und hatte richtig Spaß dabei. Ich erinnere mich an Frühstücke morgens um acht, vor denen meine Mama nicht geschlafen, sondern stattdessen mit den Technikern gefeiert hatte.
Klingt ja ganz angenehm. Also hast du dich nie als Produkt im Popgeschäft gefühlt?
Jasmin: Für mich war das Produkt die CD, die musste vermarktet werden. Ich wurde so behandelt, dass ich immer ein Klassenfahrtgefühl hatte. Nur weil ich jung war, konnte man mit mir nicht machen, was man wollte. Wenn man mir als Teenie gesagt hat: ,So machst du das jetzt!‘, dann habe ich gesagt: ,Ne, mach’ ich nicht.‘ Ich war kein Roboter, ich wurde ernst genommen.
Kleiderregeln à la „Du trägst jetzt nur bauchfrei“ gab’s also nicht?
Jasmin: Das ging ganz freiwillig.
Anastasia: Britney und die Spice Girls haben es uns vorgemacht. Ich trug die hohen Plateau-Buffalos, weil ich alles geliebt habe, was mich größer machte. Da sah man aus, als hätte man ein Holzbein. Dass die jetzt wiederkommen: Iiiiiiiih!
In eurem Business ist die Verführung groß: Es werden oft Alkohol und Drogen gereicht. Wie habt ihr den Druck kompensiert?
Anastasia: Meine Droge war Zucker. Ich habe nur Fast Food, Fertiggerichte und Schokoriegel gegessen, weil ich 20 Stunden täglich gearbeitet habe. Ich habe in den ganz derben Technoclubs an der Tür, Garderobe oder Kasse gearbeitet. Die Kids, die morgens um sieben Uhr auf Ecstasy waren, waren völlig drüber. Das hat mich abgeschreckt.
Jasmin: Ich war auch auf Partys, wo es alle Arten von Drogen zuhauf gab. Ich habe beobachtet, wie sich Leute in einen völlig anderen Zustand transformiert haben. Ich fand’s spannend, aber es hat mir auch Angst eingejagt, allein das Zuschauen war sehr heilsam für mich, ich hatte null Interesse. Und: Ich stand unter Welpenschutz, weil ich noch so jung war. Mir hat keiner was gegeben.
Ohnehin geltet ihr als skandalfrei.
Jasmin: Ich bin nicht der langweiligste Mensch der Welt und habe sehr wilde Dinge getan. Aber ich habe gelernt, das diskret zu machen. Es gab sowas wie einen Ehrenkodex, auch unter Fotografen, die keine Geheimnisse weitersagen. Ich war geschützt und konnte meine Fehler machen. Damals war Privatsphäre etwas, das wir geschützt haben. Heute schmeißen alle ihr Privatleben auf Social Media.
Anastasia: Ich bewundere jemanden, der eine Million Follower auf Instagram hat, weil sich damit so viel Geld verdienen lässt. Aber das sind Litfaßsäulen und keine interessanten Persönlichkeiten. Wer jeden Tag ein anderes Paar Schuhe in die Kamera hält und sagt: ,Das sind meine Lieblinge!‘, dem glaube ich nicht.
Habt ihr mal bei irgendetwas gelogen?
Anastasia: Ich wurde immer jünger geschätzt, habe aber nie eine Gegendarstellung eingeklagt. Wäre ja auch blöd gewesen, warum sollte ich das machen?
Ihr habt beide schon sehr früh gutes Geld verdient. Wie sehr war euch bewusst, dass ihr mehr als Gleichaltrige verdient?
Jasmin: Sehr bewusst. Aber Geld war in dem Alter nicht die Motivation. Ich habe immer noch Taschengeld bekommen und habe ehrlicherweise nicht viel ausgegeben. Klamotten wurden gestellt, Essen und Reisen bezahlt. Ich hatte keinen Führerschein, keine Kreditkarte. Ich war einmal bei Gucci und habe 2000 D-Mark ausgeben. Es hat sich nicht gut angefühlt. Heute kaufe ich lieber Flugtickets als Klamotten.
Anastasia: Ich kaufe Klamotten nur noch für die Arbeit, privat gar nicht. Ich bin kein Fashion-Victim, heute gibt es jemanden, der mir sagt, du siehst ungeschminkt und unfrisiert am schönsten aus. Also scheine ich ja alles richtig gemacht zu haben.
Wie kann man sich euren Alltag vorstellen?
Anastasia: Mein Leben ist extrem unkonventionell, aber keiner weiß etwas davon.
Jasmin: Ich hatte nie strukturierte Abläufe. Ich weiß nicht, was ein normales Leben sein soll. Vielleicht ändert sich das, wenn man eine Familie gründet.
Ist das denn der Plan?
Jasmin: Kein dringender. Das ist eine Frage des Alters und muss sich zeigen. Mein Leben fühlt sich erfüllt an, mir fehlt nichts.
Anastasia: Ich habe es immer fließen lassen und gewartet, bis das Gefühl, Mutter werden zu wollen, kommt. Ich dachte, das gehört dazu, aber es kam nie. Warum soll ich Kinder kriegen, nur weil ich es kann? Das ist doch blöd, auch fürs Kind. Es geht zwar noch, aber ich hoffe, diese Überraschung bleibt mir in meinem Alter erspart.