27. März 2020, 8:00 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Seit März 2018 ist Dorothee Bär Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt – ein Job, der viel Einsatz und Innovationsmut erfordert. Am 10. März war die Politikerin beim Axel Springer Wo/men Day zu Gast, sprach vor jungen Gründerinnen und Unternehmerinnen zu den Themen Gleichberechtigung und Frauen in Führungspositionen. Im Anschluss traf STYLEBOOK die dreifache Mutter zum Interview und erfuhr, was Dorothee Bär als Chefin gar nicht duldet, wie wichtig ihr Frauen-Freundschaften sind und warum ihre Tochter ihren „Coolness-Faktor“ noch nicht erkannt hat.
STYLEBOOK: Frau Bär, wie sind Sie als Chefin?
Dorothee Bär: „Das müssen Sie wohl eher meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragen. Da gibt es ja manchmal einen Gap zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung (lacht). Ich glaube persönlich, dass ich als Chefin sehr entspannt bin und zu meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen guten Draht habe. Insgesamt ist das Team aber auch untereinander entspannt. Bei mir ist immer die Tür offen, damit jeder reinkommen kann. Das ist mir wichtig, weil ich keine schlechte Atmosphäre akzeptieren kann. Das würde alle in ihrer Arbeit zu sehr beeinträchtigen.“
Was bedeutet für Sie Female Leadership?
„Vielleicht heißt es eher ‚New Leadership‘. Wir diskutieren total oft im Team, das ist manchmal anstrengend und manchmal steht man alleine gegen das ganze Büro. Am Ende ist ein kooperativer Ansatz für mich das Beste. Keiner von uns wäre so gut, wenn nicht ein Team dahinter stünde. Das ist für mich das neue Leading. Nicht bossy sein, nur weil man die Macht dazu hat. Was ich gar nicht dulde, sind Befindlichkeiten. Mir sind Hierarchien zum Beispiel nicht wichtig. Die hat man natürlich in der Bundesregierung noch mehr als im MdB-Büro (Anm. d. Red.: MdB = Mitglied des Bundestages). Wenn der Praktikant die beste Idee hat, dann wird die genommen. Und wenn dann jemand anderes sauer darüber ist, kann ich damit nichts anfangen. Es ist letztlich aber weniger eine Frage des ‚Female‘ Leaderships, sondern eine Frage des modernen Führungsstils.“
Wie empowern Sie sich jeden Tag selbst?
„Ich liebe meinen Job. Ich sehe meinen Job nicht nur als Beruf, sondern habe das Gefühl, etwas Sinnstiftendes tun zu dürfen, vielen Menschen helfen zu können. Und: Ich lerne viele inspirierende, spannende Menschen kennen, auch über Social Media. Alles in allem kann ich sagen, dass ich mich in den letzten 18 Jahren an keinem Tag zwingen musste aufzustehen.“
Schreiben Sie tatsächlich Unternehmerinnen auf Instagram an?
„Man ‚liked‘ sich ein paar Mal, schreibt sich und sieht sich auf einer Veranstaltung. Der ein oder andere Kollege warnt mich, dass ich über Social Media zu viele zu nah an mich ranlasse. Ich finde es toll, auch im Erwachsenenalter noch neue Freundschaften zu schließen. In den letzten Jahren habe ich so viele tolle Frauen kennengelernt, die über die Zeit auch zu Freundinnen geworden sind. Das gibt mir wahnsinnig viel.“
Wie viel Aufwand stecken Sie in Ihre Posts?
„Schon sehr viel Liebe. Wobei ich auch noch besser sein könnte. Eigentlich müsste ich jeden Post auf Deutsch und Englisch verfassen, da ich auch viele Follower aus anderen Ländern habe, aber das ist mir zu aufwändig. Ist ja jetzt schon viel Arbeit. Ich ärgere mich immer, wenn ich meine internationalen Kollegen nicht verstehe. Wenn etwa der griechische Ministerpräsident eine Caption auf Griechisch schreibt, denke ich mir immer, dass er das auch auf Englisch machen könnte, weil ich es sonst nicht verstehe. Aber da muss ich mir selbst an die Nase fassen.“
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Lassen Sie trotzdem einen Like da?
„Wenn ich mir relativ sicher bin, dass ich es verstanden habe, dann schon. Aber ich like generell viel und kommentiere auch. Ich denke nicht in ‚Was gibt Ärger‘-Kategorien. Ich predige nicht nur, aus der Komfortzone zu treten, sondern ich mache das tatsächlich. Im Übrigen verfechte ich eine gesunde Fehler-Kultur.“
Auf Social Media wird man auch schnell mal für sein Aussehen kritisiert. Wie gehen Sie mit Hate-Kommentaren um?
„Es kommt immer darauf an, von wem sie kommen. Ich schaue mir das Profil an und wenn ich sehe, null Beiträge, null Follower, kein Bild – blockiere ich die Person, weil die nur ihren Account eingerichtet hat, um Leute niederzumachen. Wenn ich merke, das ist nicht der Fall, trete ich auch in den Dialog. Die Tatsache, dass ich als Politikerin auf Social Media antworte, hilft manchmal, manche wieder von den Bäumen runterzuholen, weil sie überhaupt keine Reaktion erwartet hätten.“
Sie haben drei Kinder. Sind die schon in Kontakt mit Social Media und gucken Sie darauf, was sie da machen?
„Die Älteste hat Instagram und ich gucke da sehr drauf. Ich finde, wir haben als Eltern eine Sorgfaltspflicht zu gucken, was Kinder auf Social Media machen. Das ist auch Bedingung, dass ich nicht nur anschaue, was meine Tochter da macht, sondern auch, wen sie an Followern annimmt und wen nicht. Sie darf auch kein Foto mit ihrem Gesicht hochladen. Ich bin da ganz streng. Klar, soll sie ihre Erfahrungen machen, aber ich muss sie schützen.“
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Sagt sie manchmal auch: „Mama peinlich, was du da wieder gepostet hast“?
„Klar. Meine Storys auf Instagram findet sie manchmal peinlich, ja. Ich habe letztens auch ein Tik-Tok-Video gemacht. Das fand sie genauso peinlich, aber ihre beste Freundin fand’s cool. Da meinte ich: ‚Schau, es ist nicht nur eine Altersfrage. Vielleicht hast du meinen Coolness-Faktor nur noch nicht erkannt.‘ (lacht). Ich sag ihr immer, dass meine Kollegen das gut finden, was ich mache und sie sagt dann: ‚Die sind ja auch alt.’“