12. März 2020, 4:14 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Erleichterung und Freude auf der einen Seite, Unverständnis auf der anderen: Harvey Weinstein ist zu 23 Jahren Haft verurteilt worden. Die MeToo-Bewegung jubelt, der Ex-Mogul selbst ist „verwirrt“. Die juristischen Kämpfe sind aber wohl noch lange nicht vorbei.
„Ich glaub‘, ich werd‘ verrückt“, kommentierte die Gründerin der Bewegung, Tarana Burke, per Twitter, nachdem Weinstein zu 23 Jahren Haft verurteilt worden war. Für den gesundheitlich angeschlagenen Weinstein könnte das Strafmaß bedeuten, dass er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen muss.
Zudem kündigte die Staatsanwaltschaft in Los Angeles an, Schritte für die Auslieferung Weinsteins nach Kalifornien eingeleitet zu haben. Dort droht dem Ex-Mogul ein weiterer Prozess wegen Sexualverbrechen. Ein Termin für sein Erscheinen vor Gericht an der US-Westküste stand zunächst aber noch nicht fest.
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Im Prozess in New York verkündete Richter James Burke das Strafmaß von 23 Jahren, rund zwei Wochen nachdem eine Jury Weinstein wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung schuldig gesprochen hatte. Die Höchststrafe wären 29 Jahre Haft gewesen. „Auch wenn das eine erste Verurteilung ist, ist es nicht das erste Vergehen“, sagte Burke zur Begründung. „Vor mir liegen Beweise für andere Vorfälle von sexuellen Übergriffen von einer Reihe von Frauen und das sind alles legitime Erwägungen für die Strafe.“
Weinstein wurde in einem Rollstuhl in das Gericht in New York geschoben und wandte sich US-Medienberichten zufolge zum ersten Mal seit Beginn des Prozesses selbst an den Richter: „Ich fühle große Reue gegenüber euch allen. Ich fühle große Reue gegenüber allen Frauen. Ich fühle wirklich Reue für diese Situation. Ich fühle es tief in meinem Herzen. Ich versuche es wirklich, ich versuche wirklich, ein besserer Mensch zu sein.“ Die Vorwürfe hätten ihn „verwirrt“.
Die zwei Frauen, auf deren Vorwürfen der Prozess beruhte, legten unter Tränen noch einmal ihre Sicht der Dinge dar. „Er hat mein Vertrauen missbraucht und meinen Körper und mein persönliches Recht, sexuelle Avancen abzulehnen“, sagte die frühere Produktionsassistentin Mimi Haleyi.
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Der New Yorker Bezirksstaatsanwalt Cyrus Vance bedankte sich nach der Verkündung des Strafmaßes bei dem Gericht „für eine Strafe, die eine Warnung an alle Sexualstraftäter und gewalttätigen Partner in allen Bereichen der Gesellschaft“ sei. Weinsteins Chef-Verteidigerin Donna Rotunno bezeichnete die Strafe dagegen als „obszön“ und „lächerlich“. Sie hatte bereits zuvor angekündigt, in Revision gehen zu wollen.
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„Geschichte wurde geschrieben“
Die Schauspielerin Mira Sorvino, die Weinstein ebenfalls sexuelle Übergriffe vorwirft, kommentierte per Twitter, sie habe „Tränen des Staunens und des Dankes“ geweint. Das Justizsystem habe diesmal für alle Opfer gearbeitet. Auch Schauspielerin Kristin Davis schrieb, sie weine „Tränen der Erleichterung“. Schauspielerin Padma Lakshmi kommentierte, sie sei dankbar für alle, „die ihre Erfahrungen in den Händen dieses Monsters geschildert haben“. „Geschichte wurde geschrieben“, kommentierte Schauspielerin Kristin Booth. Der Investigativ-Journalist Ronan Farrow, der die Vorwürfe gegen Weinstein mit aufgedeckt hatte, schrieb: „Heute wurde die Macht der Menschen gezeigt, die laut werden aus einer deutlich geringeren Machtposition heraus und mit großem persönlichen Risiko.“
Eine Jury hatte Weinstein Ende Februar wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung für schuldig befunden. Nicht schuldig sei er aber in den beiden schwersten Anklagepunkten des „raubtierhaften sexuellen Angriffs“ sowie eines noch schwereren Vorwurfs bezüglich Vergewaltigung. In dem aufsehenerregenden Prozess ging es vor allem um zwei Vorwürfe: Weinstein soll 2006 die Produktionsassistentin Haleyi zum Oralsex gezwungen und die heutige Friseurin Jessica Mann 2013 vergewaltigt haben.
Nach dem Schuldspruch war der gesundheitlich angeschlagene Weinstein zunächst in ein Krankenhaus gekommen und dann in das Gefängnis Rikers Island in der Millionenmetropole New York. Nun soll er in einem Gefängnis im Bundesstaat New York untergebracht werden. Nachdem sich der wegen Sexualverbrechen angeklagte Unternehmer Jeffrey Epstein vergangenes Jahr in einem Gefängnis in Manhattan das Leben genommen hatte, dürften die Sicherheitsmaßnahmen im Fall Weinstein besonders im Fokus stehen.
Mehr als 80 Frauen werfen Weinstein sexuelle Übergriffe vor. Die Anschuldigungen gegen den Produzenten, im Herbst 2017 von der „New York Times“ und dem Magazin „New Yorker“ veröffentlicht, waren der Anfang der MeToo-Bewegung. Überall auf der Welt erkannten viele Frauen und auch einige Männer ihre eigenen Geschichten in denen der mutmaßlichen Weinstein-Opfer wieder – sie begannen, diese Geschichten unter dem Schlagwort „Me too“ („Ich auch“) zu sammeln.