8. Februar 2019, 13:31 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Ich hab’s nicht gepackt. Ich sag, wie es ist. „Germany’s Next Topmodel“ Staffel 14 musste ich nach zwei Stunden vorzeitig abbrechen. Dabei liebe ich Trash-TV, Promi-News und jegliche Unterhaltung mit einem Hauch von Fremdscham-Alarm. Aber diesmal, ja, diesmal ging’s einfach nicht. Alles irgendwie vorhersehbar, konstruiert und realitätsfern. Aber von vorn.
Heidi Klum lud aus allen Bewerberinnen für die neue ProSieben-Staffel 50 Kandidatinnen nach Berlin zum „Get-together“ ein, wie sie selbst sagt. Ganz ungezwungen sollten sich die Models in spe an einer großen Tafel näher kennenlernen. Einige von ihnen wurden von ehemaligen GNTM-Gesichtern wie Klaudia mit K. oder der Gewinnerin aus dem vergangenen Jahr, Toni Dreher, persönlich mit der Einladung überrascht. Andere mit einem kurzen Video gesondert vorgestellt, aber nicht irgendwer, sondern die Kandidatinnen mit besonderer Familiengeschichte (Transgender-Hintergrund) oder krassem Schicksalsschlag (Rollstuhl-Vergangenheit). Das funktioniert immerhin auch bei DSDS schon seit Jahren.
Weniger Potenzial, mehr Tränendrüse
Auch Heidi Klum gesteht nach wenigen Minuten, dass ihr bei ihren Meeedchen „Personality“ wichtig sei. Aussehen? Laufen? Posing? Alles, worauf Modelagenturen auf der ganzen Welt Wert legen, für das deutsche TV-Format anscheinend nicht so wichtig. So kommt in der ersten Rauswurfrunde Jasmin weiter, die nicht laufen kann, aber die Heidi zumindest „süß“ findet. Die Inderin Sayana ist auch eine Runde weiter, weil „wir das noch nie gehabt haben“, bei Theresia „ist vielleicht nicht alles echt“ laut der Model-Mama, aber „ich möchte ihr einfach eine Chance geben.“ Klar, eine Unterhaltungsshow braucht auch Hintergrundgeschichten, woran der Zuschauer sich reiben kann oder er mitfühlen kann. Das gehört auch zu meinem Job als Lifestyle-Redakteurin.
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Und vielleicht bin ich deswegen kritischer mit meiner einst so geliebten Casting-Show geworden. Auch ich bin im 14. Jahr. Ich habe alle Staffeln „Germany’s Next Topmodel“ geschaut. Mit 19 habe ich jede Folge aufgesaugt und mich die ganze Zeit gefragt: Warum studiere ich eigentlich? Als Model kann man offensichtlich einen viel besseren Lifestyle haben – Fotoshootings in New York und Kapstadt, Promis treffen, viel Geld verdienen. Damals entführte mich GNTM in eine Welt, von der ich nur träumen konnte. Als Lena Gercke gewann, hatte ich Gänsehaut. Heute kriege ich auch Gänsehaut, aber eher aus Fremdscham und Mitleid.
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GNTM und die Mär vom Topmodel-Leben
Die Gewinnerinnen der vergangenen Staffeln sucht man vergeblich bei den in der Show so gehypten Top-Jobs von Prada, Chanel oder Victoria’s Secret. Selbst bei der Berliner Fashion Week, die viel kleiner und unprätentiöser ist als etwa New York oder Paris, sah man die GNTM-Sternchen eher im Publikum als auf dem Laufsteg. Dort bringen sie den Designern anscheinend mehr, wenn sie auf ihren teils millionenstarken Instagram-Accounts von den Events berichten. Denn: Geld verdienen sie trotzdem – durch Influencing. Statt Luxuslabels überweisen dann eben nur Teefirmen, Schmuckvertreiber oder überregionale Fashion-Brands, Geld aufs Konto.
Für die meisten, die durch die Klum’sche Castingschule gegangen sind, ist das Realität.Wie lange dieses Businessmodell noch funktioniert, sei mal dahin gestellt. Einen glamourösen Topmodel-Lifestyle à la Heidi kann bisher keine vorweisen. Zugegeben: Für so junge Frauen eine lukrative Einnahmequelle und rund 1000 Mal besser bezahlt als meine damaligen Studentenjobs. Aber bei GNTM vorgelebt wurde ihnen doch was anderes. Und erträumt haben sie sich sicher auch etwas anderes. So wie ich damals, als ich es noch nicht besser wusste.