21. Februar 2019, 22:26 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Tatjana (Jahrgang 1997) ist anders als die anderen Kandidatinnen der aktuellen „Germany’s Next Topmodel“-Staffel: Sie kam als Junge zur Welt. Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass eine Transgender bei Heidi Klum an den Start geht. Dennoch hat es diesmal für mich einen Beigeschmack.
Als Danny, wie ihre Eltern sie nach ihrer Geburt nannten, fühlte sie sich nicht wohl. In der Pubertät ließ sie sich operieren und veränderte in dieser Zeit auch ihre Persönlichkeit. „Tatjana ist ein völlig neuer Mensch geworden“, sagte ihre Mutter im Interview mit ProSieben. „Seitdem sie alle OPs hinter sich hat, ist sie aus sich rausgekommen. Sie ist so selbstbewusst.“ Aber macht Tatjana das automatisch zu einem aussichtsreichen Model?
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Tatjana ist eine tolle Frau, aber…
Hut ab vor allen, die diesen Schritt gehen. Die feststellen, dass sie mit dem falschen Geschlecht geboren worden sind und sich das selbst und ihrer Umwelt eingestehen – teils auch mit operativen Eingriffen. Das tut weh, ist teuer, nervenaufreibend und zu allem Überfluss haben Betroffene mit den Reaktionen ihrer Umwelt zu kämpfen. Die Themen Geschlechtsidentität und Transgender werden längst noch nicht von allen verstanden, geschweige denn akzeptiert. Leider.
Es ist bewundernswert, dass Tatjana (die erst seit etwa acht Jahren auch körperlich eine Frau ist) sich mit so vielen anderen Kandidatinnen misst – vor GNTM-Chefin Klum, ihren prominenten Gast-Juroren und vor den Augen von Millionen von TV-Zuschauern. Und umso mehr will man sich auch mit ihr freuen, wenn sie weiterkommt. Aber ganz richtig fühlt es sich für mich nicht an – und bevor der Shitstorm Fahrt aufnimmt: Ja, ich habe eine gute Erklärung.
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Obwohl sich die Sendung verändert hat, trägt sie im Titel immer noch „Germany’s Next Topmodel“. In Wahrheit scheint Heidi aber vor allem followerstarke „Influencerinnen“ zu suchen und sich nicht zuletzt mit polarisierenden Protagonistinnen eine stabile Quote sichern zu wollen.
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Ein strahlendes Beispiel: Kandidatin Jasmin, die seit Folge eins der aktuellen Staffel mit aktiver Lustlosigkeit glänzt und das mit den Worten „ich bin so abgefuckt“ noch nicht einmal zu rechtfertigen versucht. Klum bezeichnet sie als „schläfrig“, „schwach“, will aber zu gerne daran glauben, dass da „noch mehr“ in ihr steckt. Jasmin kommt weiter und ihre Mitstreiterinnen sind geschockt (und ich war es witzigerweise auch, obwohl mich doch eigentlich nichts mehr überraschen sollte). Die Entscheidung und ihre Konsequenzen – Jasmin eckt weiterhin an und tut ansonsten nichts – wird auch in der kommenden Folge für reichlich Zündstoff sorgen. Mission erfüllt.
Auch Tatjana ist noch im Rennen. Und glaubt man der durchweg positiven Kritik der Jury, hat sie gute Chancen. Aber trotz allen guten Willens und so sehr man es ihr gönnt: Der Titel „Germany’s Next Topmodel“ will ihr nicht so recht stehen. Und darauf sollte sie eigentlich stolz sein. Tatjana hat Edge. Und der wird bei ProSieben derzeit verramscht.
Denn will die Unterhaltungsshow nicht eigentlich eine Gewinnerin hervorbringen, die mit Gillette-Rasierer in einer kitschig-bunten-Werbekulisse posiert? Die universell einsetzbar und vor allem kommerziell ist?
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Für mich sieht Tatjana einfach nicht aus wie ein Topmodel
Dass Tatjana ein „außergewöhnliches Mädchen“ ist, wie Heidi immer wieder betont, und ihre Geschichte Gast-Juror und -Laufcoach Wolfgang Joop ach so sehr berührt haben soll. Das alles tut in puncto Laufsteg-Qualitäten und Fotogenität ja eigentlich nichts zur Sache – weder bei Tatjana noch bei den anderen Mädchen.
Als Zuschauer einer angeblichen Model-Casting-Show, bei der Fleischbeschau obligatorisch ist – und man sich leicht dazu hinreißen lässt, das Aussehen der Kandidatinnen hart zu kritisieren (Hand aufs Herz: Ist Ihnen da nicht auch schon einmal ein „völlig uninteressant!“ oder „Die sieht scheiße aus!“ ‘rausgerutscht?).
Tatjana sieht für mich einfach nicht aus wie ein angehendes Topmodel – Transgender hin oder her. Sie mitzuziehen, weil sie „special“ ist und Heidi sich dadurch weltoffen zeigt, ist unfair und geht letztendlich auf Kosten der jungen Frau, die sich selbst sicherlich eine objektive Beurteilung wünscht.