19. Februar 2019, 16:07 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Als um die Mittagszeit am 19. Februar die Meldung vom Tod Karl Lagerfelds in den Schlagzeilen hochkochte, bekam ich Gänsehaut. Was für ein Leben ist da zu Ende gegangen, was für ein Genie, was für ein Verlust für die Modewelt. Tatsächlich glaube ich, dass es nach Karl die Haute Couture- und Prêt-à-porter-Branche, so wie wir sie kennen, nicht mehr geben wird.
Karl der Große
Wie sein Weggefährte und spätere Rivale Yves Saint Laurent war Lagerfeld einer der letzten, großen Designer, dem es gelang, in der verwöhnten und gelangweilten Modebranche für offene Münder zu sorgen. Seine Schauen zur Paris Fashion Week bildeten den krönenden, ach, den kaiserlichen Abschluss jeder internationalen Modewoche. Wer keine Einladung für seine fulminante Show (Einmal baute er etwa einen ganzen Supermarkt nach) bekam, war raus aus dem kleinen und begehrten Modezirkel. Und auch, wenn es die meisten Moderedakteure nicht zugeben wollten: Man freute sich sogar über ein Standing, also einen Stehplatz in der hintersten Reihe.
Für mich war Karl Lagerfeld mit ein Grund, warum ich nach dem Abitur unbedingt in die Modebranche wollte. Karl, Chanel, die Paris Fashion Week – Begriffe, die mich packten und deren Zauber mich in diese Richtung zogen. Als ich anfing, Modejournalismus zu studieren, sah ich mich heimlich als Redakteurin im Interview mit Karl. Oder zumindest mit seiner Katze Choupette, die ebenfalls Kultstatus erreicht hatte.
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Gänsehaut-Moment für zwei Sekunden
Allerdings: Auch nach fast zwanzig Jahren in der Modebranche habe ich es leider nicht geschafft, Karl zu interviewen. Dennoch durfte ich ihn einmal kurz persönlich sehen – das war 2012, als er in Berlin die Fotoausstellung „Little Black Jacket“ eröffnete: Ein kleiner Mann schob sich mit seinem zwanzigköpfigen Team an mir vorbei. Und obwohl ich nur seinen gepuderten Zopf sah, machte dieser Moment etwas mit mir. Ein befreundeter Fotograf erzählte mir einmal, dass es nur wenige Menschen gebe, die über eine solche Aura verfügten wie Kate Moss und eben Karl Lagerfeld. Ich konnte ihm nur beipflichten.
Nun ist also jener Mann, der Supermodels wie Claudia Schiffer entdeckte, Chanel-Klassiker wie das Bouclé-Kostüm neu und besser interpretierte, nicht mehr da. Das Mode-Karussell wird sich auch nach seinem Tod weiterdrehen, aber es wird weniger strahlen. Auch wenn Lagerfelds Nachfolge bei Chanel schon fest steht – es wird seine langjährige Vertraute Virginie Viard – die Lücke, die King Karl hinterlässt, wird nie wieder ganz gefüllt werden. Da bin ich mir sicher. Andere Designer und Marken wie Philipp Plein, Versace oder Gucci sind vielleicht kommerziell erfolgreicher und sprechen auch eine jüngere Zielgruppe an. Doch ihnen fehlt, was Lagerfeld hatte: das Know-How der alten Handwerkskunst – und Geschmack für gute Mode. Und ehrlich: Bling-Bling (Plein), Sexyness (Versace) oder Crazyness (Gucci) ist für mich kein Zeichen von gutem (Mode-)Stil. Die Modewelt ist nicht mehr das, was sie war.