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Wolfgang Joop lästert über deutschen Style — und sich selbst

»Die meisten Frauen sehen aus wie Strich

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Daniela Garrasi Redaktionsleitung STYLEBOOK.de

26. Mai 2017, 12:17 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Er hat in der Modewelt schon alles erlebt: Wolfgang Joop katapultierte sich und seine Designs auf die Laufstege rund um den Globus und wurde als „Diva“ verschrien — bis er mit „Germany’s Next Topmodel“ zum Darling avancierte. Lästern kann der Star-Designer trotzdem noch, wie er im Interview mit STYLEBOOK bewies.

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Als wir uns mit Wolfgang Joop in den Räumen seiner Modefirma Wunderkind in Berlin treffen, wissen wir nicht, was uns erwartet. Eine Überraschung habe man zu verkünden, hieß es im Vorfeld. Am Ende entpuppte sie sich als eine neue Kollektion. Erstmal nichts Besonderes für einen Designer

Doch die neue Kollektion kann man nur drei Monate kaufen, danach wird sie durch eine neue ersetzt und danach wieder. Wolfgang Joop legt mit 72 Jahren noch mal den Turbo ein und entwirft für sein neu gegründetes Label „Looks“ jetzt viermal im Jahr eine neue Kollektion, um „schneller auf Trends“ reagieren zu können, wie er sagt — und vielleicht auch, um den Style auf den Straßen hierzulande etwas besser zu machen. Denn über den Stil deutscher Frauen verliert der Ex-GNTM-Juror im Interview harte Worte, aber Joop geht auch mit sich selbst überraschend hart ins Gericht.

STYLEBOOK: Warum jetzt noch ein neues Label?
Wolfgang Joop: „Ich bin eben eine ‚Learning-by-doing-Person‘. Wenn ich mich mitten in der Problemzone befinde, lerne ich zu reagieren und versuche, mich dieser neuen Welt anzupassen. Ich möchte nicht als Dinosaurier bestaunt werden. Ich will bewusst in den spannenden Bereich des Online-Fashion-Trade einsteigen. Denn Fashion heißt für mich Bewegung. Erst wenn man meine Designs bewegt, sind sie für mich Fashion. Daher dachte ich, man braucht noch mal ein schnelleres, digitales Format, das wie ein Magazin gestaltet ist und auf Stimmungen und Trends reagiert – ohne meine Handschrift zu verleugnen.“

Wie funktioniert das?
„Wir lassen in Europa unter fairen Bedingungen produzieren. Fashion war für mich immer Freude und Entertainment, und das soll erhalten bleiben. Die Looks-Entwürfe haben das technische Know-how eines Wunderkind-Designs, werden aber in höheren Stückzahlen gefertigt. Daher sind sie erschwinglicher und können mehr Fans erreichen. Bei Looks konzentriere ich mich besonders auf Kleider und Blusen. Darauf haben mich die Mädchen immer wieder angesprochen.“

Sie wollen sich mit dem neuen Label also austoben?„Ich will heute mehr Frauen in meinen Kleidern sehen als damals. Es war sehr traurig, dass viele Frauen zwar in meinen Kollektionsteilen gut aussahen, sie aber nicht bezahlen konnten. Ich habe mich mit Looks bewusst in den Bereich des ‚Affordable Luxury‘ bewegt. Meine Mode ist erschwinglich geworden. Mein Label Wunderkind bewegt sich auf sehr hohem Preisniveau, wie man weiß.“

Woher schöpfen Sie Ihre Energie? Trotz der „Ups and Downs“ in Ihrer Karriere…
„Ich wollte immer wie ein Maler das Bild malen, das er sehen möchte – und habe es gemacht. Ich wollte ein Buch schreiben, das habe ich gemacht. Ich wollte in einem Film mitspielen, das habe ich gemacht. Dann wollte ich zu Heidi Klum, das habe ich gemacht und war überrascht, dass ich mich in dem Format auf natürliche Weise wiederfand.“

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Sind Sie also von sich aus auf ProSieben zugegangen, um in der GNTM-Jury zu sitzen?
„Nein. Ich habe jahrelang immer abgelehnt, und auf einmal dachte ich: Bist du genauso wie die anderen Deutschen, die du so doof findest? Wie kannst du sagen, Heidi Klum kommt mir nicht auf den Laufsteg? Darum geht’s doch gar nicht! Sie ist eine Ausnahmepersönlichkeit, die es geschafft hat. Sie hat sich aus einer Kleinstadt losgerissen – so wie ich auch. Ich komme aus Potsdam Bornstedt, habe aber meine Karriere in New York gestartet. Das muss man erstmal schaffen. Heidi meinte zu mir: ‚Du konntest mich doch gar nicht leiden.‘ Dann habe ich gesagt: ‚Verzeih mir, bitte!‘ So war’s! Ich habe sie schätzen gelernt. Ich kann mir dieses Format auch nur unter Heidi Klum vorstellen, weil sie ihm eine Schärfe gibt. Sie lässt die Mädchen eine Stunde zittern. Was ihr gelingt, ist Nervenkitzel. Da war es einfach, den Good Cop zu geben.“

Stimmt. Durch die Sendung konnten Sie Ihr Image als „Diva“ ablegen. Hat Sie das vorher gestört?
„Das hat mich nie gestört, und ich fand es auch schick, wenn man mich Diva genannt hat. Nicht dass ich extra undeutsch wirken wollte. Aber ich wollte eine andere deutsche Person repräsentieren, weil ich für mich selbst kein Konzept hatte. Jetzt, wo diese Zeit vorbei ist, will ich auch nicht mehr vorgeben, was ich nicht mehr bin. Ich korrigiere nichts mehr. Die Haare sind nicht mehr blond und bleiben jetzt grau, da wird nicht mehr gefärbt.“ (lacht)

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Können Sie sich ein eigenes Format à la GNTM oder Shopping Queen vorstellen?
„Bestimmt nicht. Das kann erstens Heidi besser, und zweitens bin ich noch nicht bereit, nur noch im Fernsehen zu sehen zu sein. Mit Looks machen wir vielleicht mal einen YouTube-Channel, aber für ein regelmäßiges Format braucht man eine physische Präsenz. Du musst punktgenau im Studio sein und es ertragen, die Scheinwerfer auf dich gerichtet zu wissen. Zu interagieren mit all den Leuten, ist mental sehr anstrengend. Mit meinem Team spreche ich eine eigene Sprache, die der Zuschauer nicht verstehen muss. Wir haben eine ganz andere Freiheit, die ein Regieteam mir nie erlauben würde.“

Was würden da für Schrullen von Ihnen herauskommen?
„Ach, viele. (lacht)

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Wie würden Sie den deutschen Style beschreiben?
„Jede zweite trägt eine Bikerjacke und eine Leggins mit Schal. Frauen frieren heute nicht mehr. Aber ehrlich: International finde ich kaum noch Unterschiede. Ich finde nur, dass deutsche Frauen auf dem roten Teppich immer komplizierte Kleider anhaben und schlechte Frisuren. Die Ästhetik ist immer eine Verabredung mit unserer Zeit. Manche, die mitgehen, sind weit vorne. Deswegen gibt es nicht richtig oder falsch. Heute ist es viel schwerer, weil es keine Richtungen gibt.“

Welchem Promi würden Sie Style-Bewusstsein bescheinigen?
„Iris Berben und Chloë Sevigny haben einen tollen Style. Einen schrecklichen hat Angelina Jolie. Sie sieht immer so ernst genommen aus. Fashion verdeckt nicht, Fashion verrät. Wenn man immer noch glaubt, dass man zur Bouclé-Jacke auch einen Bouclé-Rock anziehen muss, dann ist man von Gestern. Man muss das Konzept des Designers zerreißen und zu seinem eigenen machen. Schick ist, wenn du dich nicht anbietest. Wir haben unseren Körper und unsere Fetische, um uns zu verständigen. Und jetzt werden Fetische getragen, die viele gar nicht verstehen. Die meisten Frauen im Stadtbild sehen aus wie ‚Strich‘, und das wird noch nicht mal erkannt.“

Was halten Sie von Influencern?
„Die Influencer sind ‚very important for nothing‘! Das ist schon wieder interessant. Sie werden von großen Fashion-Häusern gepampert, weil sie als wichtige Informationsträger gesehen werden. Hochglanzmagazine sind heute nicht mehr stilbildend. Es gibt für alles Gründe, auch für schlechten Geschmack. Aber es ist immer von allem gleich zu viel. Manchmal denke ich, dass es für mich und meine Arbeit keinen Platz mehr gibt. Ich habe das Gefühl, dass ich mir den Schlaf aus den Augen wische und alles schon besetzt ist. Aber dann wache ich zum Glück auf und frage mich: In welche neue Welt führt mich das wohl? Mag sein, dass jetzt eine komische Diktatur der Blogger kommt, aber ich werde mit ihnen arbeiten – und ich beschwere mich nicht darüber! Solche Phänomene haben in unserer Gesellschaft eine Berechtigung.“

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Apropos, Social-Media-Stars: Ihren Instagram-Account nutzen Sie allerdings noch nicht so intensiv?
„Ich will mir da auch keine Legende bilden. So richtig glauben tue ich das den anderen Leuten auch nicht, was sie posten. Da gibt es eine Menge Manipulation des eigenen Egos. Man schafft sich permanent eine neue Identität, und ich finde das irritierend. Daher lasse ich meinen Account mit meinem Input von meinen Mitarbeitern arrangieren.“ (lacht)

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