13. Oktober 2017, 14:19 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Den pinken Jogginganzug hat sie an den Nagel gehängt, nun wagt sich die ehemalige Plattenbauprinzessin Cindy auf neues Terrain: Als Designerin für große Größen will Ilka Bessin (45) jetzt neu durchstarten. Mit STYLEBOOK sprach sie darüber, warum ihre Mode jetzt schon in den Schlagzeilen ist, weshalb Radlerhosen durchaus okay sind und ob es ein Comeback von „Cindy aus Marzahn“ geben wird.
Was Ilka Bessin mit ihrem Alter Ego Cindy gemeinsam hat? Die freche Berliner Schnauze und eine sofortige Sympathie. Überheblichkeit oder Zickigkeit wie bei anderen Stars sucht man bei ihr vergeblich. Die erste Überraschung: Ilkas Überpünktlichkeit. „’Tschuldige, dass ick jetzte schon so früh anrufe. Und sollen wir uns nicht direkt duzen? Also, ick bin die Ilka.“
Auch während des Telefoninterviews erlebe ich eine bodenständige, äußerst sympathische Ilka Bessin, die nicht nur voller Leidenschaft über ihre neue Modemarke „Bessin“ spricht, sondern auch über die Kritik an ihrem Label und das Dicksein.
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STYLEBOOK: Als „Cindy aus Marzahn“ hast du die Rolle der Trash-Queen in Zuckerwatten-Rosa gespielt, jetzt designst du Plus-Size-Mode, die stilvoll und hochwertig ist. Wie und wann kamst du auf die Idee, eine eigene Mode-Linie zu launchen?
Ilka Bessin: „Ich war genervt, dass es die schönen Sachen, die meine Freundinnen kauften, nie in meiner Größe gab. Ich dachte: Mein Gott, auch Frauen mit Kurven mögen es modisch! Privat wollte ich nämlich nicht nur im pinken Jogginganzug herumlaufen, sondern genau wie andere Frauen auch up-to-date und feminin aussehen.“
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Wie unterscheidet sich „Bessin“ von anderen Plus-Size-Labels wie Ulla Popken oder Bonprix?
„Für Bessin habe ich Kleidung entworfen, die ich einfach selbst gerne trage. Besonders viel Wert habe ich auf die Materialien gelegt: Viel hochwertige Baumwolle, wenig Polyester. Ich kenne das nämlich: Trage ich eine Polyesterbluse, bin ich die ganze Zeit nur am Schwitzen. Ein wesentlicher Unterschied von Bessin und den genannten Marken ist die Größe des Unternehmens. Bessin ist ein sehr kleines Label. Das aktuelle Sortiment umfasst insgesamt nur 3500 Teile. Bonprix und Ulla Popken sind hingegen riesige Unternehmen, die natürlich ganz andere Möglichkeiten haben.“
Ist das der Grund, warum die Mode relativ teuer ist? Eine Strickjacke kostet 219 Euro, ein Mantel liegt bei 449 Euro. Das hat schon viele überrascht…
„Naja, in dem Zusammenhang ist es wichtig zwischen Ilka Bessin und Cindy aus Marzahn zu unterscheiden. Nicht Cindy hat die Kollektion entworfen, sondern Ilka. Klar, der Mantel hat seinen Preis und eine Tunika kostet 119 Euro. Dazu muss man aber eben auch wissen, dass wir in der Herstellung viel Wert auf auf hochwertige Materialien legen und unsere Kleidung in Produktionsstätten hergestellt werden, in denen die Produzenten ihre Mitarbeiter angemessen bezahlen und entsprechende Arbeitsbedingungen herrschen. Dazu kommt die geringe Stückzahl, in der wir produzieren. Das sind alles Faktoren, die ihren Preis haben. Eine große Kette, die hunderttausende Stückzahlen produziert, kann das kompensieren, wir im Moment leider noch nicht. Ich weiß aber selbstverständlich auch, dass es viele Menschen gibt, die sich unsere Mode im Moment nicht leisten können.“
So, jetzt mal Hand aufs Herz: Wieso gibt es kein einziges Teil in Pink?
(Lacht) „Na, Mensch, weil der Sommer ja erst noch kommt! Dafür habe ich jetzt in der aktuellen Herbst-Kollektion ein T-Shirt mit Gartenzwerg-Print dabei, das ist doch auch bisschen crazy! Aber im nächsten Sommer werden leuchtende Farben wie Koralle und Türkis dabei sein. Und nö, Pink bin ich nicht überdrüssig. Zu Hause habe ich pinke Tücher und Kapuzenjacken, die ich immer noch trage. Und vielleicht kommt ja eventuell bald in einer limitierten Sonderkollektion ein Jogginganzug mit rein. Wer weiß…“
Ilka, du bist ja sehr groß…
„ … 1,84 Meter, und nicht, wie ich schon öfter gelesen habe, 1,90 Meter. Und ja, ich habe auch große Füße: 43, Tendenz 44. Kommt darauf an, wie der Schuh ausfällt. Manchmal habe ich sogar 45 oder auch ’nur‘ 42.“
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Warum hast du keine Schuhe ins Sortiment aufgenommen?
„Mit Schuhen ist das so eine Sache: Es gibt breite Füße, schmale Füße. Das ist dann relativ kompliziert mit der Anfertigung der Passform. Und außerdem mag der eine flache Schuhe, der andere trägt nur High Heels. Mich zum Beispiel siehst du nur in Sneaker, in hohen Schuhen kann ich gar nicht laufen, ich würde mir da beide Füße brechen. Okay, im Winter trage ich auch mal flache Stiefel.
Plus-Size ist ja gerade ein wichtiges Thema in unserer Gesellschaft. Doch irgendwie werden die Männer vernachlässigt. Ist Plus-Size-Mode für Männer ein Thema für dich?
„Wenn unser Label so richtig gut läuft, kann ich mir durchaus vorstellen, Mode für Männer zu entwerfen. Dicke Männer möchten ja auch mal schön angezogen sein.“
Früher sagte man zu Frauen, die nicht schlank sind, sie seien übergewichtig, korpulent. Heute gibt es dafür den netteren Begriff Plus-Size…
„Warum eigentlich? Wenn man dick ist, ist man dick. Man steht ja nicht morgens vor einen Spiegel, der abgehangen ist. Ich bin dick und weiß das auch. Dünne oder schlanke Leute haben eher ein Problem damit und suchen nach einem vermeintlich netten Wort für dick. Und ganz ehrlich, ‚Plus-Size‘ ist für mich ein Begriff, der sich anhört wie: ‚Hey, ich war drei Wochen in New York und bin jetzt voll cool‘. Auch sehr schön ist übrigens das Wort vollschlank. Gibt es auch halbschlank oder viertelschlank? Oder was heißt vollschlank? Es gibt dick, es gibt dünn. Und dann gibt es Menschen, die sind ein bisschen dünner als dünn und andere ein bisschen dicker als dick.“
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Worauf sollte eine kurvige Frau beim Styling achten? Gibt es No-Gos?
„Eine Zeit lang hieß es ja, man soll als dicke Frau bestimmte Teile wie Leggings nicht tragen. Ganz ehrlich: Ich habe auch gerade eine Leggings an, dazu ein länger geschnittenes Oberteil und eine lange Jacke. Ich fühle mich in dieser Kombi einfach wohl. Und darum geht es ja letztendlich auch. Ich würde zum Beispiel nie einen Mini-Lederrock anziehen. Nicht, weil ich hierfür kein Selbstbewusstsein hätte, sondern einfach, weil ich keinen Bock darauf habe. Aber wenn andere Frauen so einen Rock tragen, ist das doch ok. Leben und leben lassen. Und selbst diese winzigen Minirucksäcke sind bei schweren Frauen in Ordnung. Ich selbst habe mir neulich so einen Rucksack gekauft, wo drauf steht ‚Meine andere Tasche ist von Gucci‘. Jeder andere würde jetzt dazu sagen: ‚Hm, na ja…‘ – ich finde es lustig.“
Gibt es eigentlich Vorbilder für dich, von denen du dich inspirieren lässt für deine Kollektion?
„Jede Frau und jeder Mann hat eine eigene, persönliche Schönheit. Für mich waren meine Eltern immer Vorbilder. Die haben ihr Leben lang gearbeitet, damit es mir gut geht. Ich finde, Vorbilder werden viel zu sehr thematisiert. Alles wird zum Thema gemacht: dünn sein, dick sein – lass den Menschen doch so, wie er ist! Wenn der dicke Mensch Radlerhosen tragen möchte, dann soll er doch, wenn er sich damit wohlfühlt! Er tut ja damit keinem weh.“
Vermisst du eigentlich Cindy aus Marzahn – und würdest du ein Comeback ausschließen?
„Vermissen nicht. Ich erinnere mich aber gerne an die Zeit, in der ich auf der Bühne stand und mit den Kollegen auf Tour war. Ob ich mir ein Comeback vorstellen kann, weiß ich nicht. Momentan ist Cindy ja eh auf einer Bohrinsel und arbeitet dort als DJane.“
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